Mit der Kreativität ist es wie mit der Nordsee: Mal herrscht Ebbe, dann wieder Flut. Die spannende Frage: Wie kann man in diesem natürlichen Rhythmus neue Ideen gewinnen und Kreativität trainieren?

Kreativität trainieren
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Wie begegne ich meiner kreativen Ebbe?

Seit fünf Wochen schreibe ich an meinem neuen Roman. Deshalb blogge ich momentan nur sporadisch, weil meine Kreativität derzeit ganz auf das Buch und die neue Geschichte ausgerichtet ist. Wenn die Flut eine Idee nach der anderen ans Land spült, bin ich im Flow. Doch diese Woche herrschte an einem Tag absolute Ebbe.

Ich hatte mich beim Schreiben in eine kreative Sackgasse manövriert und kam einfach nicht weiter. Mein Held saß Freitagabends in einer fremden Stadt trübsinnig am Fluss und wusste nicht, was er mit dem angefangenen Abend machen sollte. Auch ich als Autor steckte fest. Kreative Ebbe im Kopf.

Für solche Situationen führe ich ein besonderes Notizbuch, es ist A5 groß in einem hoffnungsvollen Grün. Es liegt immer auf meinem Schreibtisch: Wenn ich einen Geistesblitz habe, schreibe ich diese Idee nach Möglichkeit sofort hinein. Ich muss zugegeben, dieses Buch hat mich schon bei vielen Flauten gerettet. Beim Durchblättern kommt mein Kreativität meist wieder in Schwung.

Wenn ein kreativer Freeze passiert

Sehr hilfreich sind auch Zeitschriften, die ich im Wohnzimmer und meinem Büro an zwei Plätzen sammle. Eine bunte Mischung aus Reise, Wohnen und Businessmagazinen. Das Alter der Hefte ist egal. Denn schon das Blättern hilft mir, in neue kreative Welten einzutauchen.

Doch am Mittwoch hatte ich einen Freeze. Meine Kreativität starrte wie ein Reh vor den aufgeblendeten Scheinwerfern und bewegte sich nicht von der Straße. Ich wusste: Hupen und Aussteigen bringt nichts. Ich kam in meiner Geschichte einfach nicht weiter.

Dann versuchte ich es mit Dr. Google. Ich probierte Adressen und Straßennamen in der Stadt meines Romanhelden. Dann Clubs und Diskotheken. So sehr ich mich auch bemüht, es waren kreative Sackgassen.

Worauf richte ich meine Aufmerksamkeit?

Meine Frau Ilona nutzt in kreativen Engpässen gerne einen Satz: “Energy flows, where attentition goes.” Die Frage nach dem Energiehaushalt ist gerade bei kreativen Prozessen sehr zentral. Wie viele Fragen kann ich gleichzeitig lösen? Was raubt mir Energie und Kraft? In welchen Zeitfenstern bin ich besonders kreativ?

Bei mir ist das in der Regel die Zeit zwischen 9 und 13 Uhr. In kreativen Hochzeiten versuche ich diese kostbare Zeit von allen Ablenkungen und Störungen zu schützen. Entscheidend sind für mich aber auch die anderen 20 Stunden, in denen ich nicht schreibe. Welche Stimulation lasse ich zu? Gibt es Aufgaben und Tätigkeiten, die meine kreativen Akkus wieder füllen?

Da ich von meiner Kreativität lebe, registrierte ich seit Jahren sehr aufmerksam, den kreativen Zu und Abfluss. Womit füttere ich meine grauen Zellen? Wieviel Medienkonsum tut gut und was schadet meiner Kreativität?

Einsatz für meinen Telefonjoker

Ein zentraler Strom für mein Energie sind Menschen. Freundschaften, interessante Gespräche und tiefe Dialoge. Auch beim Schreiben der Romane kenne ich einige Personen, die mir besonders gut tun. Weil sie selbst viel lesen, oder auch gerne mal ums Eck denken.

In meiner kreativen Sackgasse hatte ich das Glück, dass ich einen Telefonjoker einsetzen konnte. Eine langjährige Freundin, die im Taunus lebt. Ich rief sie kurz 12 Uhr an und schilderte ihr meine Situation. Da sie alle bisherigen Romane von mir gelesen hatte, konnte sie sich schnell in meine Hauptfigur einfühlen. Es dauert keine 60 Sekunden, da brachte sie mich auf die entscheidende Idee.

Bereits nach drei Minuten hatte ich das Gefühl, das dieses kurze Telefonat die Schleusentore geöffnet hatte. Ich legte schnell wieder auf und konnte weiter schreiben: Die kreative Flut kam wie eine große Welle auf mich zu, Ideen sprudelten. Bereits nach einer halben Stunde hatte sich das trockene Land in eine blühende Oase verwandelt.

Ich will an dieser Stelle nicht zuviel verraten. Falls Sie jetzt schon wissen wollen, was an dieser Stelle im neuen Roman passiert, finden Sie einen Hinweis unter diesem Link.

Kreativität trainieren heißt machen

Zum Schluss möchte ich noch eine Methode mit Ihnen teilen, die sich über Jahre bewährt hat: Das 3-Minuten-Mindmap. Ich nehme mir ein weißes Blatt Papier und schreibe die kreative Fragestellung in die Mitte. Dann setze ich mir ein zeitliches Limit. Rund um die Frage sammle ich auf den umliegenden Ästen kreative Ideen, um meine Frage zu lösen.

Was habe ich selbst erlebt? Welche Geschichten fallen mir ein? Welche Punkte könnten mir weiterhelfen? Was habe ich an Lösungen von anderen gehört? Hilfreich finde ich auch einen Perspektivwechsel. Wie sieht das Thema aus der Sicht meines Partners oder eines Kindes aus? Was verändert sich, wenn ich in einen Helikopter einsteige?

In der Regel entstehen in diesen drei Minuten soviel Impulse, dass ich sie nur noch strukturieren muss. Für einen Text: Womit fange ich als erstes an? Für ein Gespräch: Welche Punkte will ich in welcher Reihenfolge thematisieren? Nach diesem kurzen Brainstorming geht es an die Umsetzung. Mein Tipp: Damit nichts von der kreativen Energie verloren geht, nach Möglichkeit sofort anfangen. Denn Kreativität trainieren heißt machen.

Nun bin ich gespannt, wie Sie mit Sackgassen umgehen und Ihre Kreativität trainieren? Ich freue mich auf Ihre Kommentare.