Seit 40 Jahren fotografiert Janine Guldener: Prominente, Unternehmer, Selbständige. „Ein gutes Businessfoto kann ein großes Kraftwerk sein“, erklärt die Berliner Fotografin. Doch wie gelingt es, dass der Kunde auf einem Bild die Energie der Person spürt?

Barbara Auer – Alle Fotos: Janine Guldener

Ein Businessfoto muss persönlich sein, aber nicht privat

Ich kenne Janine Guldener seit 30 Jahren. Wir beide sind Mitglieder der Künstlergemeinschaft „Das Rad“. Schon früh haben mich ihre eindrucksvollen Portraitfotos angezogen. Meine besten Businessbilder hat sie gemacht.

Wir verabreden uns zu einem Interview. Ich bin neugierig, ihre Philosophie als Fotografin kennenzulernen. Doch im Kern steht die Frage: Was zeichnet ein gutes Businessfoto aus?

„Die erste Berührung mit dem Bild kam durch meinen Vater“ erklärt Janine, „er war ein exzessiver Super-8-Filmer und wir fünf Kinder waren die beliebten Objekte.“ Schmunzelnd berichtet sie: „Für die Aufnahmen mussten wir rote Strickpullover anziehen. Unser Papa
war stolz, dass er filmen konnte.“

Janine Guldener ist in Zürich geboren. Die Mutter Französin, der Vater Schweizer. Ihre Kindheit verbringt sie in einem kleinen Dorf an der Grenze zu Deutschland. „Ich bin ein Grenzgänger. Nicht nur in der Fotografie, sondern auch in meiner Biografie.“

Fotografie gibt für einem Moment eine neue Identität

Nach etlichen Lebensjahren in München lebt sie heute in Berlin-Kreuzberg: „Ich habe früh gelernt, dass Dinge oft anders wirken wenn sie dargestellt werden. Jedes Foto ist eine bildliche Übersetzung einer Wirklichkeit.“

Sie berichtet von einer Fotoausstellung, die sie in Köln ausgerichtet hat. Das Thema: „0,16 sec. Sekunden im Leben einer Frau“. In der Ausstellung waren 20 Fotos von einer Person zu sehen. Die im Bruchteil 1/125 Sekunde aufgenommen wurden. 20 Momente, die durch ihre bildliche Darstellung wie durch eine Lupe gezeigt eine übergeordnete Bedeutung bekamen und insgesamt doch nur 0,16 Sekunden im Leben dieser Frau ausmachten.

„Mich fasziniert, was in einem kleinen Moment möglich ist. Jedes Foto ist die Kondensation einer Wirklichkeit. Einfrieren der Zeit erlaubt einen besonderen Einblick und eine Verstärkung dessen was gerade ist , wo doch sonst alles fließt und sich verändert.“ Sie zeigt auf ein Kinderbild von ihrem Sohn: „Wenn ich einen schlechten Moment habe, muss ich nur auf dieses Bild schauen.“

Businessfoto

Bilder können gegen dich arbeiten oder für dich

Janine Guldener ist Autodidakt. Durch ihren Mann Rainer, der als Schauspieler am Theater und beim Film arbeitet, lernt sie früh Kollegen kennen. Ihre erste Kundin ist Barbara Auer, beide verbindet seit Jahren eine tiefe Freundschaft.

„Wenn ich im Bild etwas festhalte, erkennt der Betrachter etwas, was man in der Begegnung sieht. Fotografie ist intimer Akt. Ich würde nie ein Bild zeigen, von dem eine Person nicht will, dass es sichtbar wird.“

Ihr Credo: „Businessfotos sollen persönlich, aber nicht privat sein. Sie sollen in Resonanz mit dem Betrachter gehen: Das geht mich was an, mit dem kann ich.“

Wir schauen nach Energie

Da ich selbst auch seit vielen Jahren fotografiere, diskutieren wir darüber, wie es gelingt, dass der Betrachter die Energie der Person spürt? Janine berichtet vom Theater: „Bei der Besetzung von Schauspielern wird häufig der genommen, der die größte Resonanz auslöst. Streng genommen muss man sagen: Theater und Filmproduzenten kaufen die Energie der Menschen ein.“

Auch beim Einkauf im Bekleidungshaus suche der Kunde nach Energie: „Wir wählen bei fünf Pullovern, denjenigen aus der die größte Energie hat.“ Beim Fotoshooting verändert sich die Energie ständig. „Wenn ich eine Serie mache, schaue schnell durch die Aufnahmen und erkenne sofort, bei welchem Motiv die Energie besonders hoch ist.“

Janine Guldener berichtet von einer Kundin, die ein Businessfoto von Marilyn Monroe mitbrachte. „Das war ein Standfoto aus dem Film Missfits. Die Kundin meinte: So will ich sein! Ich habe mir das Bild genau angeschaut. Es war perfekt aufgebaut, goldener Schnitt, symbolgeladen.
Da bleibt jeder hängen“

Businessfoto
Professorin Dr. Benedikta Gräfin von Deym-Soden – Foto: Janine Guldener

