Facebook und Co. sind in aller Munde, aber muss ich als Selbstständiger wirklich auf allen Social Media Plattformen „tanzen“ und präsent sein? Welche sozialen Netzwerke sind tatsächlich sinnvoll und welche kann ich getrost vergessen?

Web oder stirb!

Im letzten Jahr habe ich mich mit Dr. Kerstin Hoffmann getroffen, die mit ihrem neuen Buch „Web oder stirb!“ den Schmerzpunkt etlicher Mittelständler gut getroffen hat. Sie erklärt darin den digitalen Wandel und beschreibt, wie es gelingt ein „digitaler Könner“ zu werden.

Bei Facebook, dem größten Marktplatz der digitalen Welt, scheint das auf den ersten Blick ganz einfach zu sein. Drei Zeilen, ein Foto, dann ein kurzer Klick – schon beginnt sich das ganze Netzwerk um mich zu drehen. Doch die Realität ist mitunter sehr ernüchternd: Über Monate zuerst eine Reichweite aufbauen, Freunde gewinnen und dann noch relevante Themen zu finden, die „geliked“ und kommentiert werden – all das ist ein mühsamer Prozess.

Foto: Shutterstock
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Mit Kerstin Hoffmann habe ich über eine sinnvolle Facebook-Strategie gesprochen. Sie selbst empfiehlt, die wichtigsten Multiplikatoren in den sozialen Netzwerken zu identifizieren, die das Vertrauen meiner Zielgruppe genießen. Im zweiten Schritt dann deren Beiträge aktiv zu verfolgen und wenn es passt, auf meiner Seite zu teilen. Damit sind wir im Zentrum der neuen „Kultur des Teilens“, die wirklich Kraft entwickelt: Ich teile Beiträge von anderen Personen und empfehle diese mit einem kurzen Kommentar meinen „Freunden“.

Walter Stuber teilt bei Facebook wie ein Meister

Einer meiner Kunden ist ein erfolgreicher Gerüstbauer: Walter Stuber lebt in Sachsen und leitet mit einem Partner die „Gemeinhardt Gerüstbau“ mit Niederlassungen in Hessen und Niedersachsen. Was mich bereits bei der ersten Begegnung überrascht: Walter Stuber ist bei Facebook täglich mehrfach aktiv und teilt wie ein Meister die Beiträge von anderen. Ständig empfiehlt er andere namentlich, kommentiert ihre Beiträge und befeuert die virale Verbreitung.

Nun sagen etliche Kunden zu Recht: Dafür habe ich als Chef eines mittelständischen Unternehmens nicht auch noch Zeit. Ich kann und will nicht drei Mal täglich bei Facebook tätig sein! Meine Empfehlung: Suchen Sie einen jungen Mitarbeiter, der mit dem Internet aufgewachsen ist, und lassen sie ihn schulen. In vier Tagen kann man sich bereits zum „Social Media Manager“ ausbilden lassen. Dieser Mitarbeiter – es kann auch eine 450-Euro-Kraft sein – überwacht und steuert dann alle sozialen Kanäle und schreibt selbst auch die kurzen Beiträge für das Unternehmen.

Jeder soziale Kanal weckt Erwartungen

Nun macht es wenig Sinn, neben Facebook noch zahlreiche andere Kanäle zu eröffnen. Denn mit jedem Netzwerk, das Ihren persönlichen oder Ihren Unternehmensnamen trägt, lösen Sie bei den Kunden auch Erwartungen aus. Wenn „Hugo Boss“ bei Pinterest einen Kanal eröffnet, wollen die Kunden auch aktuelle Fotos mit der neuen Kollektion sehen, die sie dann pinnen und kommentieren können.

