Im Januar 2020 schwärmten die Medien von den “Goldenen Zwanzigern”, dann kam Corona. 14 Monate danach klingen die Schlagzeilen wie eine ferne Utopie. Doch einiges deutet darauf hin, dass sich nach dem Lockdown eine neue Form von Lebensfreude Bahn bricht.

Lebensfreude
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Die aufgestaute Lebenslust

Wer mit offenen Augen und wachem Herzen diesen Frühlingsanfang im Februar erlebt, spürt dass dieser Lockdown nicht ewig dauern kann. Die Sonnenstrahlen ziehen uns in die Natur. Auch meine Frau und ich sind am Sonntag aufs Fahrrad gestiegen, um die Umgebung zu erkunden. Endlich wieder eine Art von Freiheit spüren nach den Monaten des Zuhause seins.

Unterwegs treffen wir Menschen, denen es genauso geht. Jeder, der kann, will raus. Weg vom Computer, den endlosen Zoom-Konferenzen, dem virtuellen Leben. Daher kommt auch diese Ungeduld, die seit Tagen die Schlagzeilen und Leserbriefspalten dominiert. Die aufgestaute Lebensfreude braucht wieder einen Raum, um leben und atmen zu können.

“Nach der Pandemie wird eine Zeit der Gemeinschaft und des Zusammenseins, des Genusses und der Freiheit anbrechen”, schrieb kürzlich das Wochenmagazin “Focus”. Das belege eine Studie der Gesellschaft für Innovative Marktforschung. Der Studienleiter Hannes Fernow “verorte in den Auf- und Nachholeffekten eine Lebenslust, die in ihrer hedonistischen Ausprägung an die Goldenen Zwanziger erinnern wird.”

Der neue Spaß übernimmt gesellschaftliche Verantwortung

Doch der Hedonismus nach Corona wird ein anderer sein: “minimalistischer und entschleunigter”. Während der Pandemie haben viele ihre gesellschaftliche Verantwortung neu erkannt: “Spaß macht nur”, so der Forscher, “was anderen keinen Schaden zufügt. Beim Klima, beim Konsum, beim Reisen, beim Miteinander.”

Für den Zukunftsforscher Matthias Horx gibt es künftig eine “Revision unseres Beziehungssystems, nachdem wir auf drastische Weise erfahren mussten, wie wichtig wahre Nähe ist.”

Das habe ich gestern erlebt beim Spaziergang mit einem langjährigen Freund. Am Mittwochmorgen haben wir uns in einer Seenlandschaft bei Gießen getroffen. Seit kurzem arbeitet er als Mediziner in einem Impfzentrum in Frankfurt. Doch mangels Impfstoff hatten wir Zeit für eine spontane Begegnung am Vormittag.

Wird unser Beziehungssystem revidiert?

Bei 18 Grad konnte er für ein paar Stunden die medizinische Schutzausrüstung vergessen und die Natur genießen. Schnell waren wir beide bei dem Thema: Was kommt im Herbst, wenn vermutlich die Mehrzahl der Bürger geimpft ist? In welcher Welt werden wir dann leben? Was holen wir zuerst nach?

Uns beiden war bewußt, dass im aktuellen Lockdown schon die kleinen Dinge reizen: Gemeinsam Frühstücken gehen, ein Museum besuchen, mit ein paar Freunden zu feiern. Das verspricht neue Lebensfreude.

Durch etliche Gespräche mit Bekannten weiß ich, dass sich bei manchen Menschen auch das Beziehungssystem revidiert hat. Oberflächliche Gespräche haben an Wert verloren. Etliche haben gemerkt: Smalltalk ist entbehrlich.

Wer sich mit echten Menschen trifft, hat etwas zu sagen. Ehrliche Freundschaften, Begegnungen von Herz zu Herz – so wie gestern mit meinem Freund – sind Gold wert. Wahre Nähe ist derzeit ein Luxusgut, authentischen Beziehungen werden auch in Zukunft mehr Wertschätzung erfahren.