Gestern hat sie zum ersten Mal reagiert, aber da war es schon zu spät. Erhöhtes Risiko – vor einer Woche. Als ob mir die Corona Warn-App jetzt noch helfen würde! Seit Sonntag liege ich im Bett. Alleine nach 21 Jahren. Meine Frau schläft vorsichtshalber im Gästezimmer.

Corona Kreativität
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Kreativer Luxus: Niemand will was von mir

Nach einer fiebrigen Nacht und dem Drama eines Männerschnupfens entdecke ich in dieser Woche die positiven Seiten von Corona. Die siebentägige Isolation beschwert mir einen wundersamen Luxus: Unverplante Zeit, berufliche Freiheit, niemand will etwas von mir.

Auf dem Boden sammeln sich die zerknautschten Taschentücher, doch seelisch bin ich in Top-Form. Die Quarantäne löst bei mir keine Depression, sondern ganz im Gegenteil – einen kreativen Kick – aus.

Der kreative Luxus beginnt bereits um 7.30 Uhr, wenn die beste Ehefrau von allen, mit einem türkisfarbenen Mundschutz das Frühstück auf einem Tablett serviert. Ich liebe diesen Rollentauch – sonst ist dies mein Job.

Im Bett liegt neben mir ein grünes Notizbuch. Darin versuche ich alle Ideen festzuhalten, die mir in der unfreiwilligen Isolation kommen. Und ich bin ganz erstaunt, wie vielfältig die kreative Quelle in meinem Inneren sprudelt. Sie fördert ein Fülle von neuen Impulsen und Gedanken ans Licht.

Showdown um 12 Uhr Mittags?

Musterunterbrechung nennen Psychologen dieses Phänomen, wenn uns ein Ereignis aus dem gewohnten Trott holt. So wie vor der Tür meiner Hausärztin. 12 Bürger bilden eine soziale Wartegemeinschaft.

Die ärztliche Schweigepflicht scheint aufgehoben. Wer kurz vor Mittag, um 12 Uhr einbestellt wird, weiß was die Stunde für ihn und jeden in der Runde geschlagen hat. Doch es gibt kein High Noon. Keinen dramatischen Showdown.

Die Meisten wirken gut gelaunt: „Der halbe Ort scheint hier zu sein“ ruft eine Nachbarin. „Ein bissi Schnupfen, mir geht’s gut“, ruft der ältere Herr zurück. Dann begrüßt mich eine flotte Mittvierzigerin in einem rosafarbenen Ganzkörper-Anzug und führt mich ins Behandlungszimmer

„Jetzt gehöre ich auch zum Club!“ Die Ärztin nickt. Am offenen Fenster bereitet sie den Racheabstrich vor. Ich sammle innerlich schon neue Ideen für meinen nächsten Krimi. Als der Nachrichtensprecher im ZDF ein neuer Anstieg der Inzidenz verkündigen, stellt sich bei mir ein befriedigendes Gefühl ein: Jetzt kann ich mitreden. Seit heute gehöre ich auch dazu.

Ein großer Wehmutstropfen

Leider gibt es auch einen gravierenden Wehmutstropfen. Ich freue mich seit Monaten auf die Meisterklasse für Fernsehautoren, in die ich Anfang des Jahres aufgenommen wurde. Sie beginnt heute Abend in einem kleinen Ort in Brandenburg.

Im Geiste sehe ich mich in Lüdersdorf im Kreis mit anderen Autoren sitzen, die ihre besten Drehbuch-Stoffe für das Abendprogramm bei ARD und ZDF weiter entwickeln wollen. Doch Corona verhindert, dass ich gemeinsam mit meinen Kollegen am Lagerfeuer über Timo von Sternberg diskutiere.

Umso glücklicher bin ich, dass ich meinen Platz kurzfristig einer langjährigen Freundin schenken konnte, die momentan eine Serie für Netflix entwickelt. Sie hatte spontan Zeit und wird ab heute in Brandenburg ihren Stoff weiterbringen. So wandelt sich meine Wehmut in das Glück eines anderen und ich kann mich aus der Ferne mitfreuen.

Meine persönliche Lernkurve

Bei allem Humor in meiner Situation denke ich an das Auf und Ab der letzten Jahre, das Leid von Millionen von Menschen. Ich selbst bin dankbar für die Möglichkeit der Impfungen und meinen milden Verlauf. Gleichzeitig denke ich an die multiplen Ängste, die mitunter schlimmer als das Virus schienen und einen offenen Diskurs verhindert haben.

Ein zweiter Punkt: Meine Frau, die mit mir stundenlang im Auto eines Corona-positiven Fahrers saß, der selbst nicht davon wusste: Sie ist bis heute gesund. Anscheinend hat das aktive Waldbaden über drei Jahre ihr Immunsystem so stark geboostert, dass es das Virus locker abgewehrt hat.

Ich denke, wir sollten am Ende der Pandemie nochmals alle Karten offen legen und auch die unterschiedlichen Maßnahmen neu bewerten. Einen runden Tisch gründen mit Politikern und Bürgern, Ärzten und Patienten. Die unterschiedlichen Erfahrungen teilen. Das wäre nach meiner Einschätzung ein guter Neuanfang für eine konstruktive Debattenkultur in unserem Land.