Viele rufen in der Krise nach staatlicher Hilfe. Doch nach meiner Wahrnehmung sind es kleine Gesten, Menschen in der Nachbarschaft, die mit ihrer Hilfe den Unterschied machen. Sie sind meine Menschen des Jahres, die ich Ihnen heute vorstellen möchte.

Ulrike Pauli (links) vor der Buchhandlung von Sigrid Gatter. Foto: Stephan Rumpf

Eine Geste, die zu Tränen rührt

Sigrid Gatter führt in München eine kleine Buchhandlung, 60 Quadratmeter, drei Mitarbeiter, 1.300 Euro Miete. Bereits beim ersten Lockdown im letzten Frühjahr hatte sie Angst, ob sie ihren Buchladen überhaupt halten kann. Die Familie springt ein: Die Tochter nimmt telefonisch Bestellungen auf, eine Kollegin bringt die Bestellungen mit dem Rad zu den Kunden.

Wer will kann seine bestellten Bücher auf Vertrauensbasis im benachbarten Bioladen oder beim Bäcker selbst aus einer Kiste mitnehmen. Mich begeistert diese Kreativität, die auch in der Süddeutschen Zeitung und im Zeit Magazin gewürdigt wird.

Dann ruft eine Frau bei ihr an, an einem Freitagabend – Sigrid Gatter kennt sie nur vom Sehen. Sie ist Lehrerin und bietet an, eine Monatsmiete für den Laden zu überweisen. Die Buchhändlerin ist zu Tränen gerührt. 1.300 Euro Miete – was für eine Hilfe! Doch das wichtigste Signal, so Sigrid Gatter, war die Botschaft: Ich lasse dich nicht allein, ich helfe dir.

Ich lasse dich nicht allein

Die solidarische Lehrerin heißt Ulrike Pauli und hat eine kleine Webseite gestartet. https://www.helfer-in-der-krise.de. Damit will sie kleine Läden und Unterstützer vernetzen. In den letzten Monaten konnte sie bereits etlichen Geschäften helfen.

Diese Hilfe haben meine Frau und ich auch selbst mehrfach in dieser schwierigen Corona-Zeit erlebt. Eine Kundin, die wusste, dass wir auch als Gutshof Akademie unter dem Lockdown leiden, hat uns kurz vor Weihnachten die gesamte Seminargebühr überwiesen, obwohl das Seminar erst im April stattfindet. Andere buchen ein Seminar, um uns zu unterstützen. Für uns ein wichtiges Zeichen der Solidarität, der Verbundenheit. Sie sind ganz überrascht, als ich mich persönlich bei ihnen bedankte.

Es sind die kleinen und großen Gesten, die in der Krise gerade Selbständige ermutigen und mitunter auch davon abhalten, ihre Berufung aufzugeben. Das betrifft zehntausende von Künstlern, die häufig durch das Raster der staatlichen Corona-Hilfen fallen. Ihre Auftritte wurden abgesagt, doch wer ermutigt sie, dran zu bleiben und durchzuhalten?

Unbürokratische Hilfe für Künstler

Ein langjähriger Freund, Journalist und Musiker Christoph Zehendner hat das schmerzvoll im letzten Jahr erfahren. Gemeinsam mit den beiden Künstler-Kollegen Peter Neubauer und Volker Schmidt-Bäumler hat er eine private Initiative gestartet: Künstler unterstützen.

Die drei haben in den letzten Monaten rund 65.000 Euro gesammelt, das sie diskret und unbürokratisch direkt an Künstler in Not weitergeben. Mit jedem Einzelnen führen sie ein Telefonat, um die Situation besser einschätzen zu können und zahlen dann direkt die Unterstützung aus. Ich finde dies zwei wunderbare Initiative, die noch mehr Förderer gebrauchen können.