Mancher Selbständige und Unternehmer ist unsicher, wenn die Presse anruft. Wieviel soll ich sagen? Was werden die wohl bringen? Die Unsicherheit ist mitunter so groß, dass Presse-Anfragen direkt abgelehnt werden: Keine Zeit! Doch mancher verspielt damit auch die Chance seine Reputation zu stärken.

Presse Anfragen
Foto: shuterstock

Neue Stoffe werden täglich gesucht

Seit sechs Jahren wohne ich in Nordhessen und erlebe immer wieder Unternehmer, die sich vor Presseanfragen nicht retten können. Ein Mittelständler aus unserem Landkreis erzählte mir letzte Woche, dass er durchschnittlich zwei Interview-Anfragen pro Woche erhält. Andere dagegen berichten, dass sie von den Medien überhaupt nicht beachtet werden. Sie wären froh, wenn mal jemand über ihren Beitrag schreiben würde. Woran liegt diese große Diskrepanz?

Im persönlichen Gespräch nutze ich gerne das Bild vom Wollmarkt in Shiring – vielleicht kennen Sie die Szene aus dem Roman “Säulen der Erde” Aliena verarbeitet ihre Wolle zu Tuch und bietet sie auf dem Markt an. Auch das Medienbusiness funktioniert nach meiner Beobachtung aus 45 Berufsjahren wie ein Wochenmarkt. Auf der einen Seite gibt es die Händler, die ihre Geschichten anbieten, auf der anderen Seite die Journalisten, die nach interessanten “Stoffen” suchen.

Jedes Medium – ob Regionalzeitung, Radio, TV oder Online – braucht täglich neuen Stoff, neue Ideen für gute Geschichten. Wie beim Wochenmarkt gibt es saisonale Themen, die von den Jahreszeiten, vorgegeben werden. Zudem gibt es auch genügend Bedarf an unternehmerischen Themen, an biografischen Stoffen – sofern sie für die Leser relevant aufbereitet werden.

Entscheidend ist nach meiner Beobachtung, ob ich die Medien willkommen heiße: Mit einem “Presse” Button in der Navigation, mit einem Ansprechpartner für Presseanfragen und einem Pressespiegel, in dem die letzten Berichte aufgelistet sind. Dies signalisiert den Medien: Sie haben Erfahrung mit der Presse und sind offen für Interviews.

Was ist der Mehrwert für den Leser?

Die Frage, die ich jedem Selbständigen, jedem Unternehmer, der sich nach medialem Echo sehnt, stelle: Welche Geschichte sind spannend genug, um Sie öffentlich zu erzählen? Wo liegt der Mehrwert für den Leser? Viele denken zuerst an Erfolgsgeschichten: An große Projekte und Auszeichnungen. Doch deutlich spannender sind Krisen und Misserfolge.

Vielleicht haben Sie am Freitag die Talkshow “3 nach 9” im NDR Fernsehen gesehen. Alle möglichen Gäste wurden interviewt. Die Prominenten waren dort, um ihr neues Buch, ihren neuen Film zu präsentieren. So auch Doris Dörrie, die gerade ihren Kinofilm “Freibad” promotet. Im Gespräch mit Bully Herbig ging es um Storytelling und Humor in Zeiten der politischen Korrektheit “Die Comedy Polizei ist so streng geworden.”

Herbig meinte, dass er seinen Erfolgsfilm “Der Schuh des Mannitou” heute nicht mehr machen könnte – zuviel Fettnäpfchen, er fühle nicht mehr die Freiheit zum unbeschwerten Blödsinn. Dörrie dagegen meinte, dies würde nach wie vor gehen.

Geschichten mit Krisen und Tiefgang

Dann wurden zwei Unternehmer interviewt: die beiden Gründer von “Ankerkraut”. Ihre Geschichte hangelte von einer Krise zur nächsten. Gebannt verfolgte das Publikum im Studio und auch am Bildschirm dieses Gespräch, weil es so authentisch und ehrlich lief. Doris Dörrie kommentierte es ebenfalls: Sie sei von Erfolgsgeschichten mehr als gelangweilt. Interessant seinen für sie vor allem Geschichten mit Krisen und Tiefgang.

Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich dies nur bestätigen: Haben Sie keine Angst vor Presseanfragen – auch nicht vor kritischen. Im Gegenteil haben Sie den Mut, offen über Krisen zu kommunizieren. Natürlich ist dies deutlich einfacher, wenn die Krise bereits bewältigt ist. Versuchen Sie Ihr eigenes Scheitern, die offensichtlichen Misserfolge nicht glatt zu bügeln. Die größte Sympathie der Leser und Zuschauer gewinnen Sie dann, wenn Sie offen und ehrlich dazu stehen.

Natürlich freut sich das Publikum mit, wenn die Geschichte “gut” ausgeht: Weil Sie aus der Krise etwas Entscheidendes für Ihr eigenes Leben gelernt haben. Oder weil der Misserfolg eine wichtige Lernkurve war, um den Kurs zu ändern. Auch ein offenes Ende kann für den Leser interessant sein: “Ich habe noch keinen Plan, weiß nicht wie es weitergeht – aber ich gebe nicht auf!”

Wie Musik hilft das Stottern zu überwinden

Heute Morgen bin ich zufällig auf den Musiker Albrecht Mayer gestoßen. Er spielt seit 1992 als Solo-Oboist bei den Berliner Philharmonikern. Was ich bislang nicht wusste: Mayer wurde als Kind gehänsselt und belacht, weil er stotterte. Sein Vater legte ihm beim Mittagessen eine Oboe auf den Tisch – zwischen Kraut und Knödeln. Er forderte ihn auf, Musik-Unterricht zu nehmen.

Das war keine Bitte, keine freundliche Empfehlung sondern eine klare Ansage im Befehltston. Mayer folgt der Anweisung und fing an zu üben. Dann machte er die Erfahrung: “Mein Üben hatte sich verselbstständigt. Mein Zwerchfell, mein ganzer Körper, mein Herz, einfach alles vibrierte. Und alle konnten es hören.”

Sie ahnen schon, dieser “Stoff” hat Potential: Ein Junge, der stottert, ein autoritärer Vater und eine Heldenreise, die berührt. Diese Geschichte lässt sich in allen Medien erzählen: Als Interview, podcast oder Zeitungsartikel.

Auf diesem Hintergrund mache ich Ihnen Mut: Lassen Sie Ihre besten Lebens-Geschichten nicht brach liegen. Nutzen Sie Interview-Anfragen, um Ihre Erfahrungen mit anderen zu teilen. Falls Sie derzeit keine Anfragen haben: Starten Sie selbst mit aktiver Pressearbeit und bieten Sie Ihre Geschichte wie Wolle auf dem Markt von Shiring an.