TRUMPF-Chefin Nicola Leibinger-Kammüller fährt eine klare Linie

Man findet wenige Persönlichkeiten in der harten Business-Welt wie Nicola Leibinger-Kammüller. Genau genommen gar keine. Sie ist ein absolutes Unikat mit klaren Ansichten. Sie zeigt Kante, steht für ihre Werte ein und scheut weder Konflikte noch die ehrliche Transparenz, die sie und ihre Firma an den Tag legen. Die erfolgreiche Unternehmerin wurde bereits mit etlichen Preisen ausgezeichnet und zählt in der Wirtschaft zu den Vorzeige-Führungspersönlichkeiten.

Das mag nun sicherlich nach einer toughen und unnahbaren Powerfrau klingen, doch wer Nicola Leibinger-Kammüller getroffen hat, schwärmt von ihrem Charme, ihrem natürlichen Lachen. Spontan ist sie, lebhaft, grazil. „Ich könnte mir keinen schöneren Beruf vorstellen“, schwärmt sie mit ihrem unverkennbaren schwäbischen Akzent in einem Video-Interview mit dem Magazin impulse. „Ich liebe es, dass ich als Unternehmerin meine kreativen Ideen in die Tat umsetzen und beobachten kann, was daraus entsteht.“ Für sie ist aber klar: eine gute Führungspersönlichkeit arbeitet trotz aller Komplexität der Branche stets mitarbeiterorientiert.

Foto: Shutterstock

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TRUMPF – ein Unternehmen auf Erfolgskurs

Inmitten von Baden-Württemberg, im schwäbischen Ditzingen, liegt die Hauptniederlassung des Werkzeugmaschinenherstellers TRUMPF. Das mittelständische Unternehmen – gegründet 1923 in Stuttgart von Christian Trumpf – hat eine lange und mitunter auch turbulente Geschichte hinter sich. Während anfangs noch biegsame Wellen für den zahnärztlichen und Druckereibedarf hergestellt wurden, eroberten über die Jahrzehnte hinweg innovative und neuartige Produkte und Arbeitstechniken den Weltmarkt: von Elektrowerkzeugen bis hin zu ausgefeilter Lasertechnik – TRUMPF bleibt am Puls der Zeit und schafft es, Mitarbeiterzahl und Umsatz stetig zu erhöhen.

Ab den 1960er-Jahren bringt Professor Berthold Leibinger das Unternehmen entscheidend nach vorne. So gründet er beispielsweise eine Tochtergesellschaft im japanischen Yokohama und setzt vermehrt auf moderne, fortschrittliche Techniken. Dann, nach über 40 Jahren in der Führungsposition, gibt er das Zepter an die nächste Familiengeneration weiter. Die promovierte Literaturwissenschaftlerin Nicola Leibinger-Kammüller wird 2005 Vorsitzende der Geschäftsführung, ihr Mann Mathias Kammüller und ihr Bruder Peter Leibinger sind ebenfalls in der Verantwortung für das Familienunternehmen. Obwohl Nicola Leibinger-Kammüller bereits seit 1985 im Bereich Presse- und Öffentlichkeitsarbeit tätig ist, steht ihr die größte Hürde bei TRUMPF erst noch bevor.

Wer Opfer bringt, übersteht die Krise

Nach nur wenigen Jahren in der Geschäftsführung bricht die weltweite Wirtschaftskrise aus. Unzählige Unternehmen müssen heftige Rückschläge einstecken – so auch TRUMPF. „Wir mussten innerhalb von zwei Geschäftsjahren ein Umsatzminus von 40 Prozent hinnehmen. Das war eine unheimlich herausfordernde und enorm stressige Zeit“, erzählt Nicola Leibinger-Kammüller in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung. „Vor allem bei den Werkzeugmaschinen gab es einen drastischen Rückgang. Die Laser- und Medizintechnik half uns jedoch, über Wasser zu bleiben.“ Auch die positive Entwicklung der asiatischen Zweigstellen kommt dem Unternehmen zugute.