Die Symbolik muss stimmen – auch beim Businessfoto

Sie fragte ihre Kundin, warum sie dieses Bild gut finde? „Vordergründig war es die Spannung zwischen Marilyn, einem Hund und einigen Männern im Hintergrund. Doch unsere Seele versteht sofort den archaischen Aufbau eines Bildes.“

In der Reflektion dieses Gespräches wurde Janine Guldener klar: „Die Symbolik muss stimmen – auch beim Businessfoto, damit es den Zuschauer erreicht. Wenn ich die Person sehe, weiß ich was ich mit diesem Kunde mache und welche Umgebung zur Geschichte passt.“

Im Laufe der Jahre habe ich etliche meiner Beratungskunden zu Janine Guldener geschickt, um ein neues Businessfoto für die Webseite zu machen. So auch die Münchner Professorin Dr. Benedikta Gräfin von Deym-Soden.

„Mir war schnell klar war: Sie muss einen Faden in der Hand haben“, erzählt Janine. „Es muss sichtbar werden, dass sie Konflikte wie ein Knäul lösen kann.“

Es ist wichtig mit dem Kunden in Resonanz zu gehen

Damit ein außergewöhnliches Businessfoto entstehen kann, geht sie auch unkonventionelle Wege. „Als ich noch in München gelebt habe, wurde mir bewußt: Das beste Licht habe ich im Badezimmer. Das liegt an der Reflektion der Kacheln. Dort habe ich auch schon Bankdirektoren fotografiert.“

Während wir beide über diese Szene lachen, die sofort Kopfkino auslöst, erklärt die Fotografin: „Ich betrete mit dem Kunden einen imaginären Raum, in dem beim Shooting Dinge passieren, die man nicht planen kann.“

Sie erzählt von einer Kundin, die neben einem Berg von Klamotten drei kleine Pflänzchen zum Shooting mitbrachte. „Ich schaute sie mit großen Augen an. Doch sie meinte: Vielleicht kann man die brauchen. Im Gespräch wurde deutlich, dass sie gerade daran war, ihr Coaching auf drei Säulen aufzubauen. Dieser symbolische Zusammenhang wurde erst im Shooting deutlich.“

Angst vor Prominenten?

Über die Jahre hat Janine Guldener sehr viele Promis fotografiert: „Prominente sind manchmal schwierig, weil sie begreiflicherweise Schutzwälle um sich herum aufgebaut haben, da sie oft als öffentlichen Besitz angesehen werden.“

Sie erzählt von einem Shooting mit Willem Dafoe: „Er ist auch als Weltstar unglaublich höflich. Ein Mensch ohne Allüren. Sehr präsent und nahbar. Doch in meinem Leben mache ich keinen Unterschied. Mit meiner Arbeit will ich Menschen dienen, möchte etwas zeigen, was nach Ausdruck verlangt: Eine Wahrheit, die in dieser Person verborgen ist.“

Janine berichtet von einem Praktikum, das sie mit 27 Jahren bei einem dänischen Modefotografen in Paris gemacht hat. „Obwohl ich selbst keine Fotografenausbildung gemacht habe, bin ich bereits drei Tagen wieder nach Hause gefahren und habe gesagt: Das kann ich bereits. Als Mutter von drei Kinder musste ich mit der Zeit haushalten. Heute muss ich zugeben, das war ziemlich arrogant.“

Gute Fotos sind die Dokumentation einer Begegnung

Später bekommt sie die Chance, das Pressebüro bei Jill Sander mitaufzubauen. „Diese Jahre haben mich sehr geprägt. Jeden Tag ging die beste Modefotografien über meinen Schreibtisch.“

Sie erzählt von ihren Begegnungen mit den besten Fotografen der Welt. „Scavullo hat die ersten Kosmetikfotos von Jill Sander gemacht. Ein Meister, was den Ausdruck von Menschen betrifft. Er hat es geschafft, sie in eine Stimmung zu bringen, dass sie sich zeigen Auch Peter Lindbergh konnte das. Er zählt zu meinen Vorbildern, genauso wie Richard Avedon.“

Sie zitiert einen Satz von Peter Lindbergh: „Gute Fotos sind die Dokumentation einer Begegnung. In dieser Phase wurde mir klar: Ich musste meinen eigenen Weg finden, dann laufe ich wie auf Schienen.“

Bilder haben Wirkung und Macht

Zum Schluss unseres Gesprächs will ich wissen, warum es von Janine Guldener kein Businessfoto gibt: Weder auf ihrer Homepage noch sonst im Web? „Weil ich es schwer finde mich zu fotografieren“, sagt sie mit einem Augenzwinkern. „Auch meine Kinder machen sich immer wieder lustig drüber. Mittlerweile finde es ich selbst absurd.“

Zum Schluss gibt sie mir noch einen Tipp mit: „Folge deinen Instinkten. Häufig traut man sich nicht, neue Dinge auszuprobieren, weil irgend jemand gesagt hat, das kannst du nicht! Doch meine Empfehlung. Einfach machen. Hör auf die innere Stimme. Bleib dran und vor allem: Nicht entmutigen lassen!“