Wer bin ich und wenn ja, wieviele? Dieser Bestseller von Richard David Precht hat seit dem Erscheinen viele Wellen geschlagen. Und doch bleibt die zentrale Frage der Identität für viele Führungskräfte unentdeckt. Mit diesem Beitrag möchte ich Sie ermutigen, aktiv Ihre eigene Biografie zu entschlüsseln. Ich bin mir sicher, dass Sie dabei den einen oder anderen Schatz Ihrer Vorfahren heben.

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Der Schatz der Vivian Maier

Durch Zufall bin ich auf einen atemberaubenden Dokumentarfilm gestoßen, der mich zu meinem heutigen Beitrag inspiriert hat: Finding Vivian Maier. Er beschreibt die Spurensuche des John Maloof: Der junge Mann liebt Zwangsversteigerungen, bei denen man private Nachlässe erstehen kann. Bei einer Auktion macht er eine erstaunliche Entdeckung: Er ersteigert einen Karton mit unentwickelten Filmen und Negativen, die auf einem Dachboden gefunden wurden.

Zuerst landen die Filme in einem Wandschrank, doch dann begreift John Maloof, dass er das Vermächtnis einer Meisterfotografin entdeckt hat. Es gelingt ihm, den gesamten Hausrat zu kaufen: Handtaschen, Schuhe, Notizbücher, alte Zeichnungen. Der Film zeigt seine Biografiearbeit und die spannende Suche nach der authentischen Vivian Maier, von der wie bei einer Matrjoschka immer neue Aspekte sichtbar werden.

150.000 Meisterfotos werden erst nach ihrem Tod entdeckt

Vivian Maier lebte als Kindermädchen über Jahrzehnte in unterschiedlichen Familien. Doch ihr wertvollstes Geheimnis blieb Eltern und Kindern verborgen. Wie ein Schatz hütete sie die Bilder, die sie während der Arbeit und in ihrer Freizeit aufnahm. Alle wussten, dass Vivian gerne fotografiert, doch die fertigen Aufnahmen bekam niemand zu Gesicht.

Am Ende ihres Lebens hinterließ sie 150.000 Meisterfotos, dass es so viele sind, wusste sie selbst nicht. Zahlreiche Filme hatte selbst gar nicht mehr entwickelt. Erst der Zufallsfund von John Maloof brachte den Schatz ans Tageslicht. Heute, neun Jahre nach ihrem Tod, ist sie eine weltweit bekannte Fotografin, deren Bilder in renommierten Galerien hängen und in Büchern für mediale Aufmerksamkeit sorgen.

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Vivian Maier Ausstellung Berlin – Oktober 2018

Vivian Maier Ausstellung in Berlin

Seit wenigen Tagen hat in Berlin eine Ausstellung geöffnet, in der großformatige Fotos von Vivian Maier präsentiert werden. Ich war am Sonntag mit meiner Frau im Willy-Brandt-Haus, um mir die Arbeiten anzusehen und überrascht, wieviele Besucher sich für ihr Werk interessieren.

Aus dem unbekannten Kindermädchen ist nun ein Medienstar geworden. Durch die Biografiearbeit von John Maloof kennen wir auch die exzentrischen und eher dunklen Aspekte ihrer Persönlichkeit. Wie eine Besessene sammelte Vivian Maier nicht nur Fotos, sondern auch Tausende von Zeitungen.

Bereits in den Fünfziger Jahren fotografierte sie ein Selfie nach dem anderen: Mit ihrer analogen Kamera positionierte sie sich häufig vor Spiegeln, um sich selbst zu fotografieren. Ihre Hüte und Mäntel sind ein Markenzeichnen, dass sich durch viele Fotos hindurchzieht und sofort ihren Stil dokumentiert. Falls Sie in den kommenden Wochen in Berlin sind: Die Ausstellung ist noch bis 6. Januar geöffnet.

Biografiearbeit: Wo fange ich an?

Das Erbe der Vorfahren spielt auch in meinen Beratungsgesprächen eine zentrale Rolle: So frage ich bei meinen Workshops die Kunden immer auch nach dem charakterlichen Erbe ihrer Eltern und Großeltern. Mitunter ernte ich überraschte Gesichter, weil die Geschichte der Vorfahren noch im Dunkeln liegt.

Doch ich bin überzeugt, dass sich in jeder Familiengeschichte ein ganzer Fundus von Geschichten verbirgt, den es sich  lohnt, zu entdecken. Viele Stärken und Schwächen, die unsere Identität prägen, haben einen biografischen Hintergrund.

