Über die Hälfte meiner Blogleser träumt davon ihr erstes Buch zu schreiben. Doch das größte Hindernis – so das Ergebnis meiner Umfrage – ist das fehlende Know-how. Im zweiten Teil meiner Serie geht es heute um die Konzeption.

erstes buch
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Drei Jahre für sein “Lebenswerk”

Wer ein Haus bauen will, braucht zuerst einen Bauplan. Doch beim ersten Buch fangen viele damit an, einfach drauf los zu schreiben. Damit ist der Frust bereits vorprogrammiert: So wie bei Walter, der mir stolz sein Manuskript zeigt: “Schau mal Rainer”, sagte der 65jährige, “In diesem Buch steckt meine gesamte Lebenserfahrung. Drei Jahre habe ich daran gearbeitet. Jetzt interessiert mich deine Meinung, wie du es findest?”

Ich muss erst einmal schlucken: Dann schaue ich respektvoll zuerst auf den dicken Packen Papier, danach in seine erwartungsvollen Augen. Ich bin gerührt, dass er mir sein “Lebenswerk” zur Bewertung vorbei bringt. Über 30 Jahre ist er als Selbständiger sehr erfolgreich aktiv. Mich begeistert, dass er sich die Mühe gemacht hat, seine Lebenserfahrung zu Papier zu bringen. Gleichzeitig bewundere ich sein Durchhaltevermögen über drei Jahre an diesem Werk zu schreiben.

Die Erwartungen an mich sind hoch: Der Unternehmer will wissen, ob sein Werk gut genug ist, um es zu publizieren. Er hat die Hoffnung, dass ich ihm einen Verlag empfehlen kann, der sein Lebenswerk veröffentlicht. Neugierig mache ich mich daran, das Buch erst durchzublättern, um das Konzept zu verstehen. Dann beginne ich zu lesen.

Entwerfen Sie zuerst den Bauplan

Ich hoffe, die Geschichte meines Kunden Walter hat sie nicht schockiert. Drei Jahre für ein Buch sind nach meiner Erfahrung nicht üblich. Zudem wäre ich selbst nicht bereit, so viel Lebenszeit zu investieren. Das kann deutlich schneller gehen. Vorausgesetzt, Sie haben einen Plan!

Im Gegensatz zum Hausbau brauchen Sie für ein Buch rund einen Tag, um das Konzept zu entwickeln. Starten Sie mit einer klaren Definition: Wer ist Ihre Zielgruppe? Wer soll das Buch lesen? Dann sollten Sie das Genre definieren: Wollen Sie Ihre Biografie schreiben? Einen Ratgeber zu einem Thema? Ein Sachbuch? Oder einen Roman?

Zudem sollten Sie den Umfang definieren: Wieviele Seiten soll das Buch haben? Wie lange soll jedes Kapitel sein? Was ist das Kernthema? Der konkrete Nutzen für den Leser, wenn er es gelesen hat? Mir persönlich hilft es auch, die Überschriften der Kapitel zu formulieren. Damit habe ich gleich auch eine grobe Gliederung der Inhalte.

Im nächsten Schritt sammle ich die Geschichten: Welche Erzählung passt zu welchem Kapitel? Gerade bei biografischen Erzählungen finde ich es sehr wichtig, nicht mit der Geburt und einer Wiege zu starten. Meine Empfehlung: Eröffnen Sie das Buch mit einer der spannendsten Szenen, die Sie persönlich erlebt haben. Damit ziehen Sie den Leser direkt in das Buch hinein.

Welches Bildsystem nutzen Sie?

Da ich seit 1987 hauptberuflich für das Fernsehen arbeite, liebe ich es in Bildern zu denken. Beim Film spricht man von einem “Image System”. Mit welchen Bildern möchte ich meine Geschichte illustrieren? Welche Bildwelt verwende ich dafür? Diese Erfahrung nutze ich auch als Buchautor.

Für mein Buch “Du bist der Held Deiner Geschichte” habe ich als Bildsystem unter anderem das Klettern am Berg verwendet. Mit dieser Metapher erzeuge ich auch beim Leser sofort Bilder, die Anstrengung, Natur, Weitsicht und Gipfelglück symbolisieren.

Mit einer Kundin, die kürzlich zum Schreibworkshop bei uns auf dem Gutshof war, habe ich das Bildsystem einer Schaukel entwickelt: Eine Kinderschaukel im Spiegel der Jahreszeiten, mal mit Schnee bedeckt, mal schwingt sie alleine vom Wind bewegt. Dann sitzt plötzlich ein Vogel auf der Schaukel und trinkt aus der kleinen Pfütze, die der letzte Regen hinterlassen hat.

Natürlich muss das Bildsystem wie beim Hausbau immer auch zum Bauherren passen. Der eine liebt Beton, der andere Glas, der dritte Holz. Die Kunst bei der Planung des Buches ist es, ein Bildsystem zu finden, das zu Ihrer Persönlichkeit passt und wie eine zweite Ebene den Leser fasziniert. Das Bildsystem hat noch eine dritte Ebene: Immer dann, wenn Worte versagen oder Emotionen zu schmerzhaft sind, kann die passende Bildwelt diese Gefühle zum Ausdruck bringen. Oder wie bei der Schaukel eine Seite der Persönlichkeit zum Schwingen bringen.

Neu schreiben geht schneller als alles umzubauen

Zurück zu Walter, der mir sein Lebenswerk zur Begutachtung vorbeibrachte. Ganz neugierig habe ich sein Buch angeschaut. Ich war so gespannt, was er in den drei Jahren zu Papier gebracht hat. Doch mit jeder Seite wurde ich zunehmend enttäuscht. Schnell verlor ich auf den Seiten den Überblick. Zu sehr reihte sich eine theoretische Abhandlung an die andere.

Hinzu kam Frust. Mir wurde schnell klar: Dieses Manuskript wird vermutlich keinen Verlag finden, der es drucken wird. Warum nicht? Es wäre viel zu viel Aufwand für den Lektor alle Inhalte neu zu strukturieren und dann umzuschreiben. Das hat mir auch eine befreundete Lektorin bestätigt. Ihre Empfehlung: Zuerst ein neues Konzept machen, dann nochmals neu anfangen und das Buch ein zweites Mal schreiben. Ihre Einschätzung: Neu schreiben geht schneller als alles umzubauen. Was für eine schmerzhafte Erkenntnis!

Das Gespräch mit Walter war leider keine Freunde: Ich versuchte ihm sehr liebevoll meine Wertschätzung für sein Werk auszudrücken. Gleichzeitig war ich der Überbringer der frustrierenden Nachricht, dass sich für das vorliegende Manuskript wohl kein Verlag finden würde. Es fehlte das Konzept, die klare Struktur, der sichtbare Nutzen für den Leser. Neu schreiben? Das wollte er natürlich auch nicht. So liegt sein Skript leider bis heute unbeachtet wieder in seiner Schreibtisch-Schublade.

Mein Tipp: Lassen Sie sich von Walter und seiner Geschichte nicht frustrieren. Starten Sie stattdessen mit einem klaren Plan. Nehmen Sie sich die Zeit, die oben genannten Fragen zu beantworten und entwickeln Sie eine kurze Gliederung für Ihr geplantes Buch.

In der kommenden Woche zeige ich Ihnen, wie Sie einen kreativen Ort finde und konkret an Ihrem Manuskript arbeiten. Zudem gebe ich Ihnen praktische Tipps, um an einem Tag das erste Kapitel zu verfassen.