Kürzlich frage mich die evangelische Nachrichtenagentur: Soll man immer die volle Wahrheit sagen? Sind also auch “Höflichkeitslügen” nicht erlaubt? Ich begrüße es, wenn in den Medien über Knigge Wahrheit und Ethik diskutiert wird. Die 10 Gebote sind für mich ein wichtiges Fundament unserer jüdisch-christlichen Kultur. Spannend finde ich die Fragen: „Was ist eine ehrliche Form der Kommunikation? Wie bleibe ich im Alltag in der Wahrheit?“
Beispiel Komplimente: Ich bin eingeladen, aber das Essen schmeckt mir nicht. Soll ich der Gastgeberin, die seit zwei Stunden in der Küche steht, dies auf den Kopf zusagen?
Wohl kaum. Doch wie drücke ich ehrliche Wertschätzung aus, ohne zu lügen? Ich würde folgende Formulierung wählen: „Vielen Dank für den schönen Abend und Ihren Einsatz als Gastgeberin.“
Beispiel Zeit: Das Telefon klingelt, ich habe vorgenommen, noch private Dinge zu erledigen. Eigentlich passt der Anruf gar nicht. Sage ich das ehrlich? Oder erfinde ich eine „Wichtigkeitsstufe“, um das Gespräch kurz zu halten? In diesem Fall rate ich zu aufrichtiger Kommunikation: „Vielen Dank, dass Sie an mich denken – das finde ich klasse. Ich habe mir für heute noch einige Dinge vorgenommen, die ich gerne erledigen möchte, können wir eine Zeit vereinbaren, um in Ruhe zu telefonieren?“
Beispiel Krankheit: Ich erfahre von einer lebensbedrohlichen Diagnose. Soll ich den Kranken damit konfrontieren? Ich werde nie vergessen, als meine Frau Bettina mit 37 Jahren die Diagnose Krebs erhielt. Der Kirchenvorstand kam, um mit ihr zu beten. Der Pastor brachte an diesem Abend seinen Eindruck auf den Punkt: „Es liegt ein Hauch des Todes in der Luft“. Als Angehöriger fand ich diesen Satz völlig daneben, schließlich ging es doch um Heilung.
Knigge Wahrheit erfordert Mut
Im Nachhinein bewerte ich seinen Ausspruch als absolut ehrlich und enorm mutig. Er hat sich im Angesicht des Todes nicht zu einer „Notlüge“ verleiten lassen. Doch war es wirklich klug? Meine Schwiegereltern und mich hat die Hoffnung durch neun tiefe Monate hindurchgetragen. Diese Hoffnung sollte man niemand nehmen, solange es keine falsche Hoffnung ist. Ich habe in der Krise gelernt, wie erleichternd es für den Kranken sein kann, wenn er ehrlich über den nahenden Tod sprechen kann und dieses Thema für die Angehörigen eben kein Tabu-Thema ist.
Die Tipps auf dieser Seite sind sehr hilfreich. Mich würde der richtige Umgang mit folgenden Punkten interessieren:
1) Ich persönlich möchte nicht in allen möglichen Internetforen meinen vollen Namen angeben. Ist ein s.g. Nick-Name auch einen Lüge?
2) Oft merke ich, dass gleich einen komische Stimmung in Gesprächen entsteht, wenn man eine andere politische oder religiöse Meinung vertritt als der Gesprächspartner. Was könnte man dann Versöhnliches sagen und trotzdem ehrlich bleiben?
Sehr klug und weise…, dieser Artikel inspiriert mich in Zukunft darueber nachzudenken, wie ich ehrlich bleiben und mich besser ausdruecken kann.
Werde darueber nachdenken.
Mit herzlichen Gruessen und viel Segen
Margrit
Vielen Dank für die Rückmeldung. Zu Ihrer ersten Frage: Ich kann Ihre Zurückhaltung in Internetforen gut verstehen, um Ihre Identität zu schützen. Solange Sie keine Nachrichten posten, die Sie auch mit Ihrem Klarnamen schreiben würden, ist das für mich im grünen Bereich. Die Grenze wird nach meiner Einschätzung überschritten, wenn unter dem Deckmantel der Anonymität falsche Behauptungen oder gar Verleumdung publiziert werden. Zu Frage 2: Im Dialog mit unbekannten Menschen empfehle ich grundsätzlich zuerst Wertschätzung für die Meinung des anderen auszudrücken. Auf dieser Grundlage kann ich auch meine Einstellung “posten” ohne den anderen auszugrenzen oder zu diffamieren. Mein Tipp: Berichten Sie über persönliche Erfahrungen, eigene Erlebnisse, die zum Thema passen. Damit bauen Sie eine Brücke im Dialog mit Ihrem (unbekannten) Gegenüber.