Die aktuelle Corona Krise ist eine große Herausforderung für Selbständige und Unternehmer: Etliche haben in den Überlebensmodus umgeschaltet und sollen nun die passenden Worte für Kunden und Mitarbeiter finden. Wie gelingt es in der Krisen Kommunikation jetzt den richtigen Ton zu treffen?

Krisen Kommunikation: shutterstock

Die Zeit der Marktschreier ist vorbei

Mitten in der Corona Krise feiert Hagebau in Nordhessen eine große Neueröffnung. Nach Monaten des Umbaus läuft die Kampagne unter der Headline “Schwalmstadt dreht durch”. Auf großen Plakaten und der Titelseite der Tageszeitung wird die Kampagne beworben. Doch die Werbeaktion verwandelt sich in zu einem Shitstorm. Der Claim wirkt für viele Leser und auch Bewohner wie ein Schlag ins Gesicht.

Zudem passen die Schnäppchenjäger, die vor dem Markt Schlange stehen, nicht zum Gebot von sozialer Distanz. Der Bürgermeister, der sonst medial zurückhaltend agiert, verfasst einen offenen Brief und beschwert sich über die mangelnde Sensibilität des Unternehmens. Der gute Ruf von Hagebau ist beschädigt. Das Unternehmen schaltet am nächsten Morgen eine Anzeige, um sich bei den Bürgern zu entschuldigen.

Foto: Stadt Schwalmstadt

Kunden erwarten hohe Sensibilität

Seit Ausbruch der Corona Krise und der Schließung vieler Geschäfte telefoniere ich täglich mit Selbständigen und Unternehmern. So unterschiedlich wie das Business des Einzelnen, so unterschiedlich ist auch der Umgang mit der Krise. Einige Selbständige versuchen sich neu zu erfinden. Andere tauchen wie ein U-Boot ab und stellen die Kommunikation ganz ein. Etliche versuchen ihre bereits vorhandenen Produkte online an die Frau oder den Mann zu bringen.

Das Dilemma, das ich beobachte: Die meisten Unternehmer haben zwar in den internen Abläufen auf Krisenmodus umgeschaltet. Doch in der Kommunikation agieren viele weiter so wie bisher. Aus meiner Sicht funktioniert dies jedoch nicht, weil etliche Kunden gerade jetzt eine hohe Sensibilität von den Unternehmen erwarten.

Meine Empfehlung: Wenn Sie diese Herausforderung gut bewältigen möchten, sollten Sie auch in der Krisen Kommunikation mit Ihren Kunden deutlich emphatischer und sensibler agieren. Prüfen Sie selbstkritisch, ob die vorbereiteten Konzepte für Print und Online-Medien auch in der Krise taugen.

Welche Bedürfnisse haben Ihre Kunden?

Dazu ein persönliches Beispiel: Seit acht Jahren veröffentlichen meine Frau und ich ein Kundenmagazin, das vier Mal erscheint und von rund 10.000 Menschen gelesen wird. Die Themen planen wir lange im Voraus, um auch Gastautoren einzubeziehen. Die Produktionszeit liegt vom Redaktionsschluss bis zum Versand bei vier Wochen. Doch seit Corona verändert sich die Nachrichtenlage täglich und damit auch die Befindlichkeit der Leser.

Plötzlich passen die vorbereiteten Texte nicht mehr zur Situation der Leser. Die Schlüsselfrage: Welche Bedürfnisse haben unsere Kunden in dieser Situation? Meine Frau und ich entscheiden uns kurzfristig den Druckprozess anzuhalten und die Ausgabe nochmals komplett zu überarbeiten. Jetzt ist das Thema “Safe Place” wichtig: Wo finde ich innerlich Sicherheit? Was vermisse ich in dieser Phase am meisten? Das Thema Tisch und Gemeinschaft, aber auch das eigene Zuhause werden nun zu zentralen Botschaften, um den Lesern Hoffnung zu vermitteln.

Um die Kunden emotional abzuholen verfassen wir einen Begleitbrief, der mit dem Magazin verschickt wird. Doch auch hier gibt es drei verschiedene Fassungen, weil sich die Lage täglich ändert. Erst in der letzten Version treffen wir schließlich den richtigen Ton, der in dieser Situation für die Kunden passend ist.

Die neue Währung sind Beziehungen

Ich möchte Sie heute als Selbständige und Unternehmer ermutigen, Ihre aktuelle Kommunikation zu überdenken. Die alte Welt, die wir bis vor vier Wochen noch kannten, existiert nicht mehr. In diesem Frühjahr beginnt eine neue Epoche und sie fordert von uns eine neue Form der Kommunikation.

Die neue Währung sind Beziehungen. Nutzen Sie die aktuelle Phase, um Ihre langjährigen und treuen Kundenbeziehungen zu pflegen. Suchen Sie das persönliche Gespräch am Telefon oder via Zoom oder Skype. Fragen Sie aufrichtig nach, wie es Ihren Kunden jetzt geht und in welchem Bereich sie Hilfe und Unterstützung brauchen. Vermeiden Sie aufdringliche Sales-Botschaften. Jetzt ist gemeinschaftliche Hilfe und eine transparente Krisen Kommunikation gefragt.

MS Artania

Krisen Kommunikation in Echtzeit

So wie es gerade das Team von Phoenix Reisen in Bonn vorlebt: Seit 1973 bietet das mittelständische Unternehmen Kreuzfahrten an. Seit Dezember sind ihre vier Hochseeschiffe auf Weltreise rund um den Globus unterwegs. Nun hat sie die Corona-Krise mit geschlossenen Häfen tief ins Mark getroffen. Doch Phoenix Reisen hat über viele Jahre eine treue Gemeinschaft aufgebaut, die kleine Schiffe und persönliche Betreuung schätzen.

In Sydney bringt ein Gast die Krankheit an Bord von MS Artania. Kurz darauf müssen in einer abenteuerlichen Rettungsaktion 800 Gäste zurück nach Deutschland geflogen werden. Tausende von Kunden verfolgen in Echtzeit über die sozialen Netzwerke, wie Phoenix Reisen diese Krise bewältigt. Sie feuern die Mannschaft und die Reiseleiter an durchzuhalten. Auf Facebook berichten langjährige Gäste von ihren eigenen Reiseerfahrungen und versprechen der Firma die Treue zu halten.

Am Montag dieser Woche stehen in Frankfurt die Mitarbeiter aus Bonn am Flughafen, um alle Kunden persönlich zu begrüßen. Sie haben für jeden der 800 Gäste Proviant und kleine Geschenke gepackt und danken ihnen für das Durchhalten und ihre Treue. Ich bin mir sicher, dass Phoenix Reisen mit diesem exzellenten Beziehungsmanagement diese Krise übersteht. Das bestätigen auch hunderte von Kommentaren in Facebook.