Warum sind Marken – ganz ungeachtet dessen, ob es Produkt- oder Personenmarken sind – so stark? Ganz klar: Sie geben Sicherheit. Wer Harley Davidson hört, denkt „Freiheit“. Wer VW hört, denkt „Zuverlässigkeit“, und wer Body Shop hört, denkt „Umweltfreundlichkeit“ oder „keine Tierversuche“.

Hat sich ein Verbraucher oder ein Kunde erst einmal ein positives (Vor-)Urteil über eine Marke gebildet, muss er keine Zeit mehr investieren, um herauszufinden, ob ein Produkt dieser oder jener Marke für ihn geeignet ist oder ob er nicht doch lieber eine andere wählt.

Wenn der Kauf eines neuen Autos ansteht, entscheidet er sich vermutlich für einen VW und fertig. Eine starke Marke vereinfacht das Leben, denn sie gibt Orientierung. Um es auf den Punkt zu bringen: Eine starke Marke ist wie ein Leuchtturm – und auch genauso wichtig.

Foto: Shutterstock

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Moment mal – Leuchttürme? Wieso braucht man die überhaupt noch? Wir haben doch satellitengestützte Navigationssysteme, die Positionen auf Knopfdruck ausspucken, ohne dass man sie mit komplizierten mathematischen Formeln ausrechnen müsste!

Fakt ist jedoch: Leuchttürme sind nach wie vor lebensnotwendig und besonders in der küstennahen Schifffahrt unverzichtbar. Fallen die funktechnischen Navigationshilfen aus, erst recht.

Orientierungsmarken helfen den Menschen in Seenot

Schauen wir sie uns doch etwas genauer an, diese Leuchttürme. Sie sind also Orientierungsmarken, denn wenn sie nicht funktionieren, sind die Menschen auf See verloren – sie dienen aber auch den Menschen an Land als Orientierungs- und Identifikationspunkt. Jahre-, sogar jahrzehntelang stehen sie auf ihrer erhöhten, weithin sichtbaren Position und sind aufgrund ihres meist weiß-roten Anstrichs sowohl bei Sturmwetter als auch vor einem postkartenblauen Himmel gut zu sehen.

Standfest und stabil, sind sie auf extreme Langlebigkeit hin ausgerichtet und gebaut, halten großen Belastungen stand. Ihr Licht strahlt hell und weit, denn die Lampe wird regelmäßig gewartet. Kein Leuchtturm ist wie der andere – ihr Aussehen und ihre Lage unterscheidet sie voneinander.

Die Analogie von Leuchtturm und Menschen, die – beispielsweise als Führungskräfte und Selbständige – ein Original sind, ist für mich ein Bild, das ich schon seit vielen Jahren vor meinem inneren Auge habe: Auch Originale stehen ganz vorne in der Brandung, indem sie Verantwortung tragen für die Menschen, die auf See oder im Dorf hinter ihnen sind. Ihnen geben sie Orientierung.

Wie ein Leuchtturm sind auch sie standfest und stabil – keine fahrbaren Sendemasten, die heute hier und morgen wieder dort aufgebaut werden. Wind und Wetter haben diese Originale gezeichnet, aber sie sind da. Unverrückbar. Und genau deshalb war Artur Fischer auch so ein Original: Er stand immer an der gleichen Position, sendete stetig seine Signale und war berechenbar. Sein Feuer brannte fast 100 Jahre lang konstant – und ließ dementsprechend einige Leute erst einmal orientierungslos zurück, als er im Januar dieses Jahres verstarb.

Der Preis: die Einsamkeit

Die Klarheit der Lampe des Leuchtturms, das weithin sichtbare Licht – dafür sorgen die Leuchtturmwärter. Für mich symbolisiert das einen gewissen Reinigungsprozess, eine Seelenhygiene, der sich auch Originale immer wieder unterziehen sollten. Nur wer sich seine eigene Position im Leben bewusst macht, bleibt klar – im Denken und in der Ausstrahlung.

Nur wer über seine Probleme und sein Scheitern reflektiert, gebietet der Resignation Einhalt. Und nur wer sich dazu Hilfe von außen holt – seinen Leuchtturmwärter –, bleibt begeisterungsfähig bis ins hohe Alter. So wie Artur Fischer, der bis zu seinem Tod in seiner Werkstatt stand, weil er wissen wollte, wie etwas noch besser geht.

Die Einsamkeit ist auch oft genug ein Teil einer Existenz als Leuchtturm – sei es nun als „echter“ Leuchtturm oder als ein Original. Wer darüber jammert oder klagt, vergeudet deshalb kostbare Energie. Diesen Zustand gilt es vielmehr zu akzeptieren – und dennoch offen zu bleiben und sich nicht zu verschließen.

Das Gelände um einen Leuchtturm herum kann abgesperrt sein, es kann aber auch Ausflüglern Platz für ein Picknick bieten oder Schatten spenden. Ich denke: Besonders für Originale ist es wichtig, sich nicht abzuschotten, sich abzugrenzen, sondern offen für Besucher und deren Rückmeldungen zu bleiben.

Wenn Originalität zur Inszenierung wird

Die größte Gefahr eines Daseins als Original besteht in meinen Augen aber nicht in der Einsamkeit, sondern darin, dass diese Originalität irgendwann zu einer Rolle wird, zu einem Teil einer Inszenierung. Der Drang, außergewöhnliche Dinge zu tun und aufzufallen, verselbständigt sich.

Denken Sie an den Pariser Eiffelturm, in gewissem Sinne auch ein Leuchtturm. Mit seinen den unterschiedlichsten Anlässen angepassten Ausleuchtung wird er künstlich in Szene gesetzt. Wer ein Original ist, kann sich fragen: „Will ich das auch? Will ich ein Vier-Jahreszeiten-, ein Weihnachtsleuchtturm sein, der ständig nach Beachtung ringen muss? Oder reicht es, wenn ich einfach rot-weiß angemalt bin und je nach natürlichen Lichtverhältnissen anders aussehe?“

Ich denke: Ein guter Leuchtturm hat es nicht nötig, sich immer wieder neu beleuchten oder schmücken zu lassen. Am Ende käme er auf die Idee, sich eine Plane umzuhängen – mit dem Ergebnis, dass kein Mensch mehr wüsste, ob er noch ein Leuchtturm ist oder nicht. Spätestens, wenn der nächste Sturm kommt, wäre diese Konstruktion außerdem schnell dahin und nichts bliebe mehr übrig außer ein paar Deko-Teilen, die der Wind in die Bäume getrieben hat.

Hätten Sie sich Artur Fischer als Besucher im Big-Brother-Container vorstellen können? Eben. Ich auch nicht. Denn damit hätte er seine Identität preisgeben.