Sicher haben Sie auch schon die Prospekte der Fattoria La Vialla gesehen – als Beilage in Ihrer Zeitung. Letzte Woche waren meine Frau und ich in der Toskana, um uns vor Ort ein Bild zu machen. Wir wollten wissen, was steckt hinter dem Marketing der cleveren Biobauern?

Marketing

150 Mitarbeiter für den deutschsprachigen Markt

Samstagnachmittag in Castiglion Fibocchi, einem kleinen Ort nördlich von Arezzo. Die Touristen-Saison hat noch nicht begonnen. Über einen staubigen Feldweg sind wir auf der Suche nach dem bekanntesten Biobauern Italiens: Der Fattoria La Villa. Im Internet steht noch ein Hinweis auf das Winterhalbjahr: Täglich geschlossen.

Doch wir lassen uns davon nicht abbringen. Wenn wir schon einmal hier sind, wollen wir uns selbst ein Bild von diesem ungewöhnlichen Unternehmen machen. Auf den letzten Metern fragen wir einen Einheimischen. Sind wir hier richtig? Er nickt: Si, si! Dann stehen wir vor einer heruntergelassenen Schranke.

Wir schauen uns kurz an: Am Samstagnachmittag einfach ein fremdes Grundstück betreten? Wir blicken auf große Scheunen und Lagerhallen. Das ist Italien, wir sind Kunden aus Germania – die werden uns schon nicht rauswerfen. Unsicher laufen wir hinter der Schranke einen kleinen Berg hoch und landen auf einer Art Dorfplatz.

Bio-Anbau nach Demeter

Überrascht entdecken wir zwischen den Gebäuden drei junge Frauen: “Herzlich Willkommen. Schön, dass Sie hier sind” – erklingt es uns auf Deutsch entgegen. Wir reagieren überrascht: “Haben Sie geöffnet?” – “Seit gestern. Kommen Sie ruhig. Wir führen Sie gerne durch unseren Hof.”

Dann beginnt eine sehr freundliche Tour durch den Weinkeller, den kleinen Hofladen und in die Pasta und Soßenküche. Wir sind sehr erstaunt, dass die junge Frau in ihrer blauen Schürze wie auch die anderen Damen perfekt Deutsch sprechen. Sie gehören zu den 150 Mitarbeitern, die auf dem Bauernhof La Vialla arbeiten.

Da die meisten Kunden in Deutschland, Österreich und der Schweiz leben – hat sich die Inhaberfamilie Lo Franco ganz auf diese Klientel eingestellt, die wie wir wissen wollen, woher die Produkte kommen. Seit 1978 betreibt die Familie den Hof. Sie bestellen nach eigenen Angaben 1.600 Hektar, der Bio-Anbau wurde von Demeter zertifiziert.

Emotionale Familienbilder – wie bei Freunden

Was meine Frau und ich seit Jahren fasziniert, ist das ungewöhnliche Marketing der italienischen Biobauern. Es beginnt mit den Prospekten, die aufwendig wie Bildbände gestaltet sind. Großformatige Bilder der Toskana, emotionale Motive aus dem Hofalltag. Kleine Geschichten von der Ernte, Rezepte und Wandertipps.

Die großen Bildbände liegen auch jeweils den Lieferungen bei – hochwertig mit einem Seidenpapier verschlossen. Alle Texte sind in einer Handschrift gestaltet, dazu kleine Skizzen – das Manuelle, Handgemachte, Individuelle wird betont. Man kauft nicht bei einem Konzern, sondern bei Freunden. La Vialla inszeniert sich als Geheimtipp. In Italien sind sie nach wie vor unbekannt. Zudem beliefern sie ihre Kunden im deutschsprachigen Bereich nur direkt.

Die Geschenkpakete mit Wein, Oliven. Pasta und Saucen sind vor Weihnachten meist ausverkauft. Insgesamt finden wir das authentische Marketing ziemlich genial. Meine Frau hatte zu unserer Toskana Reise sogar einen Reiseführer von La Vialla mit dabei – er kam als Beilage zu einem Paket. Darin hat die Familie ihre Lieblingswandertouren vorgestellt. Eine clevere Idee zur Kundenbindung.

Crossmediales Storytelling: Alles wird zur Geschichte

Alles was der Biobauernhof macht, wird in eine kleine Geschichte verpackt. Die Familie erzählt, was vor und nach der Ernte passiert. Schildert in kurzen Beiträgen, wieviel Mühe hinter jeder Flausche Wein, jedem Glas Pastasoße steckt. Das ist Storytelling in Reinkultur: Verkauft wird nebenbei.

Mir persönlich gefällt diese Form von authentischem Pull-Marketing sehr gut. Natürlich wird dabei ein romantisches Toskana-Bild von der guten alten Zeit inszeniert, die es längst nicht mehr gibt. Aber die Inszenierung funktioniert, weil sie über die Bauern, ihre Familie und ihre Mitarbeiter, die Geschichten erzählen, direkt Vertrauen und Nähe schafft.

Im Gegenteil zur folienverpackten Salami im sterilen Supermarkt-Regal entsteht hier eine emotionale Bindung zur Herstellung und zum Produkt. Längst ist La Villa ein mittelständisches Unternehmen. Doch das Storytelling funktioniert seit Jahren sehr gut. Zudem haben die cleveren Biobauern durch ihre Direktvermarktung auch direkten Zugang zum Kunden. Dadurch können sie mit neuen Geschichten und neuen Katalogen immer wieder für ihre Angebote begeistern.