
Die junge Frau kann nicht wissen, dass ich in diesem Jahr bereits zum dritten Mal auf sein Schicksal stoße: Vor wenigen Wochen habe ich die Biografie “Der Mann der Hollywood erfand” gelesen, zudem bin ich auf die ARD-Reportage von Prof. Hans Beller gestoßen, die schon vor Jahren den schwäbischen Emigranten portraitiert hat. Und heute erneut – das kann doch kein Zufall sein?
Ich will einen Indianer sehen

Kein „Auf Wiedersehen“, sondern „Lebe wohl“

(c) Deutsches Auswandererhaus, Foto: Stefan Volk
Es ein nebliger Tag, der Himmel grau verhangen. Dicht gedrängt starren die Menschen auf die Gangway des Schnelldampfers „Lahn“, der in Kürze ablegen wird. Überall stehen Wagen mit Gepäck, Waren, die verladen werden, das Geräusch der rollenden Maschinen übertönt das babylonische Sprachengewirr. Szenenwechsel: Plötzlich wechsle ich von der passiven Zuschauerrolle auf die andere Seite und muss wie Carl Laemmle die Gangway erklimmen. Mein Herz schlägt bis zum Hals, mit jeder Stufe wird es schwerer. Vor mir haben Hunderttausende diese Treppe erklommen: Die Gangway der Tränen. Die Meisten sagen nicht „Auf Wiedersehen“, sondern „Lebe wohl“. Sie wissen, das ist ein Abschied für immer. Oben angekommen drehe ich mich ein letztes Mal um und sehe hinunter auf die wartende Menge. Jetzt gibt es kein Zurück.
Die Enge der dritten Klasse

(c) Deutsches Auswandererhaus, Foto: Stefan Volk
An Bord des Schiffes werfe ich einen unsicheren Blick auf die kalten Metallflure des Zwischendecks. Dies wird in den nächsten acht Tagen mein „Dampfer zu einem neuen Leben“ sein. Die bedrückende Enge und die Angst der Einsamkeit ist in der dritten Klasse gut zu spüren: 900 Menschen Tag und Nacht auf engstem Raum, Fremde mit dem gleichen Ziel: Arbeit und Land. Ich stelle mir Carl Laemmle vor, acht Geschwister waren bereits gestorben. Sein Vater leiht sich das Geld, damit zumindest Carl seine Chance auf ein neues Leben hat, und kauft für ihn das Ticket für die Passage.
Kreidezeichen für die Behinderten

Carl Laemmle produziert 2.000 Filme

Kurz darauf stehe ich in der „Grand Central Terminal“ von New York. In einem Fahrkartenschalter wird die Biografie von Carl Laemmle und 17 anderen Einwanderern illustriert und von einem Sprecher detailliert erklärt: Der junge Schwabe nutzt alle Chancen, die das neue Land ihm bietet, kauft ein Kino in Chicago und begreift das Potential des neuen Mediums. Er gründet eine Verleihfirma, sammelt die unabhängigen Kinobesitzer und wird selbst zum Produzenten. In Hollywood gründet er die Universal Studios und produziert über 2.000 Filme.
Im Wartesaal des Glücks

(c) Deutsches Auswandererhaus Bremerhaven
Berührt sitze ich im Wartesaal des Glücks und will gar nicht mehr zurück. Jetzt kann ich verstehen, warum das Deutsche Auswanderhaus in Bremerhaven als „Bestes Museum Europas“ ausgezeichnet wurde. Obwohl es nach meinem Eindruck gar kein Museum, sondern die gelungene Inszenierung deutscher Geschichte ist. Die körperliche Erfahrungen, das emotionale Erleben der einzelnen Schicksale macht dieses Haus so einzigartig. So wie das Zitat von Heinrich Heine im Erweiterungsbau, in dem 300 Jahre Einwanderungsgeschichte nach Deutschland präsentiert wird :
„Den jeder einzelne Mensch ist schon eine Welt, die mit ihm geboren wird und mit ihm stirbt, unter jedem Grabstein liegt eine Weltgeschichte“.
Gut gemacht! Da hast Du meine Neugier geweckt… Müssen wir sehen…!
Herzlichen Gruß an Ilona u Dich!
Marlen
Danke, liebe Marlen für das Feedback – für mich gehört das Auswandererhaus zu den spannendsten Museumsbesuchen seit Jahren – absolut empfehlenswert.
Viel Spaß beim Erleben und herzliche Grüße auch an Gert!
Rainer
Wie sieht das neue Projekt aus das du damit verbindest?
Du machst ja sicher nicht nru zum Spass solche “geschichtliche Untersuchungen”
Lieber Hans,
Du bist der Mann der guten Fragen: Ich arbeite seit längerem an einem neuen TV-Konzept zum Thema “Heimat”. Dafür habe ich auch in Bremerhaven recherchiert. Für mich illustriert das Deutsche Auswandererhaus sehr gut dieses Thema.
Liebe Grüße nach Chile
Rainer