Anfang März bekomme ich leichte Panik als ich die drei vollbepackten Paletten mit meinem ersten Gutshof-Krimi sehe. Wer soll die bloss alle kaufen? Wie verrückt bin ich eigentlich, mitten in der Pandemie 3.000 Bücher drucken zu lassen. Zumal alle Buchhandlungen im Lockdown sind? In diesem Beitrag kurz vor Ostern biete ich Ihnen humorvollen Blick hinter die Kulissen.

krimi fieber

Bin ich noch zu retten?

Beim Blick auf die riesigen Paletten spüre ich einen plötzlichen Schwindelanfall, wie mein Held Jörg Möbius. Wird mir gleich schwarz vor Augen? In welchem Moment der geistigen Umnachtung hatte ich diese wahnwitzige Idee, 3.000 Bücher drucken zu lassen? Die Buchhandlungen sind zu – vergiss es!

Ich fühlte mich an einem weiteren Tiefpunkt meiner Corona-Geschichte: 12 Monate so gut wie keine Kunden. Und jetzt sollte ausgerechnet ein Kriminalroman die Wende bringen? Was für eine absurde Idee! Dazu als völlig “unbekannter Autor”, wie eine örtliche Buchhändlerin attestierte. Na klar Sebastian Fitzek, den Krimi-Millionär kennt jeder. Aber Wälde? Noch nie gehört!

Zugegeben: Am 1. März erlebe ich starke Hitzewallungen voller Lampenfieber. Doch dann geht es Schlag auf Schlag. Die örtliche Regionalzeitung meldet sich und will eine Titelgeschichte mit mir machen. Momentan Mal: Woher wissen die von meinem Krimi. Ich habe sie doch gar nicht informiert. Egal. “Wir schicken ein paar Fragen, können Sie die kurzfristig beantworten?” Na klar.

Wenige Tage später erhalten viele Haushalte in Nordhessen flächendeckend die Titelgeschichte zum neuen Krimi. Die Extra-Tip-Mediengruppe aus Kassel widmet ihm gleich zwei Seiten. Beim leichter Schwindel wandelt sich in handfeste Panik: Jetzt gibt es kein Zurück mehr. Alle Menschen in meinem Dorf wissen jetzt von meinem schriftstellerischen Wahnsinn. Hoffentlich geht das Experiment gut.

Jetzt kommen die ersten Badewannen-Fotos

Die sozialen Netzwerke schwappen über: In der Region beginnt das Krimi-Lesefieber. Eine Leserin aus dem Dorf postet wagemutig ihr allererstes Instagram-Foto – aus ihrer Badewanne! Es folgen Rotwein-Bilder, Latte-Machiatto-Fotos im Kerzenlicht. Die Lektorin gibt mir den Tipp für meinen Kommissar Timo von Sternberg einen Instagram-Kanal zu starten, dem in kürzester Zeit 240 Fans folgen.

Die Ortsvorsteherin unseres 750-Seelen-Dorfes kann in der ersten Nacht nach dem Erscheinen nicht schlafen. Sie liest am Stück bis tief in die Nacht hinein, weil sie wissen will, wie es ausgeht. Der Pfarrer folgt ihr auf Platz zwei und schreibt ganz begeistert: Mein Krimi sei ein “echtes Schmeggewöhlerche” – wie bitte? Was soll das denn sein? Schnell kommt die Erklärung: Ein literarischer Leckerbissen.

Dann ruft mich ein Bankdirektor an, der auch schon mit dem Krimi durch ist: “Sie schreiben wie Nele Neuhaus!” Ich halte kurz inne und überlege, ob es ein Kompliment sein soll? Zugegeben, ich habe noch nie ein Krimi von der Kollegin aus dem Taunus gelesen. Doch meine Bücher verkaufe ich wie Nele Neuhaus beim Metzger – weil dies der einzige Laden bei uns im Dorf ist.

Und der Krimi, so scheint es, geht an manchen Tagen besser als die Wurst. “Wir brauchen schnell neue Bücher. Manche kommen in den Laden, nur wegen des Romans.” Plötzlich habe ich ein Lieferproblem, zumal jetzt auch der Buchhandel wieder aufmachen darf und dringend Nachschub braucht. Eine große Unterstützung ist für mich auch die Familie Viehmeier, die in 12 Filialen ihres Schwälmer Brotladens den Roman anbietet.

