Für viele Führungskräfte im Mittelstand ist Pressearbeit eine exotische Erfahrung, wie ein seltener Cocktail, der im Urlaub auf einer fernen Insel getrunken wird. Als langjähriger Journalist für Print, Radio, Fernsehen und Online-Medien stelle ich Ihnen in diesem Beitrag die Chancen für erfolgreiche Pressearbeit vor.

erfolgreiche Pressearbeit

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Suchen Sie aktiv das Gespräch mit den Medien

Bei meiner Beratung von Selbständigen und Unternehmern frage ich immer: Was sagen die Medien über Sie? Meist ernte ich dann ein Stirnrunzeln oder ein Schulterzucken: Gar nichts! Ich bin überrascht, wie selten meine Kunden aus dem Mittelstand die Kraft der medialen Reichweite nutzen.

Zu Beginn eine kurze Begriffsklärung: Erfolgreiche Pressearbeit wird in aktiv und passiv unterschieden: Bei passiver Pressearbeit reagiere ich als Unternehmer auf Anfragen, die auf mich zukommen, bei aktiver Medienarbeit entwickle ich einen strategischen Plan, den ich auch aktiv umsetze.

Falls Sie als Experte in Ihrer Branche bereits eine klare Positionierung haben, kann es sein, dass Sie mit Interviewanfragen überhäuft werden, ohne dafür etwas zu tun. Als Knigge-Experte habe ich dies viele Jahre erlebt. Doch falls Sie mit Ihren Angeboten noch wenig bekannt sind, sollten Sie aktiv den Kontakt mit den Medien suchen.

Was ist der Nutzen für die Leser

Die zwei wichtigsten Fragen, bevor Sie in die erfolgreiche Pressearbeit einsteigen: Welche Medien nutzt Ihre Zielgruppe? Im B2B sind es meist Fachzeitschriften, die für Ihre Branche relevant sind, im B2C kann es der gesamte Medienmix von regionaler Tageszeitung bis landesweitem Radio oder bundesweitem Fernsehen sein.

Frage zwei: Gibt es ein Informationsbedürfnis? Das klingt etwas gestelzt, meint aber ganz einfach: Was ist der Nutzen für den Leser, Hörer oder Zuschauer? Ein aktuelles Beispiel: Vor zwei Tagen hat mich ein langjähriger Freund angerufen: Er ist Pfarrer in Niedersachsen, seine Predigten sind so gut, dass sich die Zahl der Gottesdienstbesucher von 130 auf 320 mehr als verdoppelt hat.

Wäre das schon ein Nutzen für den Zeitungsleser? Wohl kaum. Doch nun wird die Kirche zu klein: Mein Freund hält sonntags zwei Gottesdienste, damit alle einen Platz finden. Aus diesem Grund kauft die Gemeinde das Brauhaus mitten in der Stadt: Das ist die Meldung, die medial die Runde macht: “Brauhaus wird zur Kirche”

Am Dienstag war es die Meldung auf der Titelseite mit einer großen Geschichte im Lokalteil, am gleichen Tag rief das Antenne Niedersachsen an. Die Story hat Potential, auch in den Abendnachrichten des NDR Fernsehens zu erscheinen. Natürlich gehen die Wellen hoch und manche halten dies für einen Aprilscherz.

Erfolgreiche Pressearbeit mit einem Waschzettel

Sie haben richtig gelesen: “Waschzettel” ist im Journalistendeutsch eine kurze Darstellung Ihres Unternehmens: Wann wurde die Firma von wem gegründet? Wieviele Mitarbeiter beschäftigen Sie? Was sind die wichtigsten Angebote? Den Waschzettel sollten Sie vor jedem Interview auf einer DIN A4 Seite parat haben, mit allen Fakten, die Ihnen als KMU wichtig sind.

Der große Vorteil aus Journalistensicht: Beim Schreiben des Artikels kann der Reporter schnell die wichtigsten Namen, Zahlen und Fakten vom Waschzettel abschreiben. Gleichzeitig sieht er, was Ihnen als Unternehmen wichtig ist.

Noch ein wichtiger Hinweis: Ein Waschzettel ist KEINE Pressemitteilung. Sie müssen nicht selbst einen Artikel vorlegen. Das wäre aus meiner Sicht sogar kontraproduktiv. Nur die wenigsten Journalisten haben Lust einen fertigen PR-Text zu übernehmen, wenn sie für ein Interview erscheinen. Konzentrieren Sie sich beim Waschzettel auf die Fakten, mehr nicht.

Bleiben Sie souverän – auch im Interview

Etliche Unternehmer sind unsicher, wenn sich die Presse ankündigt. Meine Empfehlung: Begegnen Sie dem Journalisten wie einem Geschäftskunden, professionell und wertschätzend. Überlegen Sie sich im Vorfeld drei Punkte, die Ihnen wichtig sind und die Sie im Interview ansprechen möchten. Denken Sie dabei an den Nutzen für den Leser, sein “Informationsbedürfnis”.

