Kaum ein anderer Künstler beeinflusste die Romantik so sehr wie Caspar David Friedrich. Mich begleitet sein Werk bereits seit über 40 Jahren. Zum 250. Geburtstag des Malers  gibt es in diesem Jahr gleich drei große Ausstellungen in Hamburg, Berlin und Dresden. Ich frage mich, was die Menschen bis heute an Friedrichs Werk fasziniert.

250 Jahre Caspar David Friedrich
Hamburger Kunsthalle

Abiturprüfung über Friedrich

Meine Beziehung zu Caspar David Friedrich begann mit dem Abitur 1981. In der Abschlussprüfung des Leistungskurses Kunst musste ich eine Ausarbeitung zu Friedrichs “Frau am Fenster” verfassen. Dieses Erlebnis hat für mich eine Tür in die Kunst aufgestoßen, die bis heute offen ist.

Über die Jahre war ich immer wieder in den Museen, um Friedrichs Arbeiten im Original anzusehen. Seine Detailverliebtheit, aber auch die feine Lasur seiner Wolkenformationen faszinieren mich bis heute.

Besonders berühmt sind seine Landschaftsdarstellungen, etwa „Der Wanderer über dem Nebelmeer“. Viele Menschen wissen nicht, dass es erst 99 Jahre nach Friedrichs Tod von einem Berliner Kunsthändler entdeckt wurde. Über etliche Umwege landete es in der Familiensammlung von Dr. Oetker in Bielefeld und wurde 1950 in einem Zeitschriftenbericht zum ersten Mal sichtbar.

Das Original erwarb im Dezember 1970 die Hamburger Kunsthalle. Seitdem ist es auch für eine breite Öffentlichkeit zu betrachten. Ich finde es sehr erstaunlich, wie sich der “Wanderer” innerhalb weniger Jahrzehnte von einem Nobody zum berühmtesten Friedrich-Bild entwickeln konnte.

Eine neue Perspektive des Himmels

Der Zeit-Herausgeber Florian Illies hat sich ausführlich mit 250 Jahre Caspar David Friedrich beschäftigt. Er schreibt zu Friedrichs Wanderer: “Seine Bilderfindung ist ungeheuer. Dieser Wanderer schaut nicht mehr nach oben in den Himmel, nein, er liegt ihm zu Füßen. Das ist auf eine irritierende Weise modern.”

Ich persönlich glaube, dass diese Beobachtung sehr gut den Zeitgeist widerspiegelt. Friedrich zeigt eine intakte Natur, eine Landschaft vor der Industrialisierung. Eine grafische Utopie – komponiert aus zahlreichen Skizzen. Doch dieses romantische Ideal hat wenig mit unserem heutigen Planten zu tun, der an vielen Orten deutliche Narben zeigt.

Selbst abgelegene Südsee-Inseln, die als Poster und Fototapeten idealisiert werden, leiden heute über steigenden Meeresspiegel und vermüllte Traumstrände. Das Paradies ist uns verloren gegangen. Mit der Aufklärung ist auch das innere Paradies abhanden gekommen.

Die Zerbrechlichkeit des Lebens

Doch in dieser zerbrochenen Welt setzen Friedrichs Gemälde wieder die Sehnsucht frei, die letzten Oasen zu bewahren. Das ist auch die spirituelle Komponente, die von seinen Bildern ausgeht. Viele Motive sind Allegorien auf das Leben und den Tod. Trotz der romantischen Illusion zeigen sie Menschen am Abgrund, apokalyptische Himmel, visualisieren die Zerbrechlichkeit des Lebens.

Vielleicht ist dies mit ein Grund, warum bereits in den ersten Wochen über 130.000 Menschen die Ausstellung 250 Jahre Caspar David Friedrich in der Hamburger Kunsthalle besucht haben. Der Retro-Blick auf eine vergessene Welt. Die Sehnsucht auf ein heiles Leben inmitten von globalen Umbrüchen und Krieg.

Für mich ist es auch Friedrichs Mystik, die viele Filmemacher über Generationen inspiriert hat. Von Fritz Lang bis Walt Disney haben sich etliche Kreative von Friedrichs Bildwelten visuelle Anregung geholt. Auch die Verfilmung von “Herr der Ringe” bedient sich Vorlagen aus Friedrichs Fundus, wenn sie ablegende Boote als Übergänge in eine andere Welt nutzt.

“Der fromme Friedrich glaubt, dass die Erneuerung des Glaubens nur aus der Natur selbst kommen kann und aus dem zeitgenössischen Menschen, der offene Augen für den Schöpfer hat”, so der Zeit-Herausgeber Florian Illies.

Mein Dokumentarfilm über Caspar David Friedrich

Bereits vor 35 Jahren habe ich einen Dokumentarfilm über Caspar David Friedrich für das Fernsehen gedreht. Dafür habe ich die beiden führenden Friedrich-Experten in Ost und West vor die Kamera geholt.

Den Dresdner Kunsthistoriker Dr. Karl-Ludwig Hoch und den Westberliner Kunstprofessor Helmut Börsch-Supan. Ich bin sehr dankbar, dass mir freundliche Mitarbeiter von ERF Medien gestern eine Aufzeichnung der letzten TV-Ausstrahlung im Jahr 2000 zukommen ließen. Der Film lief damals auch im holländischen Fernsehen und im dritten Programm der ARD.

So konnte ich nach über 20 Jahren heute mein eigenes Werk zum ersten Mal selbst wieder sehen. Natürlich entspricht die Bildqualität nach 35 Jahren nicht mehr dem heutigen High-Definition Standard. Damals hat man noch magnetisch mit Betacam Kameras aufgezeichnet und beim Schnitt das Material von einer Kassette mehrfach hin und her kopiert.

250 Jahre deutsche Geschichte

Doch die Botschaft Friedrichs und auch seine eigenen Zitate, die aus seinen Briefen bis heute dokumentiert sind, erläutern sehr gut, welche Botschaften der Dresdner Maler mit seinen Bildern vermitteln wollte.

Ein Jahr haben mein Kameramann Andreas Lehmann und ich daran gearbeitet, Friedrichs Landschaften in der Natur und später dann auch in seinen Bildern zu finden. Unvergesslich unsere Drehtage in den sieben Museen, um die Originale in unzähligen Naheinstellungen dem Zuschauer zu zeigen.

Wir beide waren damals an den geschlossenen Museumstagen allein mit Friedrichs Werken und hatten sehr viel Zeit, um seine Werke im Detail zu analysieren. Doch auch die Wanderungen mit der Kamera entlang der Kreidefelsen oder durch das Elbsandsteingebirge haben mir Friedrichs Liebe zur Natur tief ins emotionale Gedächtnis verankert.

Von daher lade ich Sie heute ein, auf Friedrichs Spuren eine der großen Ausstellungen in diesem Jahr zu besuchen. Als Einstimmung kann Ihnen mein TV-Schätzchen von 1990 helfen, vielleicht auch der eigenen Sehnsucht auf die Spur zu kommen.