Viele Unternehmen träumen von hochmotivierten Mitarbeitern, die sich mit der Firma identifizieren. Doch beim Onboarding kommt es auf ein kluges Konzept an, damit die neuen Mitarbeiter sich dauerhaft mit ihrem Arbeitgeber identifizieren.

Onboarding
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Wenn die reale Begegnung fehlt

Tobias freut sich auf seinen ersten Arbeitstag in einem mittelständischen Unternehmen. Er soll in der Personalabteilung starten. Durch die Pandemie wird er im Homeoffice starten. Seine Teamleiterin begrüßt ihn um 9 Uhr an der Pforte. Sie haben sich für ein persönliches Kennenlernen verabredet – ohne Maske – allerdings nur draußen.

Gemeinsam umrunden sie die Produktionshallen. Die Vorgesetzte schildert einige Highlights aus der Firmengeschichte, stellt die aktuellen Herausforderung vor. Nach 30 Minuten verabschieden sich beide wieder auf dem Parkplatz. Das Unternehmen durften sie nicht betreten. In den nächsten Wochen werden sie mit einem Videokonferenzsystem die Einarbeitung gestalten.

Onboarding in Zeiten von Corona ist für alle Beteiligten eine große Herausforderung. Wie soll der neue Mitarbeiter ein Gefühl für den neuen Arbeitsplatz bekommen, für die Kultur, das Team? Wenn er alles nur über einen Bildschirm von zuhause aus erlebt? Ich finde das ausgesprochen schwierig und doch ist es in vielen Unternehmen seit zwei Jahren zur Normalität geworden.

Einarbeitung im Homeoffice

Im März haben wir auch in der Gutshof Akademie eine neue Mitarbeiter für den Vertrieb eingestellt. Wir sind sehr glücklich, dass wir engagierte Persönlichkeiten gefunden haben. Von Anfang an war klar, dass sie 95% im Homeoffice arbeiten wird – auch nach der Pandemie.

Obwohl wir bereits seit 21 Jahren die Akademie betreiben, finden meine Frau und ich es sehr spannend, diesen Einarbeitungsprozess in einer Mischung aus persönlichen und digitalen Begegnungen zu gestalten. Die Grundfragen eines neuen Mitarbeiters kennen wir beide aus unserem früheren Leben als Angestellte zu gut.

Am ersten Tag geht es vor allem um die Frage: Werde ich erwartet? Ist der Arbeitsplatz für mich vorbereitet? Gibt es einen fertig installierten Computer, den ich in mein Homeoffice mitnehme? Freut sich das Team darauf, mich kennenzulernen?

Für uns als kleine Firma ist das Chefsache. Meine Frau und ich gestalten das Onboarding persönlich, damit sich der neue Mitarbeiter vom ersten Moment an wohlfühlt. In größeren Firmen ist ein Pate sinnvoll, der diese Aufgabe wahrnimmt. Allerdings sollte dieser Pate unbedingt ein Insider sein: Ein Mitarbeiter, der sich voll mit der Firma und ihren Zielen identifiziert und sein Wissen direkt an den Neuen weitergibt.

Wählen Sie den richtigen Paten

Falls Sie den falschen Paten wählen, kann das Onboarding schnell schief gehen. Stellen Sie sich einen Paten vor, der bereits innerlich gekündigt hat und nur noch Dienst nach Vorschrift macht. Er wird den neuen Mitarbeiter mit seiner inneren Resignation möglicherweise so stark beeinflussen, dass vom ersten Tag an kleine Risse im Vertrauen entstehen. Schnell taucht eine Unsicherheit auf: Habe ich wirklich die richtige Entscheidung getroffen? Oder war der Wechsel ein Fehler?

Erfahrene HR-Manager berichten, dass Outsider häufig auch die neuen Fachkräfte zu Outsidern machen. Die kritische Distanz zum Unternehmen, die inneren Zweifel werden manchmal subtil, manchmal unverschlüsselt kommuniziert. Doch im fragilen Vertrauensprozess wirkt dies wie ein schleichendes Gift. Der Schaden, der in wenigen Tagen entsteht, ist oft nicht mehr reparabel.

Der erfahrene Unternehmensberater Johannes Hüger hat mir kürzlich berichtet, wie teuer eine Fehlbesetzung ausfallen kann. Nach seiner Einschätzung kostet das Ersetzen eines Mitarbeiters 15 Monatsgehälter. Durch den hohen Aufwand in der Einarbeitungszeit kostet ein neuer Mitarbeiter im ersten Jahr mehr als er verdient.

Klare Entwicklungsziele definieren

Deshalb ist es entscheidend, dass beim Onboarding der Prozess möglichst gut vorbereitet und strukturiert ist. Hüger empfiehlt im ersten Monat ein wöchentliches Feedback-Gespräch zwischen Vorgesetzten und Mitarbeiter. Danach monatliche Gespräche, um schnell fachliche Engpässe im Onboarding zu erkennen.

Ich finde diese Anregung auch bei neuen Mitarbeitern im Homeoffice sehr sinnvoll. Vor allem dann, wenn klare Entwicklungsziele definiert und auch reflektiert werden. In welchen Bereichen ist ein praktisches Training notwendig? Wo können Kollegen und Vorgesetzte bei der Einarbeitung unterstützend aktiv werden?

Dabei sucht der neue Mitarbeiter auch eine Antwort auf seine Frage: Welche Kultur wird in diesem Unternehmen gepflegt? Kürzlich hat mir der junge Mitarbeiter eines großen Automobilkonzerns berichtet, dass ihn sein Chef noch nie gefragt hat, wie es ihm im Unternehmen geht. Er signalisierte keinerlei Interesse – so seine Aussage – ob seine Einarbeitung gut läuft.

Sein Bild nach neun Monaten: Der Firma scheinen junge Nachwuchskräfte egal. Er hat innerlich bereits gekündigt und ist auf dem Sprung in einen neuen Job. Für die Firma ist das ein Fiasko und gleichzeitig ein mahnendes Beispiel, wie wichtig das Onboarding ist, um talentierte Mitarbeiter längerfristig im Unternehmen zu halten.