Beachten Sie die Tagesaktualität und die begrenzte Zeit des Journalisten. Viele Interviews sind in 30 bis 45 Minuten abgeschlossen – mehr Stoff benötigt ein Redakteur nicht, um die notwendigen Informationen für seinen Artikel zu sammeln.

Falls im Zeitungsbericht einige wörtliche Zitate von Ihnen erscheinen sollen, haben Sie das Recht, diese auch zu autorisieren. Bitten Sie den Journalisten freundlich, Ihnen diese Zitate vorab kurz per Mail zukommen zu lassen. Wichtig: Fragen Sie nicht, ob Sie den Artikel vor der Veröffentlichung lesen dürfen. Das ist unüblich und kommt bei Journalisten nicht gut an. Mitunter “verlangen” Unternehmer auch, dass sie den Text freigeben wollen. Darauf haben sie keinen Anspruch.

Denken Sie frühzeitig an Fotos

Zu jedem Artikel gehört auch ein Aufmacherfoto, das den Beitrag illustriert. In Lokalredaktionen “schießt” der Reporter das Bild meist direkt nach dem Interview. Überlegen Sie sich im Vorfeld, wo das Foto am Besten aufgenommen wird. Hier können Sie durchaus Vorschläge machen. Ziehen Sie für diesen Anlass auch die passende Businessgarderobe an, mit der Sie in der Zeitung erscheinen wollen.

Bei überregionalen Medien, die meist nur telefonisch Interviews machen, ist es üblich, von Ihnen ein Pressefoto anzufordern. Mein Tipp: Lassen Sie sich bei nächster Gelegenheit von einem Profifotografen in Ihrem Arbeitsumfeld fotografieren. Eine Serie mit guten Pressefotos in unterschiedlicher Garderobe ist Gold wert und kann über vier bis fünf Jahre mehrfach genutzt werden.

Presse-Button im Menü signalisiert Offenheit

Gerne möchte ich Sie noch auf die erfolgreiche Pressearbeit hinweisen, die Sie als Selbständiger aufbauen können: Legen Sie über einen eigenen Blog dauerhafte Spuren bei google. Nutzen Sie Keywords und optimieren Sie den Beitrag für SEO, damit Kunden und auch Medien Sie als Experten finden. Formulieren Sie am Ende des Blogs einen Hinweis auf Ihre eigene Expertise.

Jedem mittelständischen Betrieb empfehle ich, auch im Menü den Button “Presse” einzubauen. Auf dieser Seite veröffentlichen Sie die kurzen Fakten von Ihrem “Waschzettel” mit dem freundlichen Hinweis: “Für Interviews und Presseanfragen steht Ihnen gerne XY zur Verfügung”.

Selbstverständlich können Sie auch einen Pressespiegel mit den bereits erschienen Medienberichten online stellen und auf die jeweiligen Publikationen verlinken. Über die Jahre wächst mit jedem Bericht Ihre Reputation und stärkt damit auch Ihre Marke.

Setzen Sie sich strategische Ziele

Bevor Sie mit der Pressearbeit starten, sollten Sie sich konkrete Ziele setzen. Was sind die Anlässe, die für Medien interessant sind? Dazu drei aktuelle Beispiele:

Meine Frau und ich starten im April eine neue Ausbildung zum “Zertifizierten Waldbademeister”. Dieses Angebot richtet sich an mittelständische Unternehmen, die sich in der Gesundheitsvorsorge für ihre Mitarbeiter engagieren. Auf diesem Hintergrund kontaktieren wir relevante Medien, um den Trend des Waldbadens vorzustellen: Mit drei Anrufen haben wir bereits die ersten Berichte initiiert.

Am 4. April kommt der Hollywood Autor Paul Young aus Kanada auf den Gutshof, von ihm stammt der weltweite Bestseller “Die Hütte” der 23 Millionen mal verkauft und auch verfilmt wurde. Auch das ist für die Presse interessant.

Im September feiern wir das 25jährige Jubiläum unserer Akademie – auch dazu werden wir aktive Pressearbeit machen und regionale und überregionale Medien einladen. Unser strategisches Ziel für 2019: Wir wollen als Unternehmen bundesweit noch mehr bekannt werden und die Reputation steigern.

Sie merken schon: Anlässe für erfolgreiche Pressearbeit gibt es in jedem Unternehmen genug. Nehmen Sie sich die Zeit, um konkrete strategische Ziele zu formulieren und diese auch umzusetzen. Lassen Sie sich von Absagen nicht entmutigen. Nicht immer finden Sie mit einem guten Thema auf Anhieb auch das passende Medium. Für erfolgreiche Pressearbeit kommt es nicht auf den schnellen Erfolg sondern auf Ihre Beharrlichkeit und die dauerhaften Spuren an, die über jeden Bericht zu Ihrem Unternehmen führen.

Rainer Wälde
Rainer Wälde

ist Journalist, Berater und Filmemacher.
Er zeigt Selbständigen und Führungskräften, wie sie mit einem Unternehmerblog
die passenden Fachkräfte finden und Ihre Wunschkunden bei Google erreichen.