Aktuell überschlagen sich die Krisenmeldungen, viele Menschen haben Angst. Wie begegnen Sie als Führungskraft den Sorgen Ihrer Kunden und Mitarbeiter? Ihnen Was gibt Sicherheit in dieser Krise?
Warum jetzt eine offene Kommunikation wichtig ist
Am Samstag war der Kreisausschuss Schwalm-Eder zu Gast auf dem Gutshof. Ein zentrales Thema, das den Landrat und sein Team beschäftigt, ist Corona. Viele Bürger sorgen sich um ihre Gesundheit, umso wichtiger ist es, diese Ängste wahrzunehmen. Der Kreis und auch die Kommunen nutzen dazu die Medien, geben Interviews und klären auf.
In herausfordernden Zeiten wie diesen bin ich zutiefst dankbar, in einer Demokratie zu leben. Politik und Medien wissen um ihre Verantwortung, jetzt keine Panik zu machen. Doch die menschliche Fantasie ist grenzenlos: Wird uns etwas verheimlicht? Etwas vertuscht? Ich telefoniere mit einem Freund im Lagezentrum der Polizei. Er berichtet, wie entspannt momentan dort die Situation gesehen wird.
Ängste wahrnehmen und darauf eingehen
Doch in meinem Freundes- und Bekanntenkreis habe ich den Eindruck, dass Corona derzeit in vielen Köpfen und Herzen für Unruhe sorgt. Dabei beobachte ich unterschiedliche Strategien: Die einen machen Witze über Hamsterkäufe und Corona-Bier, andere waschen pausenlos die Hände und meiden öffentliche Räume. Doch nur wenige bekennen ganz offen, dass sie Angst haben.
Lothar Krauss, der zu meinen langjährigsten Freunden zählt, wurde am letzten Freitag mit seiner Frau unter Quarantäne gestellt. 14 Tage dauert diese Auszeit und er beschreibt in seinem täglichen Leiterblog, wie es ihm als Führungskraft geht, plötzlich ins Aus geschoben zu werden.
Die Gelassenheit des Kapitäns überträgt sich auf die Crew
Erfahrene Kapitäne, die lange Jahre auf den Weltmeeren unterwegs sind, haben viele Stürme erlebt. Sie wissen, wie wichtig die Psychologie in dieser Situation ist. Die Crew beobachtet den Schiffsführer und registriert, ob er ruhig und gelassen agiert. Diese Gelassenheit überträgt sich auch auf die Mannschaft und sie gibt Sicherheit.
Wenn ein Frischling auf der Brücke steht und der Kapitän seine Nervosität erkennt, wird er vermutlich den Kadetten zur Seite nehmen und ein beruhigendes Wort sprechen. Hilfreich, wenn er über die eigenen Ängste spricht, die er in diesem Alter selbst durchgestanden hat.
Ich selbst kann mich auch nach zehn Jahren noch sehr gut an meinen ersten Sturm vor der Küste Südamerikas erinnern. Auf einer Filmreise war ich unterwegs zu den Falklandinseln. Vier Tage lang musste unser Schiff durch zehn Meter hohe Wellen hindurch. Alle Außendecks waren gesperrt. Der Magen fuhr Tag und Nacht Achterbahn. Das Rollen des Schiffes hörte einfach nicht auf.
Auf Sicht navigieren
In diesen Tagen war sehr viel Gottvertrauen gefragt. Ich habe deutlich mehr gebetet als sonst und versucht, den Horizont zu sehen. Der Dialog mit dem Schöpfer hat mir persönlich weitergeholfen, immer wieder in die Ruhe zu finden. Dazu das tiefe Vertrauen, dass der Kapitän die Lage im Griff hat und uns auch nach stürmischen Tagen heil und sicher ans Ufer bringt.
Mir wurde in diesem Sturm bewusst, was es heißt, auf Sicht zu navigieren. Als Unternehmer und Selbständige wissen wir momentan noch nicht, wie lange Corona unser Land in Atem hält, welche wirtschaftlichen Auswirkungen daraus entstehen. Jetzt ist noch mehr Flexibilität gefragt. Täglich kann sich das scheinbar feste Programm ändern.
Sicherheit in einer veränderten Welt
Ich persönlich bin überzeugt, dass unsere Welt am Ende dieses Jahres eine andere sein wird. Die Versorgungsengpässe und Abhängigkeiten im globalen Handel werden zu einem Umdenken in der Wirtschaft und auch in der Politik führen. Gewinnmaximierung in fremden Ländern, bei denen es um den letzten Cent geht, wird durch regionale Produktionen ersetzt. Medikamente und viele andere Güter wieder im Inland produziert.
