Gerade in unsicheren Zeiten finde ich den Blick auf gesellschaftliche Trends sehr spannend. Der Marken-Experte Torsten Huith hat einen innovativen Marketing Reiseführer geschrieben, der mir persönlich gut gefällt. Ich freue mich sehr, dass ich ein Kapitel seines Buches heute als Blogbeitrag veröffentlichen kann.

gesellschaftliche Trends
Illustration aus “Der Marketing Reiseführer” von Torsten Huith

Willkommen auf dem Trendkontinent

Hier beschäftigen wir uns ausschließlich mit der Zukunft und den damit zusammenhängenden Entwicklungen der Gesellschaft sowie Ihrer Branche. Welche Trends könnten für Ihr Unternehmen und Ihre Kunden von Bedeutung sein? Wir treffen Hellseher und Wahrsager, Forscher und Analytiker.

Ein Besuch ist deshalb empfehlenswert, weil Stillstand eigentlich Rückschritt bedeutet. Untätig zu bleiben, kann sich in einer sich schnell entwickelnden Gesellschaft niemand erlauben. Als Unternehmer ist es essentiell notwendig, sich mit den Entwicklungen am Markt zu beschäftigen, um am Ball zu bleiben. Es gilt, Vorreiter zu sein, anstatt abgehängt zu werden. Gerade in den letzten Jahren wurden viele Branchen überrollt durch den Trend der Digitalisierung.

Produkte beispielsweise, die jemand im Laden anbot, waren plötzlich überall im Internet zu kaufen, und dort gab es sie auch noch günstiger. Solche Trends können jeden jederzeit treffen. Deshalb ist es wichtig, sich nicht der Illusion hinzugeben, ein jeder könnte immer so weiterma- chen wie bisher. Gefragt ist stattdessen eine fortwährende Weiterentwicklung. Das klingt nach einigem Druck? Keine Sorge, es macht auch Spaß, den Trendkontinent zu erkunden. Zudem hat sein Besuch kulturell einiges zu bieten, und Sie müssen sich auch nicht mit allem auseinandersetzen. Los geht es mit dem ersten Ort!

Trendheim liegt ganz oben im Norden der Insel

Trendheim ist eine Hochburg der Kunst. Die Strandpromenade säumen wunderschöne Häuser, die alle einen gewissen Charme haben. Hier haben Künstler ihrer Fantasie freien Lauf gelassen, von der Gesellschaft inspiriert. Trendheim ist ein Pilgerort für viele Menschen, die sich dort inspirieren lassen und mit vielen neuen Ideen nachhause zurückkehren. Betreten auch Sie die verschiedenen Häuser, die reine Kunstwerke sind. Nicht alle Häuser sind für Ihr eigenes Unternehmen relevant oder auch interessant. Es gilt herauszufinden, bei welchen sich für Sie der Eintritt lohnt.

Demografie-Wandel

Erinnern Sie sich an die Wohnung Ihrer Oma? So ähnlich ist dieses Haus mit seinen Räumen. Alt, aber mit Stil. Sie entdecken dort sogar einem Stepper vor dem Fernseher, der übrigens auf dem Tischchen mit gehäkeltem Deckchen steht. Sie entdecken dort, dass die Gesellschaft zwar immer älter wird, dass aber diese Älteren häufig immernoch fit und oft vermögend sind. Gleichzeitig finden sich in diesem Haus aber auch viele Kinder- zimmer. Diese sind aber nur spärlich eingerichtet. Denn es gibt unzählige Entwicklungsländer, in denen die demografische Entwicklung genau umgekehrt verläuft. Es gibt viele Kinder bzw. Jugendliche und einen regelrechten Geburtenboom. Daraus resultierten letztendlich auch Migrationsströme, und daraus könnten sich Chancen ergeben, wie wir noch in der Chancenmetropole sehen werden.

