“Ich kann diesen Tag kaum erwarten”, sagt der Vorstand einer großen Zeitungsgruppe und freut sich auf das Ende der gedruckten Zeitung. Laut statistischen Untersuchungen soll es 2033 so weit sein. Seine Hoffnung ist, dass bis dahin digitale Abos das gewohnte Geschäftsmodell ersetzen.

Screenshot: www.badische-zeitung.de

Königsdisziplin Lokalpolitik

Mein erster Artikel in der “Badischen Zeitung” erschient auf den Tag genau an meinem 18. Geburtstag. 1979 war die alte Zeitungswelt noch in Ordnung. In vielen Regionen hatten die Leser die Wahl zwischen zwei konkurrierenden Verlagen.

Es gab drei Fernsehprogramm – alle öffentlich-rechtlich. Die Tageszeitung wurde von einem Großteil der Haushalte gelesen. Sie war das wichtigste Organ für die regionale Berichterstattung. Die Königsdisziplin war die regionale Politik. In jeder Gemeinderatssitzung beobachtete ein Journalist die politische Auseinandersetzung.

In meiner Heimat bei Freiburg war dies eine Aufgabe des Redaktionsleiters oder eines erfahrenen Journalisten, der das politische Geschehen über viele Jahre beobachte. Mit einem kritischen Kommentar wurden zudem Missstände angeprangert und die Diskussion befeuert.

Die Lokalzeitung stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt

Bereits als junger Mann habe ich gelernt, wie wichtig die Lokalzeitung für den gesellschaftlichen Zusammenhalt ist. Welche gravierende Bedeutung sie für unsere Demokratie hat. Vor allem dann, wenn Politik im Verborgenen stattfindet, weil über sie gar nicht berichtet wird.

Ein wichtiger Baustein ist auch die regionale Berichterstattung über Vereine, private Initiativen und kulturelle Angebote. Nach meiner Beobachtung stärkt sie die lokale Identität, aber auch die Zufriedenheit der Bürger, die in dieser Region wohnen.

Durch das Internet hat die Meinungsvielfalt zugenommen. Gleichzeitig verliert der Lokaljournalismus seit 20 Jahren immer mehr Leser. Die älter werdenden Abonnenten sterben aus, junge Leser sind mit kostenlosen Angeboten aufgewachsen und häufig nicht bereit, für ein lokales Medium zu bezahlen.

Kräfte bündeln, um das Überleben zu sichern

Im Wirtschaftsteil der aktuellen “Zeit” wird der Vorstandschef der Madsack Mediengruppe vorgestellt. Thomas Düffert sucht seit 12 Jahren nach einem Ausweg aus der Misere und nach neuen Geschäftsfeldern. Madsack zählt zu den großen deutschen Medienkonzernen, an denen mit 23 Prozent auch die SPD beteiligt ist.

Die Zeitungsgruppe publiziert 20 Tageszeitung und erreicht 2,7 Millionen Leser. Eine wichtige Entscheidung – so Düffert – sei die Schließung der eigenen Druckerei in Hannover gewesen. Stattdessen investierte der Verlag aktiv in die Digitalisierung.

Außerdem wurde eine zentrale Redaktion aufgebaut: Das Redaktionsnetzwerk Deutschland. Sie beliefert nicht nur die eigenen Zeitungen, sondern heute auch die Badische Zeitung in Freiburg, für die ich vor 46 Jahren als freier Journalist angefangen habe.

Das Ziel der neuen Strategie: Nicht jede Zeitung braucht eigene Korrespondenten in Berlin und anderen europäischen Städten. Die Zentralredaktion liefert die überregionalen Themen. Die Mitarbeiter der Lokalzeitung können sich auf regionale Themen konzentrieren.

Prignitz ist überall

“Die Zeit” berichtete kürzlich über Prignitz in Brandenburg. Dort stand die einzige Lokalzeitung kurz vor dem Aus. Es gab nur noch 2.500 Abonnenten, die Zeitung machte jährlich 300.000 Euro Verlust.

Das Hauptproblem – so Thomas Düffert – sind die hohen Kosten der Zustellung von gedruckten Zeitung. Bei Madsack kosten die Austräger “über 200 Millionen im Jahr.”

Aus diesem Grund wurde die gedruckte Ausgabe eingestellt. Wer wollte konnte ein günstiges Tablett kaufen. Heute nutzen 2.000 Abonnenten das digitale Angebot. Außerdem haben sich 1.800 Menschen für den Newsletter angemeldet. Das Ergebnis: Die Zeitung macht dieses Jahr zum ersten Mal wieder Gewinn.

Ich glaube, dass Prignitz ein Beispiel für andere Regionen sein kann. Ich selbst genieße es morgens nach dem Aufstehen am Küchentisch zu sitzen und die Zeitung zu lesen. Nach wie vor bevorzuge ich die gedruckte Ausgabe, solange diese verfügbar sind, werde ich diese auch nutzen.

Bei der überregionalen Berichterstattung lese ich hybrid: “Die Welt” als Abonnement auf dem Tablett. “Die Zeit” nach wie vor gedruckt.

Wie bewerten Sie die Zukunft Ihrer Lokalzeitung? Ich freue mich auf Ihre Kommentare.