In letzten Monaten hatte ich sehr viel Zeit zum Nachdenken: Was macht mein Lebensglück aus? Ich habe für mich Bilanz gezogen und bin dabei auf eine wichtige Frage gestoßen: Was kann ich getrost auch lassen?

Lebensglück
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Wie der Geist zur Ruhe kommt

Seit zwei Wochen faste ich: Ich verzichte auf Kohlenhydrate und Süßigkeiten. Dieses Fasten hat einen simplen Grund: Während der Pandemie habe ich fünf Kilo zugelegt, die sollen nun wieder weg. Während ich momentan auf Pasta und Schokolade verzichte, nehme ich mir auch Zeit, um über mein eigenes Leben nachzudenken.

Dabei erlebe ich so etwas wie einen Leerlaufmodus. Diesen Begriff verbinde ich sonst mit meinem Fahrrad, wenn es bergab geht und ich keine Kraft einsetzen muss, um voranzukommen. Doch was ich auf dem Drahtesel schätze, hat mir in den letzten Monaten ziemlich Angst gemacht. Leerlauf – das klingt für mich als Selbständiger wie Verlust.

Wenn ich ehrlich bin, habe ich sehr lange auf das geschaut, was mir fehlt: Meine kreative Arbeit als Filmemacher, auch die persönliche Bestätigung dadurch. Ich habe sehr stark die Begegnung mit Menschen vermisst. Die Gemeinschaft, das Feiern. Mir fehlte die Freiheit zu reisen. Eine Liste, die sich bei vielen von uns weiter fortsetzen lässt.

Leben im Leerlauf-Modus

Zu Beginn der Pandemie vor einem Jahr haben sich meine Gedanken in einer Schleife bewegt: Wie kann ich diese Probleme lösen? Wir mussten die Akademie schließen – was jetzt? Ich kann keine Filme drehen – was tun?

Meine Erkenntnis nach 15 Monate: Die meisten Problem lösen sich nicht, wenn man ständig daran denkt. Im Gegenteil: Erst im Leerlaufmodus – wenn das gewohnte Treten der Pedale nicht möglich ist, geschieht die Veränderung. Doch dieser Leerlauf, der auf dem Fahrrad Spaß macht, fühlt sich im Alltag gar nicht spaßig an.

Kürzlich habe ich die Geschichte eines Wanderschäfers gelesen, der in der Fränkischen Schweiz seine Herde leitet. Bei Wind und Wetter ist er draußen, ihn drängen keine Termine. Er spricht Sätze wie “Manchmal ist das Schaf schlauer als der Mensch.” So würden Schafe niemals etwas Giftiges fressen.

Die Spannung zwischen Wollen und noch mehr wollen

Während ich den Artikel lese, wird mir bewußt, wie ungesund ich manche Bereiche meines Lebens gestaltet habe. Wie gedankenlos ich in Routinen gefangen war. Gleichzeitig fällt mir auf, in welcher Spannung ich lange Zeit gelebt habe: Zwischen Wollen und noch mehr wollen!

Doch die Pandemie hat diesem Anspruchsdenken einen globalen Gong-Schlag versetzt. Das was viele Menschen wollten, war von einem Tag auf den anderen nicht mehr möglich. Für viele ein Verlust. Doch nun überlege ich mir, war dies vielleicht auch eine heilsame Erfahrung?

Letzte Woche habe ich mit einem Freund in Hamburg telefoniert. Er betont ganz offen: “Corona war ein Geschenk für mich!” Dieser Satz überrascht mich, dann sprechen wir ganz offen, was sich in seinem Leben positiv durch die Krise verändert hat.

Lebensglück: Was will ich lassen?

Zurück zum Leerlauf-Modus und der Frage: Was will ich künftig lassen? Ich habe die Entscheidung getroffen, weniger strampeln zu wollen und mich stattdessen mehr vom Fahrtwind treiben zu lassen.

Gestern war ich mit meiner Frau im Rosengarten und habe einfach nur dagesessen und gar nichts gemacht. Kein Smartphone, keine Zeitung. So wie bei Loriots berühmten Sketch: Was machst du gerade? Ich sitze einfach nur da! Dabei spüre ich tiefes Lebensglück.

Noch etwas wird mir bewußt: Wenn ich im Leerlauf-Modus bin, entschlacken auch meine Gedanken. Ich komme innerlich zur Ruhe und gewinne neue Kreativität und Kraft. Die freigewordene Energie – aus dem Leerlauf – nutze ich für kreative Projekte und für ein neues Buch, an dem ich gerade schreibe.

PS: Wenn Sie diesen Ruhe-Modus unter Anleitung ausprobieren wollen, empfehle ich Ihnen eine Retreat mit meiner Frau: Fünf Tage in der Stille – eine Auszeit auf dem Gutshof vom 26. bis 30. Juli.