Longevity heißt ein neues Modewort: Es steht für das Streben nach ewiger Jugend. Magazine und Bücher bieten zahlreiche Tipps, wie es gelingen kann, länger als der Durchschnitt zu leben. Was ich in manchen Artikeln vermisse: Wie gelingt es, glücklich alt zu werden?
Altern und wieder jung werden
Kürzlich bin ich im Magazin „SALON“ auf ein Tischgespräch mit dem Neurobiologen und Psychiater Josef Aldenhoff gestoßen. Sein Thema: Altert die Seele? Der Wissenschaftler knüpft bei Platons Idee an, „man könne nur mit der Seele die Dinge rein erkennen. Dafür müsse man sich aber vom Körper lösen.“ Aldenhoff selbst ist überzeugt, „die Seele ist das, was wir aus dem machen, was wir fühlen, wahrnehmen und erinnern.“
Der Neurobiologe betont, das Depressionen „die Seele alt und grau“ machen. Er nennt sie „Killer der Lebensqualität“. Doch die Ergebnisse der Hirnforschung zeigen, dass die Seele nicht nur altern, sondern auch wieder jung werden kann. Aldenhoff berichtet vom Vortrag eines Mönchs: „Als er anfing zu reden, sah er plötzlich nicht mehr aus wie 80, sondern wie 18. Das fand ich faszinierend, wie die Wahrnehmung des Alters sich durch das Äußern von Gedanken ändern kann.“
Der Neurobiologe empfiehlt, an den Ort unserer Kindheit zurückzukehren. Dadurch „erinnern wir uns an vieles und kommen in einen Gesamtzustand der Seele, die einer bestimmten Altersstufe entspricht. Dann fühlen wir uns wieder wie mit 20 und jünger.“
Der kreative Austausch stärkt mein Glück
Ich persönlich kenne dieses Glücksgefühl aus meiner Begegnung mit jungen Menschen. Kürzlich war ein Medienstudent aus Darmstadt zu Besuch. Er hat mich über Instagram angeschrieben, weil er meine Porträtfotos cool fand. Beim Fotoshooting hat er mir von seinen Lebensträumen erzählt, auch vom Wunsch, noch mehr als Schauspieler aktiv zu werden. Dieser kreative Austausch hält mich jung und er stärkt mein Glück, mit meinen Fotos auch etwas Sinnstiftendes zu machen.
Anfang März werde ich 64. Im Rückblick meines Lebens habe ich etliche dramatische Krisen durchlebt. Der frühe Tod meiner Mutter, der Verlust meiner ersten Frau. Dazu etliche berufliche Krisen. Der Psychiater Josef Aldenhoff betont: „Entscheidend ist, dass wir uns unseren Gefühlen stellen. Wer trauert, kann negative Gefühle wieder gehen lassen. Halten wir hingegen an ihnen fest, altert unsere Seele.“
Ich finde das einen wichtigen Hinweis, der auch mit meiner eigenen Beobachtung übereinstimmt. Die schwierige Phase der Trauer ist der Schlüssel. Dabei geht es nicht nur darum, geliebte Menschen wieder loszulassen, sondern auch geplatzte Träume und verpasste Chancen. Ich persönlich finde es wichtig, diese Trauer wahrzunehmen und auch bewusst als Prozess zu durchleben, damit die Seele wieder atmen kann.
Mit hilft das Beziehungscockpit
Dabei denke ich an einige berufliche Projekte, die ich mit großer Leidenschaft verfolgt habe und die gescheitert sind. Ich trauere aber auch um Beziehungen zu Freunden, die zu Ende gingen. Immer wieder musste ich enge Vertraute loslassen, mit denen ich sehr intensive Jahre als Freunde erlebt habe.
Gerade dann, wenn ein großes Maß an Vertrauen bestand, wiegt der Verlust umso schwerer. Als Beziehungsmensch triggert mich dabei der frühe Verlust meiner Mutter. Das Gefühl, verlassen zu werden. Wenn ich meiner Trauer nachspüre, erkenne ich, wie passiv es mich macht. Dann kann ich mich bewusst entscheiden, aus der Passivität auszusteigen und wieder aktiv zu werden. Doch dieser Prozess braucht Zeit.
Mir persönlich hilft es, jährlich meine Beziehungen aufzuschreiben. Mein Freund Johannes Hüger hat mich auf das Modell des Beziehungscockpits aufmerksam gemacht. Darin notiere ich die Namen von Verwandten, Bekannten und Freunden und bekomme sehr schnell einen Überblick, mit welchen Menschen ich Beziehung lebe.
Interessant ist der zweite Schritt: spontan jeder Beziehung eine Bewertung von 1 bis 10 zu geben. Wie gut ist unsere Beziehungsqualität? Sehr schnell merke ich, welche Menschen lebenswichtig sind. Welche Beziehungen ich wenig pflege, obwohl sie große Bedeutung für mich haben.
Neue Dinge ausprobieren
In meiner Ursprungsfamilie sind mittlerweile fast alle Menschen gestorben. Gemeinsam mit meinem Bruder zähle ich jetzt zur ältesten Generation. Da ich selbst keine Kinder habe, ist es für mich wichtig, die Beziehung zu einer Familie von guten Freunden zu pflegen. Damit ich im Alltag diese Kraftquelle nicht versäume, plane ich aktiv Freundschaftszeiten ein.
Zum Schluss noch ein sehr wertvoller Hinweis des Neurobiologen Josef Aldenhoff: „Körperliche Aktivität überträgt sich direkt auf die Lebensfähigkeit des Gehirns.“ Er empfiehlt, sich Dirigenten zum Vorbild zu nehmen: „Dirigiert er bis ins hohe Alter, wird er seltener dement. Auch deshalb, weil er die körperliche Bewegung sogar noch mit Klängen, also verschiedene Hirnaktivitäten miteinander verbindet.“
Der Forscher empfiehlt, ständig Neues zu lernen, damit sich unsere Nervenzellen und ihre Verknüpfungen vermehren. „Vermeiden ist der Anfang vom Ende, weil es uns lähmt und die Seele altern lässt.“ Der Forscher rät, die Angst anzuerkennen und trotz aller Bedenken neue Dinge auszuprobieren.