Deutschlands Sprachpapst ist tot. Er starb mit 97 Jahren und hat ein großes Vermächtnis hinterlassen. Dazu zählen rund 30 Bücher wie “Deutsch für Profis”, aber auch sein Vorbild als glaubwürdiger Journalist und Lehrer. Seine Empfehlungen sind zeitlos und gelten auch heute noch.

Wolf Schneider
Wolf Schneider – Foto: Sven Teschke

Selbstverständnis und Weltkenntnis

Wolf Schneider fiel auf – nicht nur mit seinen fast-2-Metern, sondern auch mit seiner geradlinigen Art. Unvergessen sind für mich seine Jahre als Moderator der NDR Talkshow. Seine Art, kluge Fragen zu stellen, den Dingen auf den Grund zu gehen.

Als langjähriger Korrespondent hatte er eine Weltkenntnis, als Verlagsleiter des “Stern” und als Chefredakteur der “Welt” ein solides Selbstverständnis. Schneider hatte Standing – das kam auch den Studenten der Nannen-Schule zugute, die er 1979 gründete und leitete.

Seine Ausbildung war berüchtigt: “Qualität kommt von Qual”, war ein typischer Wolf-Schneider-Spruch. Auch mein Chefredakteur beim Radio lebte nach dieser Devise. Ich erinnere mich noch sehr gut an die dunkelroten Manuskripte meiner ersten Radio-Sendungen. Doch jede stilistische Korrektur hat mich weitergebracht und meine Jahre als Autor geprägt.

Schlanke Sätze und schlichte Wörter

Zu seinem 85. Geburtstag hat Schneider zentrale Thesen formuliert, die auch heute noch gültig sind. “Jeder Satz sei durchsichtig gebaut und strebe vorwärts, Wort für Wort.” Der Sprachlehrer empfahl alle eingeschobenen Nebensätze zu vermeiden. Sein Steckenpferd war die Verständlichkeit.

Deshalb empfahl er schlichte Wörter zu nutzen: “Ein Wort ist umso verständlicher und umso kraftvoller, je weniger Silben es hat.” Das erinnert mich an die Diskussion mit einer Buchautorin, die ich momentan bei ihrem neuen Werk begleite. Als Wissenschaftlerin hatte sie sich wunderschöne Kunstworte ausgedacht – zusammengesetzt aus drei Substantiven. Doch sie waren auch beim dreifachen Lesen nur schwer verständlich.

Deshalb haben wir beide über Wolf Schneiders Empfehlung diskutiert: “Keine Imponiervokabeln.” Schon vor Jahren mahnte er an; “Kaum eine anspruchsvolle Zeitung ohne den modischen Paradigmenwechsel. Vermutlich wissen aber 90 Prozent der Leser nicht, was ein Paradigma ist.”

Sauberes Deutsch, Pfeffer und Pfiff

Im “Medium Magazin” einer Fachzeitschrift für Journalisten fordert Schneider dazu auf, “sauberes Deutsch” zu verwenden. Er kritisiert vor allem “Satz-Ungetüme”. Seine These: “Für viele Journalisten ist solche Artistik ein Sport, ja eine Frage der Ehre, zumal in den gehobenen Feuilletons.”

Auch in Sachbüchern lassen sich diese gedrechselten Formulierungen hin und wieder finden. Als Leser verliere ich manchmal schon auf den ersten Seiten die Lust weiterzulesen. Wolf Schneiders vergleicht langweilige oder schwer verständliche Texte mit einer Gebrauchsanweisung für Feuerlöscher.

Sein Tipp: “Ein paar Anreize müssen hinzukommen: spannender Aufbau, dynamische Sätze Pfeffer, Pfiff. Um mit dem Pfeffer natürlich beginnen!” So wie der Nobelpreisträger Paul Krugmann, der von einer Reise nach China zurückkehrte: “Ich habe die Zukunft gesehen und sie wird nicht funktionieren.” Wer so schreibt, hat die Leser gewonnen.

Zum Schluss: Humor und Augenmaß

Lassen Sie sich mich die Hommage an Wolf Schneider mit einem humorvollen Zitat abschließen: “Die Schweinegrippe war die erste Seuche, die sich nicht durch Viren verbreitete, sondern durch Journalisten.” Deshalb forderte er vor 12 Jahren auch Krisen mit Augenmaß zu betrachten. “Rasch war klar. dass sie harmloser verlief als unsere alte Wintergrippe – das die meisten sich also arglos und dümmlich an der Panikmache durch die Pharmaindustrie beteiligten.”

Fast prophetisch klingt seine Aussage – 10 Jahre vor Beginn der Corona Pandemie: “Auch den Verantwortungsbewußten unter den Journalisten fehlt es meist am Sinn für Proportionen. Wir sollten im Hinterkopf behalten: Die großen Mörder der Menschheit sind Hunger, Malaria, Aids, verseuchtes Trinkwasser und der Straßenverkehr.”

Danke, lieber Wolf Schneider. Sie haben mich 40 Jahre als Autor inspiriert und begleitet. Ich freue mich schon darauf, wieder ein Schneider-Buch aus dem Regal zu holen und mich schärfen und inspirieren zu lassen.