Rund 45.000 Kilometer allein über die Weltmeere. Boris Herrmann überwindet Einsamkeit und Höhenangst. Doch erst ein Unfall kurz vor dem Ziel macht ihn zu einer Ikone und beschert ihm unglaubliche Sympathiewerte.

Boris Herrmann
Foto: Boris Herrmann (Instagram)

Der härteste Wettkampf der Welt

Unter Seglern gilt die Vendée Globe als der härteste Wettkampf der Welt: Die Teilnehmer segeln einmal rund um den Globus – ganz alleine und ohne Zwischenstop. Boris Herrmann aus Oldenburg ist mit der “Seaexplorer” gestartet und durchlebt 80 Tage lang ein Dokudrama der extremen Art. Sturm und meterhohe Wellen, der Riss seines Großsegels und Kollisionen mit “Ufos”: Das sind Gegenstände, die als “unidentified floating objects” im Wasser treiben.

Millionen von Menschen verfolgen dieses Abenteuer seit seinem Start am 8. November vor der französischen Küste. Die sozialen Netzwerke, die Abendnachrichten und die Zeitungen berichten über dieses Rennen, das für Boris Herrmann zu einer mentalen Reise wird.

Ganz offenherzig erzählt Herrmann von seiner Höhenangst, die ihn von Kindheit an begleitet. Doch im Südatlantik bleibt ihm nichts anderes übrig: Er muss auf den 28 Meter hohen Mast steigen und seine Angst überwinden, um eine Reparatur zu erledigen.

Der Everest der Meere

Für die Veranstalter ist das Rennen der “Everest der Meere”. Doch dieser Vergleich hinkt. Bereits 10.000 Menschen haben den Gipfel erklommen, nur 100 Segler haben es beim Vendée Globe ihr Ziel erreicht.

Boris Herrmann berichtet 80 Tage lang von seinem Boot. Der Dialog mit der Kamera hilft ihm bei seinem Kampf gegen die Einsamkeit. Er ist ehrlich, spricht auch über seine emotionalen Abgründe. Das macht ihn bei den Zuschauern so symphatisch. Ein Held mit Ecken und Kanten, der zu seinen Krisen steht.

Seine authentische Art verhilft ihm auch bei YouTube zu immer mehr Followern. Die Nutzerzahlen wachsen in kürzester Zeit auf 35.000 Abonnenten. Hunderttausende sehen seine Clips.

Besondere Sympathie gewinnt er bei der Rettungsaktion Anfang Dezember als der Franzose Kevin Escoffier eine Havarie im Südpolarmeer erlebt. Durch den starkem Wassereinbruch muss er sein Boot 840 Seemeilen südwestlich von Kapstadt aufgeben und in eine Rettungsinsel umsteigen. Boris Herrmann unterbricht sein Rennen und macht sich mit anderen Seglern auf die Suche. Escoffier wird gerettet.

Der erste Deutsche kurz vor dem Ziel

Bei den bisherigen Rennen des Vendée Globe kommen alle acht Sieger aus Frankreich. Nach 80 einsamen Tagen halten die Zuschauer den Atem an. Boris Herrmann hat als erster Deutscher die Chance auf einen Sieg.

Doch kurz vor dem Ziel kollidiert sein Boot in der Nacht mit einem Fischtrawler. Er selbst bleibt unverletzt, sein Boot wird stark beschädigt und kann nur noch mit reduzierter Geschwindigkeit segeln. Offenherzig gibt er zu, in diesem Moment geschlafen zu haben. Kein Wunder nach 80 Tagen Dauerstress.

Trotz des Unfalls wird Boris Herrmann zum Publikums-Liebling. Er versteckt sich nicht hinter einer Maske, sondern kommuniziert ganz offen seine Schwächen. Das macht ihn auch an diesem Tiefpunkt seiner Geschichte so unglaublich sympathisch.

Für mich als Berater ist das der “Margot-Käßmann-Moment”. Sicher erinnern Sie sich noch an die Bischöfin der Evangelischen Kirche, die nach einer nächtlichen Polizeikontrolle sofort ihren Fehler eingestand. Durch die offenherzige Krisen-Kommunikation gewann sie eine viel höher Sympathie. Seitdem hat sie einen großen Fanclub, der aufmerksam ihre Vorträge und Bücher verfolgt.

Ein Lichtblick in der Corona-Krise

Diese ehrliche Kommunikation schätzen viele Menschen auch an Boris Herrmann. Unvergesslich ist seine Ankunft am Ziel. Nicht als strahlender Sieger, sondern als authentischer Mensch, der seine Krise offen eingesteht. Es ist sein Umgang mit dem Scheitern, seine Art der Kommunikation, die ihn so glaubwürdig, so nahbar macht.

Der NDR nennt Boris Herrmann einen “Lichtblick in der Corona-Krise” und ich glaube, das trifft den zentralen Punkt. Ein Wellenreiter, der seine Rückschläge benennt, seine Ängste zugibt und am tiefsten Punkt souverän agiert.

Chapeaux, lieber Boris Herrmann. Ich freue mich jetzt schon auf dein Buch, das im Herbst erscheinen wird.