Was Greta Thunberg und die Fridays for Future im letzten Jahr angefangen haben, wird durch die Corona-Krise zwangsweise umgesetzt. Viele Flüge werden nicht aus Umweltschutzgründen, sondern aus Angst gestrichen. Ich glaube, dass wir in diesem Jahr unsere Heimat neu erkunden werden. Urlaub im Nahbereich wird 2020 boomen. Fahrrad statt Auto neue Lebensqualität und Freude bringen.
Die Not lehrt beten
Auch das Thema Spiritualität wird weiteren Auftrieb gewinnen. Das tiefe Gottvertrauen, das unsere Großeltern durch den letzten Krieg und die Aufbaujahre begleitet hat, wird eine Renaissance erleben. Not lehrt beten, haben unsere Eltern gesagt.
Glücklich, wer in diesen unsicheren Zeiten einen Glauben hat, der ihn trägt. Ich hoffe, dass auch die geistlichen Leiter, Pfarrer und Bischöfe die Nöte der Menschen wahrnehmen und sie in den kirchlichen Angeboten abholen.
Auch Meditation und Entspannung in der Natur werden weiter an Bedeutung gewinnen. Das spüren wir auch in der Ausbildung zum Waldbademeister. Die nächsten drei Kurse sind bereits seit Wochen ausgebucht – wir führen Wartelisten und planen Zusatztermine.
Sicherheit: Wo habe ich meinen Safeplace?
Ich persönlich bin sehr dankbar über unser Dorf Großropperhausen und die Region Nordhessen, die seit drei Jahren zu meiner Heimat geworden sind. Die Gemeinschaft im Dorf ist für mich ein Safeplace, ein sicherer Ort. Ich freue mich über die Bodenständigkeit unserer Nachbarn und weiß, dass, wenn einer in Quarantäne müsste, die anderen ihm beistehen und für ihn Besorgungen machen würden.
Zudem bin ich dankbar für unsere Kapelle. Mir ist gestern bewusst geworden, wie wichtig die Frage ist: Auf was schaue ich? Auf Corona und die Nachrichten, die sich täglich überschlagen? Oder auf das Licht, das mir persönlich Hoffnung und Orientierung gibt? Ich habe entschieden, meinen Blick auf den Schöpfer zu richten. Die Kerze auf dem Altar erinnert mich daran.
Jeden Morgen ziehen wir aus dem Gebetskorb vier Namen: Bürgermeister und Vereinsvorsitzende aus der Region, Kunden und Unternehmer, die Verantwortung tragen. Wir beten namentlich für sie und segnen sie mit Ruhe und Weisheit. Dieses Gebet für andere gibt auch uns als Gutshof-Team Orientierung und Kraft, zuversichtlich in den Tag zu gehen.
Danke für diesen Beitrag, lieber Rainer. Ich komme gerade von einer Missionsreise aus Kambodscha zurück. Weil ich die Ängste meiner Mitmenschen hier wahrgenommen habe, dass ich doch so nah am quasi “Epizentrum” des Erreger ,war, habe ich mir nun selbst Quarantäne verordnet. Ich fühle mich vollkommen gesund und verfolge evtl. Symptome. Mein Fieberthermometer hat nun nach einer Woche noch nicht mehr als 36,4 Grad Körpertemperatur angezeigt. Dennoch will ich ausschließen, dass ich das Virus weitertrage. Ja, die Grenzen zwischen verantwortungsvollen Umgang und Hysterie sind eng. Schließlich habe ich mich in einem Land aufgehalten, das zwar nicht auf der Blacklist steht, aber weit von einem Gesundheitssystem entfernt ist. Ein Land, in dem die Menschen überwiegend von einem Tag zum anderen leben. Ehrlich gesagt, fühlte ich mich dort sicherer als als hier zurück in der Heimat. Angst ist kein guter Alltagsbegleiter. In allem”Unglück”, ist aber auch immer etwas Gutes, das muss man sehen. Ich jedenfalls komme endlich Mal zur Ruhe. Wenn ich mich nächste Woche aus meiner selbst auferlegten Quarantäne entlasse und die Menschen keine Angst mehr vor mir als evtl. Virenträger haben müssen, komme ich auch Mal wieder am Gutshof vorbei. Liebe Grüße aus der Schwalm
Sehr schön geschrieben! Danke!
Lieber Rainer, du bist klasse und sprichst mir aus dem Herzen. Vielen Dank für die Worte.