„Kennen Sie auch Menschen mit der Tendenz zum Zweitbuch?“ Klar ist diese Frage ironisch gemeint – und meistens übrigens von echten Buchliebhabern. Die Regale sind voll und trotzdem reizt sie der Titel, der hübsche Umschlag oder die Ankündigung, dass dieses Buch sich von allen anderen zum gleichen Thema maßgeblich unterscheidet. Und geschwind geben sie den Wunsch ans Universum auf, bzw. an Amazon. Im heutigen Gastbeitrag formulierte Heidi Prochaska ihre Liebeserklärung zum gedruckten Buch.

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Totgesagte leben länger

Eigentlich könnten wir leicht auf die Idee kommen, dass die Ära der Bücher vorbei ist. Totgesagt wurden sie schon ein paar Mal. Doch was lange besteht, hat auch eine lange Geschichte. Bücher gibt es seit 500 n. Chr., doch erst im 19. Jahrhundert produzierte man sie als Massenware und so wurden sie zum bezahlbaren Bildungsgut für jedermann. Ihren Wert hat lange Zeit niemand in Frage gestellt. Dann kam die digitale Revolution.

Regelmäßig stelle ich mir die Frage, welchen Stellenwert Bücher in meinem Leben haben. Meine Antwort ist eindeutig. Bücher sind ruhige Zeitgenossen, weder ungeduldig, noch machen sie Stress. Sie akzeptieren es auch, wenn ich sie mal links liegen lasse. Gute Bücher haben Inhalte, die für mich auch nach Jahren noch aktuell sind. Spannende Geschichten oder die Konfrontation mit uralten Wahrheiten lösen in mir einen „Aha-Effekt“ aus, der mich erleichtert, bestätigt oder weiterdenken lässt.

Wie schön, nicht allein zu sein in Zeiten der Trennung und Isolation. Mein Buch und ich gehen eine intensive, ich möchte sogar sagen, liebevolle Beziehung miteinander ein. Manchmal kommt noch ein Glas Rotwein dazu. Begierig versenke ich mich in die Seiten und werde ganz verrückt, habe ich keinen Stift parat. Mit tiefer Befriedigung verleibe ich mir die Inhalte ein, stelle sie mir vor, male mir die Geschichten aus, unterstreiche und knicke Eselsohren in das neue Buch, das ich so zu meinem mache.

Einverleibt und kommentiert

Ein Erlebnis vor 12 Jahren werde ich wohl nie vergessen. Ich realisierte meinen langgehegten Wunsch und schrieb mein erstes Buch. Es ist ein erzählender, teilweise autobiografischer Ratgeber über einen Mann, unzufrieden mit sich und der Welt, der von einer ungewöhnlichen Frau ein ungewöhnliches Angebot erhält.

Im darauffolgenden Frühjahr stand ich mit diesem Buch und meiner Verlegerin, die extra für mich den Atlatus Verlag gegründet hat, in einem winzigen Stand auf der Leipziger Buchmesse, als ein Mann mit drei Kaffeebechern auf uns zukam. Er hielt mein Erstlingswerk fest umklammert, reichte mir einen Kaffee und sagte: „Schauen Sie mal, wie Ihr Buch aussieht.“

Ich blickte ihn irritiert an und verstand nur Bahnhof. Er blätterte im Schnellverfahren durch das Buch. Es sah reichlich bunt aus. Kreise, Ausrufezeichen, Kästen, Anmerkungen, ja sogar Herzen und Smileys nahm ich wahr und hörte ihm weiter zu. „Ich habe die ganze Nacht nicht geschlafen. Ihr Buch hat mich nicht mehr losgelassen. Sie haben all das geschrieben, was mich seit Jahren, eigentlich seit Jahrzehnten, beschäftigt. Wie ist es nur möglich, das Sie meine Gedanken niedergeschrieben haben und noch so viel mehr?“ Wir unterhielten uns lange. Er kam immer wieder vorbei, suchte das Gespräch, brachte frischen Kaffee mit und kaufte drei weitere Exemplare.

Sowohl als auch

Ob ich solch eine Reaktion auch nach einem Youtube-Video bekommen würde, weiß ich nicht. Als Nutzerin der elektronischen Medien ist mir klar: Faktisch sind die Möglichkeiten der Digitalisierung einem gedruckten Buch millionenfach überlegen. Doch die Energie, Ausstrahlung und Ästhetik eines gut gemachten Buches oder sogar einer ganzen Büchersammlung ist etwas, das selbst 100 hübsch dekorierte Laptops, eine stattliche Anzahl Festplatten oder unendlich viele Terrabytes niemals haben werden.

Meine Lieblingsbücher leben, und zwar auf ihre eigene Art und Weise. Sie gehören zu mir wie Freunde, die einen besonderen Platz in meiner Wohnung haben. Manchmal scheinen sie mir fast aufmunternd zuzuzwinkern, grad so, als wollten sie sagen: „Haben wir nicht tolle Stunden miteinander verlebt?“ Meine Herzensbücher bekommen durch den intensiven Gebrauch oder Einsatz, wie wir Menschen auch, Altersflecken, Falten und andere Schönheitsfehler. Doch wahre Ausstrahlung und profunder Inhalt sind letztlich unvergänglich.

Nordhessenkrimi, Auftakt der Regionalserie, Cover

Für mehr Glanz im Regal

In meinem Leben gibt es eine Auswahl von gut zehn Büchern, die ich in dunklen Stunden zur Hand nehme und intuitiv aufschlage. Immer erhalte ich einen Impuls, der mich zuversichtlicher stimmt. Zeiten der Veränderung sind für mich auch Zeiten, um zu ruhen und zu lesen. Als Gegenpol zur Nachrichtenflut, die mich zu überrollen droht, würde ich es zulassen.

Bin ich zum ersten Mal bei jemandem eingeladen, nehme ich schnell die Atmosphäre einer Wohnung wahr. Ein gut gefüllter Bücherschrank trägt entschieden dazu bei. Ich bleibe davorstehen und schaue bewundernd hin, wobei ein bisschen Glanz und Hochachtung vor diesen abertausenden, unter Mühen geschriebenen Buchseiten, auch auf die Buchbesitzer zurückfällt, die diese Werke durch ihren Kauf und ihre liebevolle Zurschaustellung würdigen.

Ich würde mich freuen, wenn diese oder andere Bücher Ihrem Bücherregal zu neuem Glanz verhelfen.
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Heidi Prochaska ist selbst Autorin. Ihr erstes Buch „Ändere dich! Der Weg zum Erfolg“ und die Fortsetzung „Entscheide dich! Der Weg zum Ziel“ sind erzählende Ratgeber mit teilweise autobiografischen Zügen. Sie geben Orientierung in einer Zeit, die viele Menschen unsicher macht.