Ich muss zugeben: Den Ort für meine diesjährige Auszeit habe ich nicht selbst gewählt, sondern ein Seminarveranstalter, für den ich Ende Oktober nach Mallorca geflogen bin. Nach zwei Vorträgen wollte ich noch zwei Wochen kreative Auszeit anhängen, ohne zu ahnen, dass ich direkt am Ballermann landen werde.

Heiterkeit in schwierigen Zeiten
Bereits bei der Ankunft im Hotel bin ich überrascht, dass das Nachbarhaus groß mit dem Namen „Ballermann“ an der Fassade wirbt. Das kann ja heiter werden, ist mein erster Gedanke. Dann denke ich an mein Buch im Reisegepäck „Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten“ von Axel Hacke, das ich in dieser Zeit lesen will.
Meine Zuhause ist das Iberostar Selection Llaut. Nach Aussagen des Seminarveranstalters „Das Nr. 1 Hotel von 84 Hotels in Playa de Palma.“ Da bin ich wirklich gespannt, zumal ich im Gegensatz zu vielen Menschen zum ersten Mal auf Mallorca bin.
Die Seminartage mit 18 Unternehmern aus Deutschland laufen sehr gut. Nachdem alle am Sonntag wieder abgereist sind, habe ich Zeit, mich der eigenen Auszeit zu widmen. Mein Plan: Ich möchte in den zwei Wochen gerne ein Buch über Freundschaft schreiben. Ein Thema, das mir seit Jahren auf dem Herzen liegt. Es soll zu meinem Geburtstag im März erscheinen.
Humor setzt sich mit der Zeit auseinander
Um in den Kreativmodus zu kommen, lese ich das Buch „Über die Heiterkeit“, das es auf Platz 1 der Spiegel Bestseller Liste geschafft hat. Der Münchner Kolumnist Axel Hacke hat einen sehr leichtfüssigen Stil. „Guter Humor beginnt in der Zeit, in der jemand lebt, er setzt sich mit dieser auseinander, er ist eine Reaktion auf das Leben in ihr.“
Diese Beobachtung von Hacke möchte ich mit einem persönlichen Beispiel illustrieren. Mit meinem Freund Carsten verbindet mich neben vielem anderen die Liebe, andere Menschen zu beobachten. Wir beobachten in unserem Umfeld, wie sich viele Menschen abmühen, politisch korrekt zu sein, um nicht anzuecken. Deshalb genießen wir beide kleine Wortspielereien: „Darf man eigentlich noch Friteuse sagen – oder ist das jetzt auch schon verboten?“
Sehr gerne nehmen wir uns auch selbst auf die Schippe, unsere Schwächen und Eigenarten – wir lachen nicht auf Kosten des anderen, sondern über uns selbst. Das ist ein gravierender Unterschied.In diesen unverstellten Momenten ist sehr viel Ehrlichkeit zu spüren, auch Authentizität.

Heiterkeit und die Distanz mit mir selbst
Als Freunde brauchen wir uns nicht verstellen, keiner gesellschaftlichen Rolle entsprechen: Wir können entspannt miteinander umgehen, ohne auf angebliche Konventionen, Does and dont´s achtgeben zu müssen.
„Heiterkeit hat viel mit der Distanz zu sich selbst zu tun“, schreibt Axel Hacke. Gesellschaftlich erlebe ich dagegen viele öffentliche Spaßbremsen. Je nach kultureller Blase eine Vielzahl von Fettnäpfchen, die es zu vermeiden gilt. Immer wieder habe ich das Gefühl, dass ich mit einem unaufmerksamen Nebensatz in ein ganzes Minenfeld treten kann.
Doch auf der anderen Seite habe ich den Eindruck, dass wir uns in der öffentlichen Debatte gerne um Scheinprobleme drehen, statt die Kernprobleme anzupacken. Wir diskutieren lieber über Veganer und Gendersternchen statt eine Grundsatzdebatte zu führen, wie wir eine funktionierende Integration oder eine Lösung der Wohnungsnot aussehen kann.
Ein Geist der Schwere
Bereits 2022 hat Jens Jessen ein Essay in „Die Zeit“ geschrieben und eine „neue Schwere, einen Geist der Unlustigkeit in Film, Fernsehen und Theater“ thematisiert. Drehbuchautoren und Komiker klagen darüber, dass ihre früheren Werke heute nicht mehr möglich seien, stattdessen werde „biederer Ernst“ gefordert. Aber hatten wir das nicht schon in der Nachkriegszeit? Die Spießigkeit der fünfziger und sechziger Jahre.
„Comedy is cruelty – Komödie ist Grausamkeit“ Dieses Zitat von John Vorhaus drück sehr gut aus, worum es im Kern geht: Wahrheit und Schmerz. Anzuerkennen, dass wir in einem gravierenden gesellschaftlichen Umbruch stecken. Zuzugeben, dass wir verletzlich sind und auf dieser Erde nur noch eine begrenzte Zeitspanne leben werden.
Axel Hacke hat mich mit einer Frage überrascht: „Wie viel die Heiterkeit mit unserer Angst vor dem Tod zu tun haben könnte.“ Ich glaube, mit dieser Beobachtung trifft er ins Schwarze. Wenn ich meinem eigenen Ende ins Auge sehe, kann ich viele Probleme des Alltags mit Heiterkeit ertragen.
„Jesus und Maria“ haben zu
Zurück zum Ballermann: Seit dem 1. November ist das Viertel im Winterschlaf, die Gehwege sind hochgeklappt. Das „Oberbayern“ und die Kneipe „Jesus und Maria“ wie alle anderen Geschäfte mit Stahltoren, Rolläden oder Bauzäunen abgeriegelt.
Der Strand ist verwaist. Statt Partygästen mi Sangria-Eimern gehen Rentner mit ihrem Hund Gassi. Auch das Hotel in dem ich zweieinhalb Wochen wohne, bereitet sich auf den winterlichen Lockdown vor. Die Gäste werden täglich weniger.
Das hilft mir, um an meinem Schreibtisch mit Blick auf das Meer ungestört an meinem neuen Buch zu schreiben. Mal sehen, wie weit ich komme. Am Sonntag, wenn ich nach Hause fliege, endet die Saison. Hinter mir dann das Licht ausgeschaltet, das Hotel abgeschlossen.
Auch das finde ich einen heiteren Gedanken.