Doch damit ist die Krise längst nicht überwunden. „Niemand war darauf vorbereitet“, berichtet Nicola Leibinger-Kammüller. „Es braucht seine Zeit, um sich von einem derartigen Rückschlag erholen zu können.“ Die Geschäftsführung schmiedet dafür einen kühnen Plan: 75 Millionen Euro investiert sie aus der eigenen Tasche in das Unternehmen. Auch ein symbolischer Akt für Nicola Leibinger-Kammüller. „Es wurde nicht schlecht gewirtschaftet. Wir wollten aber den Mitarbeitern zeigen: Die Familie steht auch in dieser sehr schweren Zeit zu ihrer Firma.“ Und tatsächlich: Die weitsichtigen Entscheidungen der Geschäftsführung sorgen dafür, dass sich die Firma wieder fängt und nur wenige Jahre später erneut auf Erfolgskurs ist. „Wir waren sehr transparent mit unseren Mitarbeitern, haben offen über den Auftragseinbruch gesprochen. Das machte viel aus. Als es bergauf ging, waren alle noch an Bord und wir konnten gemeinsam der Krise entkommen.“

Familienwerte werden auch der nächsten Generation mitgegeben

Die Unternehmenskultur der TRUMPF GmbH ist eng mit dem pietistisch geprägten Familienkodex der Leibingers verbunden. Er beruht auf Bescheidenheit, Zurückhaltung und Integrität. Nicola Leibinger-Kammüller arbeitet hart und viel, stellt ihre eigenen Interessen zurück. Auffallend ist auch ihr ehrenamtliches Engagement im wissenschaftlichen, kulturellen und sozialen Bereich. Zeichen dafür, dass sie trotz des großen Fokus auf ihr Unternehmen ein ehrliches Interesse daran hat, auch in der Gesellschaft nachhaltig zu wirken.

Ihre persönlichen Werte gibt sie auch an ihre vier Kinder weiter. „Mit 16 Jahren hat jedes meiner Kinder einen in Leder gebundenen Familienkodex erhalten.“ Was da drin steht? „Es geht um Familie, Bescheidenheit, Unabhängigkeit. Wir wollen keine Familie sein, die durch ihren ausschweifenden Lebensstil auffällt, sondern durch den Einsatz für die Gemeinschaft“, berichtet Nicola Leibinger-Kammüller zuversichtlich. „Es ist mir wichtig, dass meine Kinder durch dieses sehr schöne Ritual etwas Sicherheit und Orientierung gewinnen. Gerade in einer Welt, in der viele dieser Werte nicht mehr zwangsläufig eine Selbstverständlichkeit sind.“

„Wenn es der Firma gut geht, geht es der Familie gut“

Als Chefin von über 11.000 Beschäftigten haben ihre Entscheidungen ein großes Gewicht. Und die Mitarbeiter nicht aus den Augen zu verlieren, das kostet schon auch Kraft. „Mir ist es wichtig, dass es unseren Mitarbeitern gut geht. Flexible Arbeitszeiten sind zum Beispiel ein großes Thema geworden“, sagt Nicola Leibinger-Kammüller. „Bedürfnisse verändern sich. Da sollte man als Arbeitgeber natürlich reagieren. Zum Beispiel wollen sowohl Frauen als auch Männer daheim bei der Erziehung des Kindes mithelfen. Das unterstütze ich absolut!“ Auch Sabbaticals sind bei TRUMPF möglich. Für ein schwäbisches Unternehmen dieses Kalibers sicherlich auch nicht selbstverständlich, den Mitarbeitern diese Chance zu bieten. Aber dieser Gedanke steht im Mittelpunkt: Wenn es der Firma gut geht, geht es der Familie gut.

Nicola Leibinger-Kammüller hat alles, was eine Vorzeigeunternehmerin auszeichnet. Vorzeigen lässt sie sich trotzdem nicht. Sie ist weder Dauergast in den einschlägigen Talkshows noch in der Regenbogenpresse. Im Wirtschaftsteil der Zeitungen dagegen schon. Sie lebt das, was sie von ihren Eltern mit auf den Weg bekommen hat: christliche Werte, Disziplin, Freiheit und Verantwortung. Ihr Ziel ist es, dem Familienunternehmen weiterhin die Markt- und Innovationsführerschaft zu erhalten. Da verbieten sich kurzsichtiges Agieren und oberflächliches Streben nach Aufmerksamkeit fast von selbst. Bei TRUMPF weiß jeder auch so, wer die Chefin ist.

Dieser Beitrag erschien zuerst im neuen Business-Magazin “EPOS”. Klicken Sie hier, um das Magazin kostenfrei anzusehen.