Individualisierung

Kein Zimmer gleicht im Haus der Individualisierung dem anderen. Hat das eine runde Fenster und bunte Vorhänge, so ist das nächste rechteckig mit knallgrünen Jalousien. In jedem Raum gibt es ein Schuhregal, mit immer dem gleichen Grundschuh. Aber bei dem einen sind die Schnürriemen blau, beim anderen gelb und beim dritten rot gepunktet. Das Innenfutter des einen besteht aus Polyester, des anderen aus Baumwolle. In diesem Haus entdecken Sie, dass man heute alles bis ins kleinste Detail individualisieren kann. Ein paar Computer stehen herum, bei denen eine Webseite geöffnet ist. Bei der einen kann man sein eigenes Müsli zusammenstellen, bei der anderen Bastelpakete, mit allen nötigen Materialien für ein Do-it-yourself-Projekt.

Gesundheit, Natürlichkeit, Fitness

In diesem Haus geht es sehr ordentlich zu. Beim Betreten wird Ihnen ein leichter Geruch nach Zitronengras und Melisse ins Gesicht wehen. Direkt rechts neben dem Eingang gibt es einen Spa-Raum. Ein kleiner Brunnen plätschert beruhigend vor sich hin. An den Wänden stehen Flaschen mit Aufschriften wie „Aloe Vera“, „ohne Zusatzstoffe“, „auf rein natürlicher Basis“. Über einer Riesenkanne Ingwertee prangt ein Gemälde mit dem Titel „Zurück zu den Wurzeln“. Der Maler hat überzeugend darge- stellt, dass die Natur wieder auf dem Vormarsch ist. Im Garten kann sogar jeder ein eigenes Stück Land bewirtschaften und Gemüse und Heilkräuter anpflanzen.

Im Haus befindet sich auch eine große Küche. Es darf sogar ein Blick in die Schränke geworfen werden. Es gibt keinerlei Dose- nessen, Fertiggerichte oder Tiefkühlkost. Wer es nicht glauben will, kann gerne in Gefriertruhe oder Kühlschrank schauen. Sie werden dort nicht einmal den Krümel einer Fertigpizza finden. Stattdessen gibt es eine reiche Auswahl an Blumenkohl, Kohl- köpfen und Eisbergsalat sowie anderem Gemüse, aus der man sich den Tagesbedarf heraussuchen kann. Auch im Lebens- mittelbereich geht der Trend in Richtung Natur.

Nicht zuletzt gibt es einen riesigen Fitnesskeller. Gewichte, Laufbänder, Spinning-Geräte und mindestens genauso viele Fitness-Trainer füllen den Raum komplett aus. Kein Zweifel: Der Künstler, der dieses Haus gestaltet hat, war inspiriert von Menschen, die länger gesund, natürlich und fit leben möchten.

Mobilität

Dies ist kein Haus im eigentlichen Sinne, sondern ein Wohnwagen. Der Künstler, der es gestaltet hat, nennt es liebevoll den Mobilitäts-Wohnomat. Der Wohnwagen ist vollgestopft mit Mitbringseln und Andenken. Hier eine afrikanische Maske, dort eine handgestrickte Norwegermütze. An der Wand hängt ein Foto von einem Opa mit seinem stolzen Enkel, der einen riesigen, frisch gefangenen Barsch in den Händen hält, fast so groß wie er selbst. Daneben hängt ein Foto von den beiden in asiatischen Gewändern mit Strohhut auf dem Kopf. Hier ist die Inspirationsquelle offenkundig: die global zunehmende Mobilität. Günstige Flugverbindungen machen es leichter, weit zu reisen. Dazu stehen aber vor dem Wohnwagen auch eine große Anzahl an Wagen und Fahrrädern, die man sich einfach so leihen kann. Klar, denn Ideen wie Carsharing, Rent-a-Bike, Fahr- gemeinschaften, und Taxi-Apps breiten sich immer mehr aus.