Kerstin Hoffmann nennt dies das „Kanalversprechen“, das im Vorfeld klar definiert werden sollte. Konkret heißt das: Wer trägt die Inhalte zusammen und veröffentlicht sie? Wie oft soll gepostet werden? Ich persönlich empfehle meinen Kunden, vor dem Start die Kosten zu überschlagen und auch eine professionelle Strategie zu entwickeln: Welche Kanäle sind für meine Zielgruppe sinnvoll? Welche Informationen laufen über welches Netzwerk? Dieses Versprechen sollte in der Kurzbeschreibung – zum Beispiel bei Twitter – auch konkret formuliert werden: „Hier twittert die Firma X und bringt in 140 Zeichen die wichtigsten Infos über (Thema) auf den Punkt.“

Bauen Sie Ihr eigenes Königreich

Vielen Unternehmern ist häufig gar nicht bewusst, dass sie auf einer Unternehmensseite bei Facebook für jeden Beitrag auch Gebühren zahlen müssen, wenn er wirklich alle Kunden erreichen soll. Deshalb empfehle ich bei begrenzten Ressourcen zuerst den eigenen Blog aufzubauen, also das „eigene Königreich“, bevor ich meine Kunden zu Mark Zuckerberg und seinen Kollegen schicke. Der eigene Blog mit einem direkten Newsletter-Versand an die Kunden hat für mich grundsätzlich die oberste Priorität. Er garantiert, dass meine Kontakte immer den neuesten Blogbeitrag exklusiv in ihrem E-Mail-Postfach haben.

Bei Facebook bin ich mir nie sicher, ob sie überhaupt online sind, wenn ich etwas schreibe, und den Beitrag dann mehr zufällig zu lesen bekommen. Zudem gibt es auch bei den sozialen Netzwerken unterschiedliche Nutzerzeiten, wie etliche Untersuchungen belegen: Die Primetime bei Facebook ist wie im Radio morgens zwischen 6 und 9 Uhr.

Nutzen Sie die digitalen Marktplätze

Die sozialen Netzwerke sind für mich nur eine „Zweitverwertung“ meiner eigenen Blogbeiträge. Ich nutze die digitalen Marktplätze und die zahlreichen Kunden, um dort auf meinen eigenen Blog und die aktuellen Beiträge hinzuweisen.

Zum Schluss noch eine wichtige Bitte: Bleiben Sie dran, geben Sie nicht frühzeitig auf. Zwei Beispiele: Ein renommierter Unternehmer, den ich sehr schätze, startet vor zwei Jahren mit einem Blog. Seine Beiträge sind sehr hochwertig, dann hört er über Nacht auf. Die Tageszeitung hat über ihn kritisch berichtet. Doch statt aktiv an seiner bis dahin ausgezeichneten Reputation weiter zu arbeiten, lässt er plötzlich alle Kanäle links liegen. 10.000 Fans bei Facebook – lange Zeit aufgebaut – hören nichts mehr. Totenstille über Monate. Als Kunde des Unternehmens würde ich fragen: Leben die noch oder sind sie plötzlich insolvent? Nach einem Jahr Sendepause fängt er wieder an zu bloggen: Ein einziger Beitrag, dann herrscht wieder Stille – und das seit nunmehr einem Jahr.

Setzen Sie auf einen langfristigen Dialog

Beispiel zwei: Ein Redner-Kollege von mir bloggt mit Leidenschaft. Dann – ohne Vorwarnung – hört er im August 2015 auf. Er wirbt mit über 5.000 Fans bei Facebook, aber in seinem eigenen Königreich, dem Blog, ist Funkstille. Nach meiner Einschätzung verlieren Sie enorm an Reputation und Glaubwürdigkeit, wenn Sie einen Dialog mit Ihren Kunden starten und ohne Vorwarnung aufhören. Das kann mitunter auch Frust und Ärger bei der Zielgruppe auslösen, wenn die Kunden „angefüttert“ wurden und sich dann missachtet fühlen.

Zu einem respektvollen Umgang mit Ihren Kunden und den sozialen Netzwerken gehört für mich eine klare Strategie. Starten Sie besser nur einen Kanal, den Sie wöchentlich bedienen, statt sich mit vielen unregelmäßigen Angeboten zu verzetteln.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in Rainer Wäldes Business Magazin “MarkenHerz”. Klicken Sie hier, um das vollständige Magazin kostenfrei herunterzuladen.