Die visuelle Kommunikation spielt in unserer Medienkultur eine zentrale Rolle. Der Siegeszug von Instagram belegt, wie relevant Bilder auch für die kommende Generation im Marketing sein werden. In diesem Beitrag geht es um Bildmagie und die visuellen Codes.

Foto: Veebass / Shutterstock.com

Die Kraft der Bilder

Wer am Montag auch nur kurz online war, konnte beobachten, wie Bildmagie wirkt: Vier Milliarden Menschen hatten die Chance, einem historisch einzigartigen Ereignis beizuwohnen. Weltweit wurde die Trauerfeier der Queen übertragen. Allein in Deutschland konnte man das Event auf mehren Kanälen neun Stunden live verfolgen.

Ich finde das aktuelle Beispiel der Queen sehr passend, um über Bildmagie zu sprechen. Über 70 Jahre hat sie Kraft der Bilder genutzt, um ihre “Firma” zu stabilisieren, wie das englische Königshaus häufig genannt wurde. Als kleine Dame mit einer 1,60 großen Statur konnte sie in der Menschenmenge leicht untergehen.

Elisabeth II wusste genau, wie wichtig der visuelle Code ihrer Garderobe war. Mit knalligen Farben und hohen Hüten sorgte sie jahrzehntelang für optische Größe. Diese “Signature Pieces” waren ihr wichtigstes Kommunikationsmittel. Bis ins hohe Alter wich sie von ihrem Kurs nicht ab.

Die Codes der visuellen Kommunikation

Dr. Helene Karmesin hat zum Thema Bildmagie ein sehr interessantes Buch geschrieben, das in diesem Jahr im Haufe-Verlag erschienen ist. Auf 275 Seiten illustriert sie mit sehr vielen Beispielen, wie stark die Kraft der Bilder sein kann, wenn sie zielgerichtet eingesetzt werden.

Die Autorin zeigt auf, wie beispielsweise auf der Webseite von Firmen bestimmte Bildelemente so platziert werden, dass ein “Punctum” entsteht. Der Begriff stammt von dem französischen Philosophen Roland Barthes. Barthes macht einen klaren Unterschied zwischen Bildern, die einfach informieren, jedoch keine emotionale Berührung auslösen.

Beim “Punctum” geht es um die Zuspitzung, die Pointe. Das heißt um Bilder, die mich überraschen, die mich berühren. Falls Sie sich an die Übertragung der Trauerfeier erinnern: Nach meiner Beobachtung gab es ein dreifaches “Punctum”: Auf ihrem Sarg war eine handgeschriebene Karte von Charles III an seine Mutter – das war ein emotionales Zitat der Beerdigung von Princess Diana.

Dann Emma, das Lieblingspony der Queen, auf dem Weg nach Windsor: Die BBC hatte extra einen Kameramann platziert, um kurz vor dem Höhepunkt der Übertragung die Emotionen der Zuschauer zu stimulieren. Das dritte “Punctum” wenig später: Die geliebten Corgis der Queen – ebenfalls in Großaufnahme.

Screenshot: BBC

Alles nur Schnickschnack?

Natürlich kann man bei derlei Details achtlos die Schulter zucken, kurz “Schnickschnack” murmeln und schnell zur Tagesordnung übergehen. Ich persönlich glaube jedoch, dass diese kleinen Details eine wichtige Schlüsselfunktion in der Kommunikation spielen.

Kürzlich hat mich ein sehr erfolgreicher Unternehmer aus dem Mittelstand gebeten, ihn bei seinem Markenauftritt zu beraten. Als erstes habe ich seine Webseite analysiert, dann den YouTube Kanal der Firma. Der Online-Auftritt war sehr professionell gestaltet – ein schickes Design mit Hochglanzbildern. Doch das entscheidende Element fehlte: Die Mitarbeiter. Auch im Video war kein Mensch zu sehen. Nur herausgeputzte Maschinen, die in leere Hallen von der Kamera umkreist wurden.