Digitalisierung

Das Haus der Digitalisierung kann nur betreten, wer sich per Fingerabdruck elektronisch identifizieren lässt. Per Hände- klatschen schaltet sich das Licht an, und im Ofen können Minipizzen durch Hydrationsstufe 5 so zubereitet werden, dass sie eine ganze Familie satt machen. An den Fenstern gibt es einen Temperatur-Sensor: Je nach Sonneneinstrahlung und Hitze werden die Rollläden automatisch hinauf- oder heruntergelassen. Als Besucher des Hauses bekommen Sie von einem Roboter eine Brille mit integriertem Display aufgesetzt. Sofort poppen im rechten Brillenglas aktuelle Nachrichten und Fotos von Freunden und Bekannten auf. Der Künstler, der dieses Haus gebaut und eingerichtet hat, fand Gefallen an der wachsenden virtuellen Realität, am Leben in sozialen Medien.

Wissen

Der Weg zu diesem Haus ist gepflastert mit Büchern. Überall gibt es Statuen von Personen, die ein Buch lesen, einen Absolventenhut auf dem Kopf tragen und mit Tintenfüllern Notizen schreiben. Die Atmosphäre ist konzentriert, aber auch fröhlich. Denn dieses Haus soll repräsentieren, dass Bildung und Lernen als Fundament dienen, um auch an der Entwicklung des gesellschaftlichen Lebens teilhaben zu können. Lebenslanges Lernen ist hier Programm.

Flexible Arbeitsmodelle

In diesem Haus arbeiten ein Schreiner, ein Anwalt, ein Frisör und ein Marketingexperte gemeinsam unter einem Dach. Eigentlich handelt es sich aber nur um eine Person, die sich ständig umkleidet. Mal arbeitet sie von einem Raum aus, der aussieht wie ein Büro, mal von einem Zimmer, in dem ein Kind spielt und ein Braten im Ofen gart. An manchen Tagen lässt sich beobachten, wie diese Person nonstop durcharbeitet, dann wieder ist sie für Monate verreist. Der Künstler wollte bei der Gestaltung dieses Hauses zeigen: Die Zeiten sind vorbei, in denen man einen Beruf lernte und bis an sein Lebensende ausübt. Heute ist es völlig normal, in seinem Leben mehrere Berufe auszuüben, manche auch parallel. Die Berufstätigkeit geht einher mit flexiblen Strukturen, Ort und Zeit sind ungebunden. Stichworte: Teilzeit, Homeoffice, Flexibilität.

Energie und Ressourcen

Im Vorgarten dieses Hauses stehen gleich zwei Windmühlen. Das Dach des Gebäudes besteht nur aus Solarzellen, und die Fenster ebenfalls. Innen sind die Wände tapeziert mit Sprüchen wie: „Nimm deine Verantwortung wahr“, „Denk an die Zukunft“ oder „Denk an deine Kinder“. Der Künstler wollte den Vormarsch der erneuerbaren Energiequellen und der Einstellungen, die sich darin ausdrücken, in der Architektur seines Hauses abbilden.

Neoökologie

Auf der Fassade dieses Haus prangt ein riesiger Schriftzug, der das Haus als „bio“ deklariert. Bei näherem Betrachten wird klar, dass das Haus aus recyceltem Altpapier besteht. Hier tummeln sich Menschen in Birkenstock-Sandalen mit geschultertem Jutebeutel. Auch der Schöpfer dieses Hauses entspricht diesem Bild. Denn es ist trendig, „bio“ zu sein, vor allem in den Städten. Was früher belächelt wurde, sieht heute richtig gut aus. In den Supermärkten gibt es mehr Bio-Artikel als konventionelle Waren. Direkt angegliedert an dieses Gebäude ist ein Bauernhof, bei dem Sie Eier von den Hühnern Gabi, Rosi und Traudl kaufen können und Brot aus hier angebautem Dinkel. Dazu gibt es eine kleine Brauerei mit Frischgezapftem. Nehmen Sie also unbedingt einen Krug mit. Mit diesem Hof setzte der Künstler seine Ideale um: vom Bio-Trend hin zu regionalen Produkten.

Auszug aus dem Marketing-Reiseführer von Torsten Huith.