In unserer Gesellschaft sind viele Produkte und Dienstleistungen jederzeit verfügbar. Doch zentrale Elemente unserer Kultur sind so einzigartig, dass sie nur schwer zu finden und auch zu ersetzen sind: Die Heimat als Inbegriff von menschlicher Nähe und Tradition gehört dazu. Viele merken erst spät, welchen Schatz sie verloren haben und vermissen zutiefst diesen Ort ihrer Identität.

Foto: Shutterstock

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Wenn die innere Heimat stirbt

Mit Heimat verbinde ich ein Schwarzweißfoto meiner Mutter: Als elfjähriger Junge nutzte ich eine alte Rollfilmkamera, um meine Mutter im Garten zu fotografieren. Große blühende Dahlien, herrliches Wetter – doch die tiefen inneren Bilder, die ich mit diesem Tag verbinde, passen nicht zu dem eindimensionalen Schwarzfoto, das heute zu den Kostbarkeiten meines Lebens zählt: Meine Mutter, Sinnbild für Geborgenheit – auf dem letzten Bild vor ihrem Tod.

Mit 11 Jahren starb ein großer Landstrich meiner inneren Heimat. Es folgte ein Umzug zu den Großeltern, in der sechsten Klasse erneuter Schulwechsel – innerhalb kurzer Zeit ging meine äußere Heimat verloren. Auch mein Vater entfernte sich – nicht nur geografisch, sondern auch zeitlich: Er blieb im Elternhaus, musste arbeiten, kam nur noch an den Wochenenden zu Besuch.

Einer meiner letzten sicheren Häfen ging verloren, als mein Großvater überraschend an einem Schlaganfall starb. Erst Jahrzehnte später habe ich diese traumatischen Verlusterlebnisse in einer Therapie bewusst aufgearbeitet und verstanden, welche Bedeutung die Heimat für meine Identität hat.

Meine Heimat ist ein emotionales Unikat

Als Filmemacher habe ich viele Städte und beeindruckende Orte besucht. Vor einigen Jahren etwa drehte ich in Machu Picchu, der vergessenen Stadt der Inkas auf einem 2.500 Meter hohen Berg in den Anden – ein absolutes Unikat und Anlaufstelle von tausenden Touristen. Auch meine Heimatstadt, der Ort meiner Geburt, ist für mich emotional ein Unikat und doch im Vergleich zu Machu Picchu eine Stadt wie viele andere, nichts Besonderes.

Nur durch meine Kindheitserlebnisse, das Gefühl der Geborgenheit wird es zum emotionalen Schatz. Gleichzeitig frage ich mich, warum so viele Menschen so viel Zeit und Geld investieren, um fremde Städte zu besuchen, während sie die eigene Heimat eher gering schätzen. Ist es der Reiz des Fremden, der das Vertraute in den Hintergrund drückt? Oder ist wie in meiner Biographie der Verlust der inneren Heimat, der mein Fernweh, die Suche nach fernen Orten antreibt?

Ich denke an meine Schulkameraden, die für ihre Karriere ihre Heimat verlassen haben. Mir fallen etliche Freunde ein, die in Hoffnung auf erfüllende Liebe ihre Familie verlassen haben, um eine neue Beziehung einzugehen. Manche Hoffnungen auf beruflichen Erfolg und privates Glück wurden erfüllt, andere sind geplatzt. Und doch bleibt die Sehnsucht nach diesem Hafen der Geborgenheit bestehen. Die Suche nach Heimat scheint so tief in unserer Identität verankert, dass sie uns trotz aller Hindernisse antreibt und in Bewegung hält.

Ein fremder Hafen bietet innere Heimat

Ich erinnere mich noch sehr stark an meine Heimatlosigkeit als Teenager, nachdem meine wichtigsten Bezugspersonen aus meinem Leben gerissen wurden.. Im tiefsten Inneren fühlte ich mich von Gott und der Welt verlassen. Doch dann entdeckte ich einige Anker-Personen, die meinem Schiff, das orientierungslos auf dem Meer trieb, einen sicheren Hafen anboten.

In diesen Jahren baute ich besonderes Vertrauen zur Schwester meiner Mutter und ihrem Mann auf. In den Schulferien war ich dort als „drittes Kind“ zu Gast, wurde bemuttert und bevatert. Mein Onkel und meine Tante hatten das richtige Fingerspitzengefühl, um mir als pubertierenden Teenager das richtige Maß von Nähe und Distanz zu geben. Hier fühlte ich mich verstanden. In dieser Familie entstand eine neue Form von Geborgenheit, von innerer Heimat.

Die wichtigste Lektion für mich: Auch wenn mein Schiff nur während der Ferienzeiten dort anlegen konnte – der Hafen war so stark, das er mir auch in den Monaten dazwischen „auf offener See“ genügend Sicherheit zum emotionalen Überleben bot. Zudem wurde mir bewusst, dass ich Heimat nicht nur an Orten, sondern auch bei Menschen finden kann.

Auch eine starke Marke braucht Heimat

Wenn mich mittelständischen Unternehmern einladen, um sie bei ihrem Internetauftritt zu beraten, spielt das Thema “Heimat” immer eine Schlüsselrolle. Im Gespräch stelle ich gezielte Fragen, die genau um diese innere und äußere Heimat kreisen. Als Berater will ich herausfinden, wo diese Führungskräfte selbst “beheimatet” sind. Ich will Geschichten ans Tageslicht bringen, mit denen sich auch die Leser identifizieren können, um eine Brücke des Vertrauens zu bauen.

Diese Woche war ich zu Gast im Rotary Club in Bad Camberg, um meinen Vortrag “Sie sind die Marke!” zu halten. Bereits beim gemeinsamen Abendessen ging es an unserem Tisch um die Heimat:  Ein langjähriger Banker erzählte von seinem Umzug und der Entwurzelung, ein Verbandschef aus der Pharmabranche über seine neue Heimat in der Mitte Hessens. Mir wurde erneut deutlich, wie wichtig diese geografischen Wurzeln sind, als Ankerplätze unserer Identität.

Mein persönlicher Tipp: Fangen Sie an, Ihre besten “Heimat-Geschichten” auszugraben und mit Ihren Kunden zu teilen.