Gedankenspiele sind eine Sache, aber wirklich anders denken? Das ist etwas ganz anderes und es ist nicht einfach. Denn es bedeutet, in der Lage zu sein, eingefahrene Gedanken-Gleise zu verlassen und sich neues Gedanken-Terrain zu erkämpfen.

Professor Michael Hochschild, Foto: Rainer Wälde

Umbrüche der Gesellschaft

Anstöße zu einem neuen Denken, dass sich den großen und kaum überschaubaren Umbrüchen der Gesellschaft stellt, vermittelte Professor Michael Hochschild letzte Woche auf dem Innovationsforum im Gutshof. Der Soziologe arbeitet am Time- Lab der Universität Paris. Mein Kollege Norbert Abt fasst die wichtigsten Punkte zusammen:

Abbruch – Aufbruch- Durchbruch

Prof. Hochschild machte deutlich, dass nur der zukunftsfähig ist, der sich nicht darauf beschränkt die Umbrüche und Veränderungen zu beschreiben und zu analysieren. Der Umbruch sei nicht neu, „passiert ständig und ist endlos“. Die alte Welt funktioniere nicht mehr, „sie ist sogar gar nicht mehr da“. Was wir sehen ist die neue Welt.“ Es gelte deshalb den Durchbruch des Neuen zu erkennen und zu verstehen.

Daher gelte es den Blick auf den Durchbruch zu richten, also darauf, was Neues entsteht. „Die Zukunft“, so Hochschild, „ist längst da.“

Ende der Gesellschaft – Stattdessen: Bunte Menge

Eine Folge der aktuellen Veränderungen sei, dass es keine Gesellschaft und auch keine Masse mehr gebe. Prof. Hochschild stellte fest: „Es geht um das Ende der Gesellschaft.“

Vielmehr könne man nur noch von Mengen sprechen, und die sei bunt und verschieden. „Weil wir keine Massen-, sondern Menge-Verhältnisse haben, verschiedene bunte Mengen, haben wir keine eindeutige Richtung mehr. Es kann sein, dass die eine Menge so „tickt“, dass sie vor- oder nachgeht, und die andere Menge wieder anders“, so Prof. Hochschild. „Nicht mehr von der Gesamtheit her, von der Totalen her denken. Es kann immer nur um Pluralität gehen.“

Es braucht einen beweglichen Blick

Zu den Veränderungen gehöre es, auch den Blick auf die Dinge zu verändern. „Bei einer Welt in Bewegung brauchen Sie einen beweglichen Blick, vielleicht müssen Sie sich auch selbst bewegen. Eine Welt in Bewegung braucht einen beweglichen Blick.“

Schließlich gehöre zu dem veränderten Blick, dass es nicht mehr um das Exakte gehe, um Gesetze und um Kausal-Verhältnisse. „Das Vage ist der neue Grundstoff der neuen Welt“, so Prof. Hochschild. „Die Bedeutung der Standardisierung wird geringer werden. Es wird sie weiter geben, aber sie wird sich über einen kleineren Bereich erstrecken.“

Anders denken: Der Mensch splittet sich

Vielfach neige man dazu in Totalen zu denken. Das zeige sich nicht nur darin, an der Idee der Gesellschaft festzuhalten, sondern auch davon, wie sich Menschen selbst verstehen und begreifen. „Wir selbst sind nicht mehr ganz, wir leben wie in einem Avatar. Früher hätte man das mit Rollenmodellen erklärt. Das greift aber nicht weit genug“ und werde den heutigen Verhältnissen und Anforderungen nicht mehr gerecht, so Prof. Michael Hochschild.

„Körper, Technologie und Sozialität trennen sich voneinander. Daraus folgt für Sie: Sie leben x -verschiedene Leben. – Das kann die soziale Welt des Internets sein, die soziale Welt ihrer Konservation und viele mehr.“

Sketchnote by Heike Heeg – www.c-hochdrei.de

Autor: Norbert Abt