Die Idee der Freiheit ist in eine Sackgasse geraten. Die Politiker wollen die Gesundheit schützen und opfern dafür die Freiheit ihrer Bürger. Ich frage mich seit Wochen: Wo sind momentan die Anwälte der Freiheit, die ein Plädoyer für mehr Mut halten?

Freiheit
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Die Bürger als Kinder: Ist das unser gesellschaftliches Bild?

Gestern Abend habe ich eine Sondersendung mit Volker Bouffier verfolgt: “Mit Ihnen möchte ich nicht tauschen” erklären immer wieder Bürger am Telefon, wenn sie mit dem hessischen Ministerpräsidenten sprechen. Dann berichtet er von der Zwickmühle, in der die Politik derzeit steht. Steigende Fallzahlen, mahnende Virologen. Alternativlose Politik.

Es ist eine Argumentationskette, die viele Fernsehzuschauer seit Monaten auf allen Kanälen bekommen. Ich muss zugeben: Dieses Mantra der alternativlosen Politik kann ich nicht mehr hören.

Natürlich ist es schwierig, zwischen den unterschiedlichen Grundrechten abzuwägen. Doch mancher Politiker hat sich auch in dieser Rolle des starken Machers profiliert. Zitat Markus Söder im Frühling 2020: “In dieser Situation fragen viele nach einem starken Staat. Das Vertrauen in den Staat darf jetzt nicht enttäuscht werden.”

Dann nutzt er im Interview ein Bild aus dem Kaiserreich: “Das ist wie in einer Familie. Normalerweise heißt es von den Kindern: Ach komm nicht ständig mit den Daddysprüchen. Aber in der Krise wird oft nach dem Vater gefragt.”

Es fehlt an vielen Stellen der Mut

Natürlich kann man heute im April 2021 über so ein Bild schmunzeln. Doch der Humor ist vielen Bürgern vergangen. Die Umfragewerte im Sinkflug. Ich will an dieser Stelle nicht den Schlaumeier geben. Sondern auf ein Dilemma aufmerksam machen, in der aktuell unser Diskurs steckt. Es fehlt an vielen Stellen der Mut.

Heute morgen bin ich auf ein Zitat des griechischen Politikers Perikles gestoßen, der um 500 bis 429 vor Christi Geburt gelebt hat: “Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit, und das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.”

Ich finde dieser Gedanke besitzt auch heute noch eine große Aktualität: “Die heutige Freiheitsskepsis im Namen von Schutz und Sicherheit ist eine “klamme, schwunglose Angelegenheit”, so das Wochenmagazin “Die Zeit”: “Alles spricht von einer tiefen, lähmenden Ängstlichkeit. Es herrscht ein Geist des Bremsens, Sich-Einbunkerns und Zu-Hause-Bleibens.”

Die Mündigkeit der Bürger fördern

Warum bekommt der Liberalismus nicht mehr Raum, der auf die Mündigkeit, die Selbstbestimmung des Menschen setzt? Nach meiner Meinung sollte der Staat die Mündigkeit der Bürger nicht unterschätzen. Ich brauche keinen wilhelminischen Vater-Staat, der die Bürger als unmündige Kinder behandelt. Das ist für mich ein völlig falsches Bild.

Viele Selbständige wollen nicht am Tropf von staatlichen Fördermassnahmen hängen. Sie wollen arbeiten, ihr Recht auf Berufsausübung wahrnehmen. Selbst ihr Einkommen verdienen. Das ist aber nur möglich, wenn Vater Staat sie nicht gängelt. Auf diesem Hintergrund finde ich es nicht mehr “verhältnismäßig”, dass die Politik hunderttausende von Gastronomen, Künstler, Hoteliers und Unternehmer durch ihre Verordnungen mit einem monatelangen Berufsverbot belegt.

Ich bin überzeugt, dass die meisten Unternehmer sorgsam die Grenzen achten und schneller als die Politik neue Wege suchen, um ihre Kunden und Mitarbeiter zu schützen. Ein befreundeter Unternehmer berichtet mir heute, dass bei ihnen bereits seit Januar alle Mitarbeiter regelmäßig getestet werden.

“Über die Verordnung können wir jetzt nur lachen – das machen wir längst!” Er plädiert dafür in Chancen und Möglichkeiten zu denken, statt in Geboten. Die Politik müsse den unternehmerischen Mut fördern, zulassen und nicht länger blockieren.

Wir brauchen eine neue Freiheit des Denkens

Von daher möchte ich heute auf allen Ebenen Mut zur Freiheit machen. Sie beginnt für mich in der Freiheit des Denkens. Wir brauchen einen neuen Mut des öffentlichen Diskurses. Mut zu Debatten, um die Redefreiheit und auch die Meinungsfreiheit zu bewahren.

Das bedeutet aber auch, dass wir andere Meinungen aushalten, die nicht unserem kulturellen Kanon entsprechen. Dazu gehören die Universitäten, die den Mut brauchen, umstrittene Referenten nicht gleich wieder auszuladen. Verlage, die mutig genug sind, kontroverse Bücher zu veröffentlichen. Journalisten, die für Meinungsvielfalt eintreten.

Ich freue mich sehr über die vielen Podcasts, die in der Pandemie entstanden sind. Kluge Köpfe und innovative Denker haben eine Vielzahl von neuen Formaten gestartet. Auch bei YouTube gibt es kluge Vorträge und Diskussion. Das fasziniert mich.

Heute habe ich im ZDF ein Interview mit dem früheren Staatsminister Professor Nida-Rümelin gesehen. Er sieht die aktuelle Politik mehr als kritisch. Nach seiner Auffassung ist der Inzidenzwert das falsche Kriterium für politische Entscheidungen, da wir heute viel mehr testen als noch vor Monaten. Er hält die geplante Ausgangssperre für die falsche Maßnahme: Leute geht raus, sagt er ganz offen. Vor allem jetzt in der wärmeren Jahreszeit.

Unterschiedliche Meinungen zulassen

Noch ein abschließender Gedanke: Die vielgelobte “Politische Korrektheit” hat sich nach meiner Beobachtung zu einem Korsett für die Meinungsfreiheit entwickelt. Noch schlimmer: Sie erscheint mir zunehmend Ausdruck von Intoleranz. Das beunruhigt mich.

Mit großer Aufmerksamkeit verfolge ich auch den fachlichen Diskurs in der Fachzeitschrift für Journalisten: Erfreulicherweise beleuchtet das “Medium Magazin” selbstkritisch das eigene Handeln der Medienprofis. In der aktuellen Ausgabe gibt es ein ausführliches Dossier über die Selbstzweifel der Branche. Eine Diskussion, die mehr als notwendig ist, um das Vertrauen in die Meinungsvielfalt der Medien zu stärken.

Auf diesem Hintergrund formuliere ich heute mein Plädoyer für mehr Mut im politischen Diskurs. Um mit Perikles zu sprechen: “Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit, und das Geheimnis der Freiheit ist der Mut.”

Ich bin sehr neugierig, was Ihre Gedanken dazu sind und freue mich auf Ihre Kommentare.