Wie gelingt es die eigene Geschichte aktiv mitzugestalten? Dieser Gedanke steckt hinter dem Begriff des Storyliving. Bereits vor sieben Jahren habe ich dazu ein Buch geschrieben. Hier nun ein Update, das für mich neue Perspektiven in der Krise öffnet.

Storyliving
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Du bist der Held deiner Geschichte

Der Buchtitel aus dem Jahr 2015 klingt heute fast utopisch: “Du bist der Held deiner Geschichte” Wie soll das gehen, wenn durch die Krise viele meiner Pläne über den Haufen geworfen werden? Ich bin überzeugt, dass dies für viele Menschen gerade eine große Herausforderung darstellt.

Gleichzeitig glaube ich, dass wir auch in der Pandemie unser Leben täglich neu gestalten können. Die Schlüsselfrage lautet für mich: An was will ich mich am Ende von 2021 erinnern? Sind es die tatsächlichen oder die gefühlten Restriktionen? Oder schaffe ich mir mir selbst Momente, an die ich später gerne erinnere?

Ein praktisches Beispiel: Gestern habe ich Ernst Loder angerufen. Vermutlich haben Sie seinen Namen noch nie gehört, doch dieser Mann ist mir seit meiner frühesten Kindheit vertraut. Er hat 1968 eine Hilfsorganisation mit gegründet, die sich “Kinderwerk Lima” nennt.

Ernst Loder ist ein langjähriger Freund meiner Familie und meine Eltern haben dieses Projekt über Jahrzehnte unterstützt. Seit ich vor vierzig Jahren zuhause ausgezogen bin, hatten wir keinen persönlichen Kontakt mehr. Doch bei meinem Anruf wusste er sofort, wer ich bin und hat sich riesig gefreut, mit mir zu sprechen.

Wie gelingt es neue Erinnerungen zu schaffen?

2013 war ich als Filmemacher selbst in der “Johannes-Gutenberg-Schule” in Lima, um dort einen Film zu drehen. Das Lebenswerk von Ernst Loder hat mich sehr beeindruckt, auch wie die Organisation während der Pandemie bis zu 30.000 Menschen mit Lebensmittelpaketen versorgt hat. Der Besuch in Peru ist für mich bis heute eine hoch emotionale und lebendige Erinnerung.

In unserem gestrigen Telefonat war ich neugierig, wie es Ernst Loder geht. Er ist mittlerweile 90 Jahre alt und hat vor vielen Jahren die Verantwortung für die große Hilfsorganisation abgegeben. Wir sprechen über den Tod, das Abschiednehmen. Er ist vorbereitet, auf seine letzte Reise zu gehen.

Ich bin mir sicher, dass ich mich noch viele Jahre an unser gestriges Gespräch und diesen bescheiden Mann erinnern werde, der ein außergewöhnliches Lebenswerk hinterlässt. Gleichzeitig stelle ich mir die Frage: Welche Spuren hinterlasse ich? Welche Momente meines Lebens sind erinnerungswert – auch in meinem eigenen Rückblick.

Kennen Sie den Job eines Fokussierers?

Beim Film gibt es eine wichtige Tätigkeit, von der viele Menschen noch nie gehört haben: Der Fokussierer. Das ist die Position neben dem Kameramann, die für das Objektiv zuständig ist. Der Fokussierer ist verantwortlich dafür, das Bild scharf zu stellen. Immer dann wenn Menschen durchs Bild laufen, sorgt der Fokussierer dafür, dass sie nicht verschwommen, sondern klar zu sehen sind.

Dieses Fokussieren wird nicht nur einmal gemacht, sondern ständig – bei jeder einzelnen Filmszene. Ich finde das eine schöne Analogie für das eigene Leben. Auch hier braucht es einen Fokussierer, damit wir unseren Fokus finden: Das in den Blick rücken, was wichtig ist.

Mir scheint das auch in der aktuellen Pandemie ein wichtiges Thema: Unsere Lebensgeschichte besteht aus einer Abfolge von Szenen, die unseren Alltag bestimmen. Im Blickfeld erscheinen ständig neue Themen, die uns vom Hauptmotiv unseres Lebens ablenken. Plötzlich wird das Wesentliche unscharf, weil der Fokussierer fehlt.

Die Herausforderung: Wir müssen täglich mehrfach “nachschärfen”. Den Fokus finden und damit auch zu uns selbst und unserer Geschichte. Das unterstreicht auch der Bestsellerautor Yuval Hariri: “Keep your eyes on the ball.” Übersetzt: “Bleibe fokussiert.”

Was soll mein Fußabdruck sein?

Um den Fokus für mein eigenes Leben zu finden, hilft es mir ein “Mission Statement” zu schreiben. Was ist mir wichtig? Wo will ich hin? Welche Menschen liegen mir besonders am Herzen?

Mein Buch “Du bist der Held deiner Geschichte” habe ich primär als Mentoring-Buch für junge Menschen geschrieben. Mir war es wichtig, dass sie die Wirkung ihrer eigenen Geschichte erkennen. Doch die Botschaft passt sehr gut auch in die Zeit der Pandemie: Auf welche Lebensthemen fokussiere ich mich?

Ich persönlich will mich in den nächsten Jahren noch stärker für meine neue Heimat Nordhessen engagieren. Deshalb planen wir im Sommer eine Regionalkonferenz auf dem Gutshof. Mir liegen junge Mediengestalter am Herzen, für die ich mich ehrenamtlich als Mentor engagiere.

Vielleicht inspiriert Sie mein heutiger Beitrag, über Ihre eigen Geschichte nachzudenken: Was soll Ihr Fußabdruck sein? Was wollen Sie verändern? Welche persönlichen Erinnerungen wollen Sie aktiv gestalten, an die Sie sich auch Ende 2021 noch gerne erinnern?