In der Provence blüht scheinbar kilometerlang der Lavendel und zieht Scharen von Instagram-Jüngern an, die sich mit dem Hashtag #lavenderfields möglichst viele Likes erhoffen. Die Kehrseite der Medaille: Platt getrampelte Felder und genervte Bauern, die Angst um Ihre Arbeitsgrundlage haben.

Foto: Shutterstock

Die neuen Pilgerstätten von Social Media

Szenenwechsel: Eine Farm mit Sonnenblumen in Kanada. Im letzten Sommer sind es ein paar Instagram-Nutzer, die sich an den herrlichen Blüten erfreuen. Familie Bogle freut sich über das Interesse und nimmt Eintritt für die Fotos.

Was folgt ist ein Massenansturm, der sich für die Farmer zum Albtraum entwickelt: An einem Tag umstellen 7.000 Autos die Felder. Die Familie zieht die Notbremse und sperrt in diesem Jahr ihre Farm komplett.

Wenn die Natur zur Dekoration wird

Kritisch hinterfragt “Die Welt” diesen Trend: “Die Natur wird zur bloßen Dekoration degradiert – und dabei rücksichtslos missbraucht. Die Felder gehören jemand anderem? Egal. Die Pflanzen überleben die trampelnden Besucher nicht? Kann man nichts machen. Der Bauer lebt von der Blütenernte? Wurscht.”

In Island hat die Umweltbehörde die Reißleine gezogen und eine Schlucht gesperrt. die nach einem Videodreh von Justin Bieber (490 Millionen Klicks) von Hunderttausenden von Besuchern überrannt wurde. Auch hier wurde die Vegetation rücksichtslos platt getrampelt.

Ist der Ort auch “instagramable”?

Die Reiseveranstalter haben den Trend bereits erkannt, wie eine Umfrage des Reiseportals Opodo zeigt: 31 Prozent geben an, dass es Kriterium bei der Reisewahl ist, ob der Ort auch “instagramable” ist.

Eine neue Generation von Reisenden inszeniert sich am liebsten mit stylischen Selfies an außergewöhnlichen Orten. Das gibt besonders viele Likes.

Befreundete Eltern berichten mir von ihren Urlaubserfahrungen mit Generation Instagram: Sohn und Tochter drängen auf Touren, die sich in den Netzwerken soziale Anerkennung versprechen. Wenn es soweit ist, müssen Papa und Mama als Fotografen ran, um die Kids in Szene zu setzen.

Der Hashtag als neues Reiseziel

“Früher sind die Menschen in die Kirche gegangen, um gesehen zu werden”, betont der Psychologe Tobias Dienlin im Gespräch mit “Die Welt”. Nach meiner Beobachtung stehen sie heute vor der Kirche und posieren für ein Selfie. Vorausgesetzt sie ist so aufregend wie die Sagrada Familie in Barcelona.

Dienlin empfiehlt “Man könnte ja auch die eigene Umgebung erkunden und dort kreative Bilder machen.” Oder man wandert an Orte, die für Influencer schwer zu erreichen sind.

Mein Tipp:

Echte Geheimtipps am Besten für sich behalten und gar nicht posten. Oder in einer persönlichen Nachricht nur mit der Familie und engen Freunden teilen. Dann bleiben sie auch künftig geschützt und wie das Wort schon sagt, ein “Geheimtipp”.