In Amerika entsteht derzeit ein neues Berufsbild: Foto Kurator heißt der neue Spezialist. Er hilft seinen Kunden die Flut von tausenden von Handy-Fotos professionell zu ordnen. Gleichzeitig leistet der Foto Kurator einen wichtigen Beitrag für die Öko-Bilanz.

90 Prozent sollten gelöscht werden

Zu den Pionieren dieses neuen Angebotes zählt Isabelle Dervaux. Sie stammt aus Frankreich und lebt in New York. Auf ihrer Webseite nennt sie sich Photo Organizer und Visual Storyteller. Für 125 Dollar pro Stunde hilft sie ihren Kunden das Chaos auf ihren Festplatten zu sortieren.

Isabelle Dervaux schätzt, dass eine typische Familie in den USA jährlich 5.000 Fotos aufnimmt. Der größte Fehler, den sie als Foto Kurator benennt: Alles wird auf dem Handy oder in der Cloud gespeichert, obwohl nach ihrer Ansicht 90 Prozent gelöscht werden sollten.

Die Tageszeitung “Die Welt” berichtet diese Woche über einer Untersuchung einer Marktforschungsfirma in Boston: “Dieses Jahr dürfte die Menschheit 1,5 Billionen Bilder aufnehmen, 90 Prozent mit dem Smartphone.”

Wenn das Wichtigste im digitalen Heuhaufen verschwindet

Als Foto Kurator kritisiert Isabelle Dervaux, dass viele wichtige Erlebnisse des eigenen Lebens in einem “digitalen Heuhaufen” verschwinden. Das Hauptproblem: Auf dem Handy werden nicht nur die Urlaubsbilder gespeichert, sondern Tankbelege, Parkscheine, Rezepte und fremde WhatsApp-Illustrationen.

Um das Chaos zu sortieren, bietet sie neben dem persönlichen Service auch einen Kurs an, der 2.985 Dollar kostet. Der Kunde lernt, gute Bilder auszuwählen und den großen Rest zu löschen. Da die Nachfrage sehr groß ist, gibt es in den USA bereits einen Berufsverband mit 700 Foto Kuratoren.

Isabelle Dervaux ist gerade eine gefragte Interviewpartnerin. Weltweit berichten große Leitmedien von New York Times bis BBC über ihre Bemühungen. In eine Interview mit der “Welt” erzählt die 60jährige, das ihre schwierigste Klientel die Eltern sind. Sie hätten große Mühe, sich von den Babyfotos zu trennen, die häufig dieselbe Szene aus 30 Perspektiven zeige. “Ich sage ihnen dann: Wer auf die Löschtaste drückt, bringt damit nicht sein Baby um.”

Screenshot: Isabelle Dervaux.com

Von jedem Jahr nur 200 Bilder behalten

Als Foto Kurator arbeitet Isabelle Dervaux nicht nur am Computer. Wenn es sein muss, steigt sie auch auf den Dachboden oder in den Keller ihrer Kunden. So wie bei einer Dame, die ihr den Auftrag gab, 40.000 Papierfotos zu selektieren.

Ähnlich wie Marie Kondo, die japanische Aufräum-Expertin, stellt sie drei Fragen:

1. Vermittelt das Bild eine Emotion?

2. Wird eine wichtige Erinnerung abgebildet?

3. Ist das Motiv schön?

Alles was unscharf, zu hell, zu dunkel sei – so Isabelle Dervaux – wird vernichtet oder gelöscht. Sie betont: “Foto-Hygiene fühlt sich befreiende an. Bilder katapultieren uns in die Vergangenheit. Wer zu viele hat, droht die Gegenwart zu verpassen.” Deshalb hat sie sich selbst entschieden, von jedem Lebensjahr maximal 200 Bilder zu behalten.

Die Fotocloud verursacht große Emissionen

Zum Schluß noch ein Thema, das in den Medien wenig Beachtung findet. Die Rechenzentren. die weltweit auch die Fotocloud hosten, benötigen zur Kühlung sehr viel Wasser. Laut Schätzung von IT-Experten 10 bis 20 Millionen Liter pro Tag. Hinzu kommt die hohe Menge an Kohlenstoffdioxid, wie “Die Welt” berichtet.

In London hat die “Institution of Engineering and Technology” letztes Jahr eine ernüchternde Rechnung aufgemacht. Danach verursachen die Fotos, die allein in Großbritanien jährlich aufgenommen werden “so viele Emissionen wie 112.500 Flüge von England nach Australien.”

Ich persönlich finde den Ansatz von Isabelle Dervaux sehr spannend. Ob sich der neue Beruf des Foto Kurators auch in Deutschland etablieren wird, bleibt abzuwarten. In jedem Fall hat mich die visuelle Geschichtenerzählerin ermutigt, mich aktiv von überflüssigen Bilder zu trennen. Damit gewinnen die wichtigen Momente des Lebens eine höhere Aufmerksamkeit.