“Der Krimi ist gut für die Region”, meint die Kollegin der regionalen Tageszeitung HNA und stellt ausführlich die Schauplätze des Romans vor. Ein Leser aus Würzburg meldet sich bei mir: “Jetzt muss ich mit einer Frau unbedingt nach Nordhessen fahren. Ich will die Orte sehen, an denen der Roman spielt.”

HR 2-Kultur: Reporter Rainer Janke

Beim Arzt ruft das Radio an

Ich will gerade aus dem Auto steigen, um kurz zum Doktor zu gehen, da meldet sich der Hessische Rundfunk: “Wir wollen morgen das Buch vorstellen. Können wir jetzt gleich vorbeikommen?” Ich schaue auf die Uhr und will den Arzt nicht warten lassen. “Reicht es noch um 17 Uhr? Ich will zuerst zum Doc!”

Schnell gehe ich zur Rezeption. “Schaffen wir das? Ich habe gleich Interview.” – Na klar. Doch der Arzt lässt sich heute deutlich mehr Zeit als sonst. Fast scheint es mir, als wolle er die Untersuchung unnötig herauszögern. Er erklärt mir alles langatmig und doppelt so ausführlich wie sonst. Bin ich gerade im falschen Film?

Ich schaue kurz auf den Monitor des Arztes. Dort hat die Sprechstundenhilfe in großen Buchstaben einen Hinweis geschrieben: “Krimi-Autor. Wird gleich im Radio interviewt.” Aha, denke ich, vermutlich will mir der Herr Doktor noch Stoff für meinen nächsten Roman liefern.

Nordhessenkrimi, Auftakt der Regionalserie, Cover

Mein Osterglück: 1.700 Bücher sind bereits ausgeliefert

Heute am 1. April ziehe ich meine erste Zwischenbilanz. In den ersten vier Wochen wurden bereits zwei Paletten meines Krimis ausgeliefert. Jetzt habe ich ein Luxus-Problem: Wann muss ich die zweite Auflage bestellen? Mein Angst, als Krimi-Autor zu scheitern, hat sich in Luft ausgelöst. Zudem hat sich mein Lampenfieber in ein tiefes Glücksgefühl gewandelt. Die Neupositionierung ist gelungen.

Nun muss ich Ihnen zum Schluss noch ein Geheimnis verraten: Ich selbst lese nicht gerne Krimis! Wie bitte? Ja, Sie haben richtig gelesen. Die meisten Krimis, die ich bislang gelesen habe, fand ich langatmig und weitgehend humorlos. Deshalb habe ich die Bücher häufig nach wenigen Kapiteln wieder zur Seite gelegt.

Doch als ich im letzten Sommer vor der Entscheidung stand, einen Roman zu schreiben, war mir bewusst: Es muss ein Krimi sein, sonst erreiche ich die Männer nicht. Mit einem historischen Roman – so mein ursprünglicher Plan – würde ich primär die weibliche Leserschaft gewinnen. So kam es zu meiner Entscheidung für Herbstbeben und die zahlreichen Rückmeldungen von Männern und Frauen bestätigen, das ich mit meiner Vermutung richtig lag.

Allerdings berichten die Leser auch, wie überrascht sie sind, das mein Krimi völlig anders sei, als sie vermutet haben. Ganz andere Typen, nicht so klischeehaft, viel mehr zu Lachen. Genügend Spannung, aber auch ein nicht erwartetes Ende. Da habe ich Glück gehabt als Nicht-Krimi-Leser und freue mich auf Ihre Kommentare zu meinem Krimi-Debüt.

Momentan sitze in einem beigen Ohrensessel, um die Fortsetzung zu schreiben, die am 1. November erscheinen wird.

Fröhliche Ostern wünscht Ihnen

Ihr Rainer Wälde

PS: Wollen Sie kurz in den Krimi hinein hören?

Radio-Beitrag von Rainer Janke, HR 2 Kultur