Wieviel Mut braucht es, dem Anpassungsdruck unserer Gesellschaft zu widerstehen? Wie stark beeinflusst uns die öffentliche Meinung, das Gespräch der Nachbarn? In meinem heutigen Beitrag ermutige ich Sie Ihre Einzigartigkeit zu leben.

Einzigartigkeit
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Was werden andere sagen?

In meiner Kindheit habe ich tausendfach einen Satz gehört: „Was werden die Leute sagen?“ Die vermutete Meinung hat viele kleine und große Entscheidung in meiner Heimat Baden-Württemberg geprägt: Die Farbe und die Größe des Autos. Die Wahl der Bekleidung. Was tragen Mädchen und Jungs?

Schließlich die berühmte Kehrwoche – die Liste ließe sich seitenlang fortsetzen. Die Summe der gesellschaftlichen Konventionen, die jede Kultur prägen, ungeschriebene Gesetze und formale Etikette-Regeln, die unsere Einzigartigkeit bremsen. Ich glaube, jeder von uns hat damit seine Erfahrungen gemacht.

Heute frage ich mich: Wieviel Macht hat die Meinung der anderen heute noch in meinem Leben? Sicherlich nicht mehr so viel wie in jungen Jahren. Dennoch habe ich auch heute noch einen feinen Seismografen, der deutlich anschlägt, wenn die Macht der Meinung versucht mich einzuschüchtern.

Einzigartigkeit: Wovor haben wir wirklich Angst?

Bei dem Schriftsteller Peter G. van Breeman habe ich ein passendes Zitat gefunden: „Die Angst, uns lächerlich zu machen, lähmt uns weit wirksamer als ein frontaler Angriff oder eine deutliche und heftige Kritik. Wie viel Gutes bleibt ungetan, weil wir Angst haben vor der Meinung der anderen!“

Meine Frau und ich machen uns sehr viele Gedanken, wie wir andere Menschen ermutigen können, ihren eigenen Weg zu finden. Sinnsucher und Sinnstifter nennen wir diese Persönlichkeiten. Mit ihnen nehmen wir uns drei Tage Zeit, um in einem geschützten Rahmen ihre bisherige Biografie anzuschauen und den roten Faden zu entdecken, der sich durch unterschiedliche Stationen zieht.

Ein wichtiger Punkt sind in diesem Workshop auch die Ängste, die jeden von uns umtreiben. Was hindert uns daran, einen neuen Weg einzuschlagen, unser Leben zu verändern? Ist es die Meinung der anderen oder die Angst zu scheitern? Für uns ist das ein ganz zentraler Punkt, um einer diffusen Unzufriedenheit auf die Spur zu kommen. Ich merke, dass diese Unzufriedenheit in den letzten Monaten stark zugenommen hat.

Navigation ist eine Suche nach Wahrheit

Der Flieger Guy Murchi hat bereits 1954 in seinem Buch “Song of the Sky” einen wichtigen Satz formuliert: “Navigation ist die Suche nach Wahrheit.” Das klingt vielleicht etwas abstrakt, aber mir gefällt dieser Satz. Jeder von uns, der in einer fremden Stadt unterwegs war, weiß dass für unseren Orientierungssinn ein Plan ausgesprochen hilfreich sein kann.

Im Stadtplan sind die Straßen und Gebäude eingetragen, das sind “geografische Wahrheiten”. Auch auf unserer “Landkarte des Lebens”, die wir mit den Workshop Teilnehmern zeichnen geht es um diese biografischen Wahrheiten. Wo waren die Höhen und Täler, wo sind wir in Sackgassen geraten?

Um im diesem starken gesellschaftlichen Wandel, den wir momentan erleben, die Orientierung zu bewahren, müssen wir navigieren können. Wir brauchen ein Ziel, egal wie stark der Nebel erscheint. Wir brauchen Zugang zu unseren eigenen Fähigkeiten und eine gesunde Unabhängigkeit vom Geschwätz der anderen Leute.

Mit 60 Jahren noch eine Schule in Uganda gründen

So wie Maria Prean. Kürzlich habe ich in der ARD Mediathek ein Interview mit ihr gesehen. Die Österreicherin hat mit 60 Jahren ihr zweites Lebenswerk gegründet: Eine Schule in Uganda. Ich bewundere ihren Mut, in einer Lebensphase, in der viele Menschen bereits an den Ruhestand denken, neu anzufangen.

Maria Prean hat die Bedenken ihrer Freunde ignoriert und mit einer großen Portion Gottvertrauen in Afrika neu angefangen. Mittlerweile ist sie 82 Jahre alt und freut sich, dass ihre Hilfsorganisation Vision for Africa 1.300 Kindern ausbilden konnte. In diesen 22 Jahren hat sie etliche Krisen durchlebt und mit Widerständen gekämpft, aber sie hat durchgehalten.

Ich mache Ihnen Mut, einen halben Tag innezuhalten, um eine Standortbestimmung zu machen. Lassen Sie sich von Vorbildern inspirieren, die wie Maria Prean ihren eigenen Weg gehen. Suchen Sie sich eigene Beispiele und überlegen Sie, wie ihr Leben in diesem Herbst und im kommenden Jahr 2022 weitergeht. Was wollen Sie konkret verändern?

Meine Frau und ich machen dies selbst auch regelmäßig. Wir werden in Kürze eine Woche ins Tessin fahren, um über unsere eigene Zukunft nachzudenken. In einem abgelegenen Bergdorf, das nur mit Seilbahn erreichbar ist, werden wir in Klausur gehen, um diese Klarheit für unser eigenes Leben zu entwickeln.

Leben Sie Ihre Einzigartigkeit

Ihr Rainer Wälde