Träumen kann ich gut, Tag und Nachtträume sind mein Metier. Gerne helfe ich auch anderen Menschen, ihren Träumen auf die Spur zu kommen – doch was macht man am Ende: Wenn ein lange gehegter Traum geplatzt ist?

Hilft ein Beerdigungskaffee?

Letzte Woche stand es in der HNA, der größten Tageszeitung der Region: “Gutshof Akademie muss nach sieben Jahren umziehen”. Parallel dazu räumte eine Umzugsfirma aus Kassel die Möbel unserer Firmenräume in den Container. Nun warten sie in einem Hochregallager in Kassel auf einen Neubeginn.

Als regelmäßiger Blogleser haben Sie vermutlich noch meinen Beitrag in Erinnerung: Wie massiver Wasserschaden mein Leben ausbremst. Leider konnten wir mit unseren beiden Vermietern keine Lösung finden, um einen Weiterbetrieb unserer Akademie zu gewährleisten. Uns blieb nur die Kündigung.

Jeder der mit viel Aufwand ein Projekt gestartet oder ein Startup gegründet hat, weiß was “geplatzte Träume” bedeuten: Schmerz, Wut, Trauer, Ohnmacht wechseln sich ab. Es beginnt eine Achterbahn der Gefühle. Man steht wie an einem offenen Grab.

Als der Laster mit dem Umzugscontainer abfuhr, hatte ich eine kuriose Idee: Wie wäre es mit einem Beerdigungskaffee? Wenn schon Abschiednehmen – dann richtig. Gesagt getan: Wir saßen bei Kaffee und Kuchen und erinnerten uns an die schönsten Erlebnisse der letzten acht Jahre auf dem Gutshof.

Der Seele Zeit zum Trauern lassen

Trauern braucht Zeit – das haben mir die sechs Todesfälle gezeigt, die wir in den letzten Jahren im engsten Familien- und Freundeskreis durchlebt haben. Die Trauer kommt in Schüben und überrollt einen meist plötzlich und unerwartet.

Die Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross hat fünf Sterbephasen über viele Jahre erforscht. Während unserer Trauer um den Gutshof habe ich alle Phasen durchlebt: Das Nicht-Wahrhaben-Wollen und die Frage nach dem Warum. Ich habe um Aufschub gekämpft und auch depressive Stimmungen durchlebt.

Teilweise habe ich mich auf der Außenwelt abgekoppelt, um mit meinem Schmerz zurecht zu kommen. Doch dann musste ich mir eingestehen: Es geht nicht weiter. Obwohl wir Mietverträge für 21 Jahre abgeschlossen hatten, mussten wir unseren Traum vom Gutshof bereits nach acht Jahren beerdigen.

Trost annehmen

Nach dem Erscheinen des Artikels in der Tageszeitung haben wir Trost und Anteilnahme erfahren. Nachbarn und Freunde haben uns besucht oder auf der Straße angesprochen. Es gab ungläubige Blicke: Das kann doch nicht sein! Das alles wegen einem Wasserschaden?

Dieser Trost tut gut. Die persönliche Wertschätzung hilft nach den Wochen der Ohnmacht wieder sprachfähig zu werden. Wie beim Verlust eines Menschen erlebe ich es als befreiend, wenn ich mit anderen über meine Trauer sprechen kann.

Gleichzeitig spüre ich, dass ich noch nicht bereit bin, mich auf eine neue “Beziehung”, ein neues Haus einzulassen. Abschied und Neubeginn brauchen Abstand und Zeit.

Wer einmal einen geliebten Menschen bis zum Tod begleitet hat, weiß dass die letzten Wochen der Pflege alles Gute der gemeinsamen Beziehung überlagern können. Auch bei unserem Herzensprojekt Gutshof erfahre ich, dass das plötzliche Ende viele gute Erlebnisse überlagert.

Welche positiven Früchte bleiben in Erinnerung?

Ich krame in Fotos und Artikeln und führe mir das Gute vor Augen, was wir in den Jahren aufgebaut und gestartet haben. Ich erinnere mich an die 1.000 Besucher bei der Einweihungsfeier, an tausende von Menschen, die zu Seminaren und Tagungen kamen. Das sind die positiven Früchte, die dauerhaft in Erinnerung bleiben.

Dieser Prozess ist nach meiner Erfahrung besonders wichtig, damit die Wunde des Schmerzes langsam ausheilen kann. Es bleibt eine Narbe – doch die Frage, die ich mir aktiv stelle: An was erinnert sich mich? An das traumatische Ende oder an die gute Zeit als Team, die wir mit vielen Kunden gemeinsam gestaltet haben?

Ein großer Anker war für mich auch mein Glaube: Du kannst nie tiefer fallen als in Gottes Hand. Dieses Bewusstsein hat mich getröstet. Ich bin dankbar für viele Freunde, die über Wochen für uns gebetet haben.

Manches Mal denke ich auch an einen Satz aus Hape Kerkelings biografischen Film: Der Junge muss an die frische Luft. Nach dem Tod seiner Mutter lebte er bei seiner Großmutter und versucht sie aufzuheitern: “Ich nehm’ gern noch ein Eierlikörchen” sagt der kleine Hape mit einem Augenzwinkern. “Dat Leben muss ja irgendwie weiter gehen!”

Deshalb veranstalten wir jetzt unsere Seminare in zwei benachbarten Hotels, die uns sehr herzlich aufgenommen haben. Gleichzeitig sind wir gespannt, wohin unsere weitere Reise uns führen wird.