Mit dem Schiff in den Hafen von New York einlaufen – vorbei an der Freiheitsstatue. Dieser Traum steht seit 20 Jahren auf meiner Bucketlist. Jetzt ist er in Erfüllung gegangen. Hier mein Erfahrungsbericht.

Mit dem Ozeanriesen oder einem kleinen Schiff?

Die erste Frage, die ich mir gestellt habe: Was ist das passende Schiff? In großen Magazinen wirbt die Reederei Cunard damit, den Ozean mit der Queen Mary zu überqueren. Doch mit 4.000 fremden Menschen unterwegs zu sein – das hat mich noch nie gereizt.

Vor 19 Jahren haben meine Frau und ich Phoenix Reisen in Bonn entdeckt, die drei Hochseeschiffe betreiben. Auf der MS Amadea habe ich damals meinen ersten großen Traum realisiert, in 115 Tagen einmal um die Welt zu reisen.

Das Schiff hat die perfekte Größe: 500 Passagiere. Klein genug, um neue Freunde kennenzulernen und sich im Laufe des Tages wiederholt zu treffen. Groß genug, um Abstand und Ruhe zu haben.

Ein Buchprojekt im Koffer

Neben dem Traum von New York gehe ich seit einem halben Jahr mit einem neuen Buchprojekt schwanger: Ich will einen Auswanderer-Roman schreiben. Eine Geschichte, die das Schicksal von hundertausenden von Menschen greifbar macht, die aus wirtschaftlicher Not ihre Heimat verlassen mussten, um in Amerika ein neues Leben zu starten.

Was mich besonders interessiert: Wie ging es einem Auswanderer vor 100 Jahren, der 10 Tage auf dem Ozean unterwegs war. Die Angst vor Seekrankheit, die Einsamkeit auf dem Meer, die Sorge, ob sich die Hoffnungen erfüllen werden.

Als Autor muss ich manches zuerst selbst erleben, bevor ich es stimmig und glaubwürdig beschreiben kann. Die MS Amadea braucht heute 10 Seetage für die Atlantikpassage über die Azoren. Auch 1923 waren die Auswanderer 10 Tage unterwegs.

Auf der Brücke habe ich nachgefragt: Von Bremerhaven bis New York sind es 3.530 Seemeilen, also 6.537 Kilometer Ich nutze die Seetage, um mich in meine Hauptfiguren einzufühlen und die ersten 14 Kapitel des neuen Romans zu schreiben.

Der Ozeanpianist

Vielleicht kennen Sie das Buch von Alessandro Baricco: Novecento – Der Ozeanpinist. Er schreibt sehr stimmungsvoll, wie es auf jedem Schiff immer einen Passagier gibt, der als Allererster New York entdeckt und die anderen Passagiere mobilisiert.

Unsere Einfahrt nach New York ist das Highlight der Reise. Bereits um 6 Uhr haben viele Reisende den Wecker gestellt, um die spannende Passage nicht zu verpassen.

Am Horizont werden im Dunkeln die ersten Lichter sichtbar, dann kommt über eine Stunde die Stadt immer näher. Wir fahren unter der Verrazzano-Narrows Bridge durch und erkennen im Morgenrot die Silhouette von Manhattan.

Links taucht eine Figur aus dem Morgengrauen ins Licht: Lady Liberty. Das Zeichen der Hoffnung und des Neubeginns für hunderttausende von Einwanderern.

Richtig magisch wird es, als die Sonne hinter Downtown Manhattan aufgeht. Zwischen den Wolkenkratzern blitzt sie kurz durch, dann erleuchtet sie immer mehr den Hudson River und die Skyline der Millionenstadt.

Das ist ganz großes Gefühlskino und auch mir bei rinnen Glückstränen über die Wangen. Gleichzeitig ist es auch ein Momentum Mori, mir wird die eigentliche Endlichkeit bewußt: Bedenkt, dass ihr sterben müsst, auf das ihr klug werdet.

