“Jeder Auszug ist ein kleiner Tod, doch in jedem Neuanfang liegt die Verheißung eines neuen Lebens.” Dieses Zitat drückt sehr gut meine derzeitige Gefühlslage aus. Gestern war die Schlüsselübergabe für unsere Seminarräume im Gutshof. Das Alte ist vergangen, das Neue noch nicht in Sicht.

Neuanfang
Abschied von der leeren Bibliothek

Abschied von der Herzenskammer

Die Bibliothek war die Herzenskammer der Gutshof Akademie. Seit Monaten ist sie nun eingelagert. Ilona und ich haben in den letzten Wochen immer wieder Bücher vermisst. “Ach, die sind im Container”, war dann ein typischer Kommentar.

Die Trauer hat länger gedauert, als ich dachte. Im Mai vor einem Jahr kam die Hiobsbotschaft, dass wir durch einen Wasserschaden mit einer Generalsanierung rechnen müssen. Im November begann das Ausräumen, seit einigen Monaten finden die Seminare in umliegenden Hotels statt, kleine Workshops im Schäferhaus.

Das alles geht besser als erwartet. Teilnehmer, die den Gutshof nicht kannten, bemerken den Unterschied nicht. Wir beide schon. In der Einrichtung der Räume steckt Ilonas Herzblut. Ein stimmiges Gesamtkonzept, das in vielen Details Heimat und Geborgenheit ausstrahlte. Das vermissen wir beide sehr.

Das Gute nehmen wir mit

Nachdem die Seminarräume fertig renoviert waren, haben wir in dieser Woche noch einmal die letzten acht Jahre Revue passieren lassen. Das Glück beim Einzug, nachdem wir jahrelang einen Gutshof gesucht hatten. Tausende von Menschen haben die Räume besucht, für ihre Fortbildung genutzt.

Der Gutshof war einzigartig, das bestätigen auch Firmenkunden, die hier ihre Mitarbeiter geschult haben. So etwas gab es in Nordhessen nur einmal, erzählte kürzlich eine Kundin. Gerne erinnern wir uns auch an die Zukunftsmanufakturen mit bekannten Rednern, die im Gutshof zu Gast waren. Für Professor Gerald Hüther, den bekannten Gehirnforscher mussten wir im Park sogar ein Zelt aufstellen, weil das Interesse so groß war.

Unvergessen sind auch die Sitzungen des Deutschen Knigge-Rats in der Bibliothek und das Mittagessen in der Küche. “Wie bei Muttern”, war immer wieder der Kommentar, wenn die Runde neben dem warmen Herd am Küchentisch saß. Mittendrin der Protokollchef des Bundespräsidenten, der wie alle anderen das heimelige Ambiente genoß.

Ein Ritual für den Abschied

Beim Einzug haben wir die Räume eingesegnet. Nicht nur die Kapelle, sondern auch die Zimmer und Seminarräume. Nun haben wir uns für den Abschied diese Woche auch ein Ritual überlegt.

In den leeren Räumen haben wir beide zuerst ein Lied der Dankbarkeit angestimmt und uns dann von jedem Zimmer mit einem Gebet verabschiedet. Wir haben uns beide überlegt, was wir zurücklassen und was wir für unseren Neuanfang mitnehmen wollen.

In der Cathedral of the Isles in Schottland habe ich vor Jahren ein Ritual gelernt: Das was ich zurücklassen möchte, lege ich bewusst ab und platziere meine Hand symbolisch auf einem Tisch. Dann nehme ich meine leere Hand und umhülle mit meinen Fingern all das, was ich in mein neues Leben mitnehmen will.

Die Chance für einen Neuanfang

Im Mai 1941 hat Hermann Hesse sein berühmtes Gedicht geschrieben: “Es muß das Herz bei jedem Lebensrufe bereit zum Abschied sein und Neubeginne.” Was er vor 84 Jahren formuliert hat, macht für mich auch heute noch Sinn: “Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten, an keinem wie an einer Heimat hängen.”

Doch in der Praxis habe ich gespürt, wie schwer mir dieser unfreiwillige Umbruch fällt. Unsere Lebensplanung sah anders aus. Wir hatten unsere Gutshof-Verträge für 21 Jahre gemacht. Mit diesem frühzeitigen Aus hatten wir beide nicht gerechnet.

Gleichzeitig erleben wir, wie unsere Trauer mit jeder Woche weniger wird. Plötzlich wir spüren wir auch die Chancen für einen Neuanfang.

Wir wissen beide noch nicht, wo wir künftig leben werden. Aber wir merken beide, dass nach der gestrigen Schlüsselübergabe auch unsere Seele bereit ist, weiterzuziehen.