Adrian Dinser aus Offenburg liebt Zugreisen. Um seine Leidenschaft mit anderen zu teilen, gründet er seine eigene Zeitschrift: „Der Passagier“ mit einer Startauflage von 20.000 Exemplaren.

Adrian Dinser
Adrian Dinser / Der Passagier

Aus Leidenschaft und Naivität

Von seinem Homeoffice am Schillerplatz sind es nur sieben Minuten bis zum Bahnhof Offenburg. Im Stundentakt halten die ICEs und verbinden Adrian Dinsers Sehnsucht mit den Fernstrecken nach Italien und nach Skandinavien.

Der 36-jährige Jungunternehmer hat BWL studiert, nach seinem Master in der Wirtschaftsprüfung gearbeitet. Doch schnell merkt er: „Trockene Zahlenprüfungist nicht meine Berufung. Zugreisen dagegen schon.“ Nach zwei Jahren als Angestellter bei Edeka macht er sich selbständig.

„Ich habe gemerkt, dass am Kiosk eine Lücke für ein Zugreisemagazin besteht, die niemand besetzt hat“, erzählt er. Es ist ein mutiger Quereinstieg, wie er diesen Sprung selbst beschreibt. Er gründet seinen eigenen Verlag und fängt an, seinen Traum von einem eigenen Reise-Magazin zu zeichnen.

Lebensart – statt Lifestyle

Adrian Dinser steht auf und blickt hinaus auf den Schillerplatz: „Zugfahren ist für mich ein großes Begegnungsthema, Reisende wollen über andere Reisende lesen, von ihren Erfahrungen profitieren.“

In seinem Magazin gibt es die Rubrik „Lebensart“ – den Begriff „Lifestyle“ mag er nicht: „Warum gebrauchen wir für alles immer Anglizismen, wenn es deutsche Worte gibt?“

Dinser verfolgt eine klare Mission: „Ich will eine Zug-Lebensart in die Gesellschaft kommunizieren.“ Damit er dies glaubwürdig vermitteln kann, sucht er Profis aus der Branche. „Mit Niklas Weiß aus Freiburg habe ich einen exzellenten Gestalter gefunden. Meine Frau ist Redakteurin beim Burda Verlag in Offenburg, kommt auch aus der Branche.“

Adrians Glück: Seine Frau ist zudem eine gute Illustratorin. Sie zeichnet viel für die einzelnen Ausgaben, die sehr viel Lust auf das Bahnreisen machen. Mittlerweile hat er ein professionelles Team mit freien Fotografen und Autoren aufgebaut, die ihm Texte und Bilder zuliefern.

Lust auf Zugreisen machen

Ich selbst habe „Der Passagier“ durch Zufall auf Instagram entdeckt und bei meinem örtlichen Zeitungshändler bestellt. Als Bahnfan war es Liebe auf den ersten Blick und ich lese die Magazine genussvoll an zwei bis drei Abenden von vorne bis hinten durch.
Adrian Dinser strahlt, als ich meine Geschichte erzähle: „Ein Pärchen meldete sich bei mir. Sie hätten viel über die Nachtzüge der Österreichischen Bundesbahn gelesen, reisen aber selbst mit dem Wohnmobil. Nun überlegen sie, den Zug auszuprobieren.“

Der Jungverleger muss einen Spagat hinlegen: Auf der einen Seite schreiben die Leitmedien ständig, wie katastrophal das Bahnreisen in Deutschland ist. Auf der anderen Seite ist es ein grünes Thema. Bahnreisen zählt zu den umweltfreundlichsten Verkehrsmitteln.

Doch Dinser will nicht politisch agitieren. Er lebt von der Sehnsucht, dem Fernweh: „Unser Start während der Corona-Krise war ein Vorteil, weil viele Menschen im Homeoffice saßen und nicht reisen konnten.“

Ein Magazin über die Schönheit des Reisens

Momentan arbeitet er an der 6. Ausgabe. Seine Geschichten setzen auf Entschleunigung, auf Genuss und die Schönheit des langsamen Reisens. „Ich bekomme immer wieder Rückmeldungen von Lesern, die in den Geschichten mitreisen, mitträumen.“

Als Betriebswirt muss er bei aller Begeisterung für das Thema auch die Zahlen im Blick behalten: „Wirtschaftlich war es durch die Corona-Krise sehr schwierig, dann kam die Papier-Krise, über Nacht haben sie die Kosten um 80 % erhöht.“

Ich frage ihn, ob „Der Passagier“ bereits schwarze Zahlen schreibt. Dinser schüttelt den Kopf: „Bislang haben wir nur von Ausgabe zu Ausgabe gedacht. Ein Magazin zu etablieren, ist ein langfristiges Projekt. Doch die Leserbriefe spornen mich an, weiterzumachen.“

Vom Glück als Verleger

Er berichtet von seinen Glücksgefühlen als Verleger, wenn er die neue Ausgabe in der Druckerei abholen kann. Aktuell entwickelt er ein Portal für Zugreiseanbieter. Mit den Provisionen will er seinen Verlag wirtschaftlich stabilisieren. Auch die Anzeigenpreise sind moderat: 1.100 Euro kostet eine ganze Seite.

Apropos Glück: Bevor ich mich verabschiede, erzählt mir Adrian Dinser noch von seiner Reise mit der Bernina Bahn. „Wir sind über lange Zeit nur durch Nebel gefahren, man konnte kaum einen Meter sehen. Doch dann riss plötzlich der Himmel auf und wir hatten vom Zug aus eine traumhafte Fernsicht.“

Nach dem Abschied denke ich über diese doppelte Win-Win-Situation nach: Das Glück des Zugreisenden Reporters multipliziert sich mit dem Glück des Lesers. Ich kann gut verstehen, warum sein Magazin so viele Fans hat.