Träume leben, solange es möglich ist

Sicher kennen Sie den Film “Das Beste kommt zum Schluss” mit Morgan Freemann und Jack Nickolson. Im Angesicht des nahenden Todes schreiben sie eine Liste mit den Dingen, die sie immer schon mal erleben wollten.

Ich frage mich, warum viele Menschen mit ihren Träumen warten, bis es zu spät ist. Mein Vater hat über Jahrzehnte davon geträumt, die Pyramiden von Gizeh zu sehen. Als ich alt genug war, habe ich ihn eingeladen: Komm, lass uns die Chance nutzen, gemeinsam nach Ägypten zu reisen. Doch er hat dankend abgelehnt.

Ich bin dankbar, dass ich die Chance hatte, einige meiner Lebensträume zu leben. Mir ist bewusst, dass 300 Crewmitglieder dafür sorgen, dass ich diese Reise erleben kann. Das ist ein Geschenk, für das ich von Herzen dankbar bin.

Phoenix lebt den Unterschied

Am Ende habe ich für mich noch einmal die Erfahrung dieser Reise über 24 Tage ausgewertet. War es richtig, ein kleines Schiff zu buchen statt einem Ozeanriesen?

Ich bin überrascht, dass viele Bekannte und Freunde nur die großen Schiffe von AIDA oder Mein Schiff kennen, die von zwei großen Tourismuskonzernen betrieben werden. Nur wenige wissen, dass es mit Phoenix eine kleine und feine Alternative gibt.

Vermutlich liegt dies daran, dass Phoenix Reisen kein Marketing betreibt. Es lebt von Empfehlungen der Gäste, die seit über 50 Jahren mit ihnen reisen.

Die Amadea wurde 1991 als Asuka in Japan gebaut und über die letzten Jahre ständig modernisiert. Sie ist ein klassisches Schiff, keine Spaßmaschine mit Casino und Achterbahn. Was mir besonders gut gefällt: Es gibt drei gemütliche Restaurants mit einem sehr guten Service und freier Platzwahl.

Ein Schiff, auf dem der Einzelne noch zählt

Das Essen wird von Sea Chefs zubereitet, die auch für das beste deutsche Schiff die MS Europa kochen. Doch das Entscheidende: Das Schiff ist klein genug, dass jeder Gast mit seinen Bedürfnissen gesehen wird: Als Mensch, als Reisender, als Persönlichkeit. Phoenix bekommt das nach meiner Beobachtung sehr gut hin.

Die Kreuzfahrtdirektorin begrüßt und verabschiedet jeden Gast persönlich, wenn es zum Landgang geht. Manchmal steht auch der Kapitän am Ende der Gangway und wechselt ein kurzes Wort mit den Passagieren.

Im Restaurant, in der Bar werde ich als Person wahrgenommen. Ich freue mich, wenn mich der Barkeeper mit Namen begrüßt und mich fragt, ob ich heute einen Espresso oder lieber ein Tonic Water ohne Eis mag. Er spricht mich mit Namen an, hat sich meine Vorlieben gemerkt und führt gerne auch einen persönlichen Plausch.

Sicher zwischen drei Hurricanes

Das merken auch die Passagiere, die zum allerersten Mal mit Phoenix reisen. Es sind diese Begegnungen von Mensch zu Mensch, die auf der Amadea ein Gefühl von Zuhause geben. Das macht nach meiner Beobachtung den gravierenden Unterschied zu einem Riesendampfer mit 4.000 Passagieren aus.

Beim Abendessen sitzen Ilona und ich neben dem Kapitän. Er berichtet von den drei Hurricanes, die während unserer Atlantik-Überquerung auf dem Ozean aktiv waren. Von diesen Stürmen haben wir nichts mitbekommen.

So stehe ich mit meiner Frau beim letzten Auslaufen dankbar an der Reeling. Wir spüren Wehmut und Abschied, während im Hafen eine achtköpfige Band mit Ukulelen zum Abschied spielt.