Wie Sie als Selbständiger oder Unternehmer agieren, wieviel Risiko Sie eingehen, welchen Mut Sie bei beruflichen Entscheidungen zeigen, hängt von Ihrer Familiengeschichte und Ihrer eigenen Biografie ab. Ganz bewußt arbeiten meine Frau und ich auch in unserer Biografie-Schmiede mit diesem Schatz, um daraus die Energie für weitere Schritte zu gewinnen.

Ich ermutige meine Kunden, auch beim Schreiben ihrer eigenen Blogbeiträge, immer wieder biografische Elemente einzufügen. Mit jeder Geschichte, die authentisch aus Ihrer eigenen Erfahrung oder der Ihrer Vorfahren stammt, gewinnen Sie an Glaubwürdigkeit und bauen wertvolles Vertrauen zu potentiellen Kunden und Mitarbeitern auf.

Der Schatz meiner Vorfahren

Auch bei meiner eigenen Biografiearbeit bin ich auf einen wertvollen Schatz gestoßen: Mein Großvater erzählte in unserer Familie immer wieder, wir würden von einem berühmten Baumeister der Renaissance abstammen. Vor genau 10 Jahren, im Herbst 2008 fing ich an, dieser Spur nachzugehen.

Sein Name: Heinrich Schickhardt, Baumeister des Herzogs von Württemberg. Zuerst suchte ich nach alten Dokumenten, Familienstammbüchern und Fotografien. Ich durchforschte das Internet und fing an, einen elektronischen Stammbaum unserer Vorfahren zu erstellen.

Doch alle meine Bemühungen, einen familiären Link zu Heinrich Schickhardt zu finden, verliefen ins Leere. Frustriert gab ich auf und erzählte meiner Familie, das unser Opa sicherlich ein guter Geschichtenerzähler war, ich jedoch keinen Beleg finden konnte.

Ein Jahr später entdeckte ich in einem Online-Antiquariat ein Buch über Schickhardt und wagte einen neuen Versuch: Zu meiner großen Überraschung fand ich darin den fehlenden Link. Im Stammbaum des Baumeisters waren zwei Nachfolge-Generationen dokumentiert: Die Enkelin von Schickhardt war die allererste Person in unserem Familienstammbaum, bis zu der ich die Spur zurückverfolgen konnte.

Die Geschichte des berühmten Renaissance-Baumeisters

Also doch: Mein Opa hat keine Märchen erzählt. Offensichtlich wurde über Hunderte von Jahren der folgenden Generation in unserer Familie die Geschichte des berühmten Baumeisters erzählt – und ich kann es heute belegen: Sie stimmt! Wir sind Nachfahren des schwäbischen Leonardo da Vinci.

In den letzten 10 Jahren habe ich einige Bücher über sein Leben gelesen, viele seiner Bauwerke besucht und mich intensiv mit der Geschichte von Heinrich Schickhardt beschäftigt. Ich erkannte dabei, dass ich auch in meiner Persönlichkeit einige Stärken habe, die zu einem Baumeister passen: Die Risikobereitschaft, das Multitasking – Schickhardt hat parallel bis zu 30 Großbaustellen geleitet – sind Elemente, die ich im kleineren Maßstab auch bei mir beobachte.

Natürlich bin ich ein bisschen stolz, dass meine Geburtsstadt Freudenstadt von meinem Vorfahren auf der grünen Wiese geplant und gebaut wurde. Darüber habe ich auch einen kurzen Film gedreht. Und der Europa-Rat hat eine Europäische Kulturstraße eröffnet, die alle Städte in Süddeutschland und Frankreich verbindet, in denen seine Bauwerke heute noch zu finden sind.

Meine Best-Practice-Tipps:

  • Starten Sie die Biografiearbeit mit Ihrer eigenen Geschichte: Erkunden Sie die Höhen und Tiefen Ihres eigenen Lebens.
  • Fragen Sie Ihre Eltern und Großeltern: Welche Eigenschaften, welche Leidenschaften haben Sie von Ihren Vorfahren geerbt?
  • Machen Sie sich auf Überraschungen gefasst: Vielleicht finden Sie auch in Ihrer Familie eine “Vivian Maier” oder einen “Heinrich Schickhardt”.

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Wie Sie selbst aus Ihrer eigenen Lebensgeschichte lernen können zeigen wir Ihnen in unserer Biografie-Schmiede. Das nächste Modul findet am 1. und 2. November 2018 statt.