Zwei Fragen, die ich sofort stellte: Wie soll ich als potentieller Mitarbeiter in dieser Firmenwelt meinen Platz finden? Was denken Kunden über den persönlichen Service und die Kundenbetreuung, wenn sie auf Anbieterseite keine Menschen erkennen? Ich habe ihn ermutigt, seine Bildsprache zu ändern, um eine stärke emotionale Bindung aufzubauen.

Wie Bildmagie funktioniert

In der persönlichen Beratung weise ich meine Kunden auf die Kraft authentischer Portraits hin. Gerne zeige ich auch den gravierenden Unterschied zwischen einem Produkt- und einem Portraitfotografen auf. Der eine kann sehr gut das Produkt-Portfolio und die Firmengebäude ablichten. Der andere hat ein Gefühl für Menschen und schafft es berührende Portraits zu gestalten. Den magischen Moment festzuhalten, wenn sich die Augen als Fenster der Seele für einen Sekundenbruchteil öffnen und es gelingt, ein außergewöhnliches Bild dieses Menschen festzuhalten.

Diese magischen Bilder gab es zu hunderten von der Queen. Sie hat bestimmten Hoffotografen immer wieder die Türen geöffnet und zugelassen, dass Fotos entstanden, die bis heute Ikonen der Kommunikation sind.

Zurück zum neuen Buch von Dr. Helene Karmesin, die in Wien ein Institut für Marktforschung leitet. Neben den Basics für gute Bildgestaltung im Business zeigt sie auf, wie charakteristische Codes entstehen. In der Sprache der Semiotik beschreibt sie die Codes des Sakralen, die häufig in der Kosmetikbranche genutzt werden. Aber auch die Codes der Fürsorge, die bei Finanzen eine wichtige Rolle spielen.

Kennen Sie das Bukolische?

Spannend finde ich ihre Analyse der sogenannten “Demand Pictures”, die auf Webseiten zur Aktion auffordern: “Werde Teil unseres Teams oder unserer Kunden-Gemeinschaft. Gestolpert bin ich auch über einen Begriff, den die Forscherin mit der Marke “Landlust” verbindet.

Sie nennt diesen Code Das Bukolische. “Das Konzept hat eine lange Tradition. Wir finden eindrucksvolle Beispiele in der römischen Antike. Hier wurde erstmals das Land als Gegenpol zur lauten, geschäftigen, aufreibenden durch Sittenverfall gekennzeichneten Stadt gesetzt. Und zwar nicht das reale Land, sondern eine Idylle vom Land: Schäfer, Hirten, Landleute,… Menschen, die eine einfache, gute Gesinnung hatten.”

Die Autorin schreibt diesem Bildcode eine “besondere Suggestivkraft” zu – vor allem dann wenn großes Konfliktpotential in einer Gesellschaft vorhanden ist. Vielleicht ist dies auch eine Erklärung, warum sich die Land-Magazine so gut verkaufen. Sie bieten den Lesern visuelle Fluchtburgen in einer stürmischen Zeit an.

Einen ähnlichen Ansatz scheint auch die Baumarktkette Hornbach zu verfolgen. Dr. Helene Karmesin nennt ihren Auftritt die “Sakralisierung des Alltäglichen”. Hier geht es nicht mehr um Holz und Dübel, sondern um “Aspekte des Heroischen und des Schöpferischen” Der Heimwerker als “Schöpfer einer neuen und besseren Welt”.

“Bildmagie” ist ein sehr lesenswertes Buch mit vielen Anregungen, die eigene Bildsprache zu überprüfen und an bestimmten Stelle zu optimieren.

Beispiel der Woche

Lassen Sie mich aus aktuellem Anlass zum Schluss noch ein praktisches Beispiel anfügen. Es wurde in dieser Woche auf dem Instagram-Kanal der königlichen Familie veröffentlicht. Das Motiv vereint die Bildcodes des Bukolischen mit dem Heroischen. Die Queen auf Wanderung – dem Aufstieg nach oben. Für ihren letzten Weg hat sie alles Royale abgelegt, sie erscheint als normale Touristin. Das Bild suggeriert: Sie war ein Mensch wie du und ich.

Dazu nur ein Satz, der auf eine weitere Dimension anspielt:

‘May flights of Angels sing thee to thy rest.’

In loving memory of Her Majesty The Queen.