Heute morgen bin ich über einen Begriff gestolpert, der mich sofort fasziniert hat: Seins-Autorität. Der bekannte Psychologe Erich Fromm bezeichnet damit die Ausstrahlung einer Person, die ganz von ihrem Sein geprägt wird.

Vorbilder
https://www.williweitzel.com

Kinder spüren die Seins-Autorität

Es gibt Menschen in meinem Leben, die für mich eine besondere Anziehungskraft haben. Frauen und Männer, die diese Seins-Autorität haben. Sie müssen niemand mehr beweisen, wie erfolgreich sie sein. Sie haben es nicht nötig eine Rolle zu spielen oder mit ihrem Beruf zu kokettieren. Sie ruhen in sich, sind ganz bei sich angekommen.

So wie der Fernsehmoderator Willi Weitzel. Wenn Sie Kinder oder Enkel haben, haben Sie seine Sendung bestimmt schon gesehen: Will Wills Wissen – fast 200 Folgen liefen in der ARD. Auch als Erwachsener sehe ich gerne seine Reportagen, weil er ohne Eitelkeiten vor der Kamera agiert und Kinder mit großer Wertschätzung und Liebe behandelt.

Willi Weitzel fasziniert durch seine Persönlichkeit. Ich bin überzeugt, dass die Kinder intuitiv spüren, dass ihm das Sein wichtiger als das Haben ist. Mir gefällt sein Engagement für die sozialen Randgruppen, die sich in den jährlichen Sternsinger-Aktionen ausdrückt.

Häufig entsteht die Seins-Autorität durch eine Krise

Doch das war nicht immer so: Willi Weitzel musste durch eine tiefe Krise. Auf dem Höhepunkt seines Erfolges steigt der beliebte Fernsehmoderator aus. Er meint, dass er nicht ewig der naiv anmutende Kinderunterhalter sein kann. Sein Umfeld ist schockiert. Als auch noch seine Ehe zerbricht stürzt er in eine Lebenskrise.

Die Frage „wer bin ich eigentlich?“ treibt ihn um. „Jahrelang“, gesteht er, „war ich der Willi. Doch dann fing ich an, den Willi zu spielen“. Willi, der eigentlich Helmar heißt, ist in Marburg aufgewachsen und hat Theologie studiert. In der Krise zieht er sich in ein Benediktinerkloster zurück, um mehr Klarheit über sich zu gewinnen.

Ich bin sehr gespannt auf das neue Porträt über Willi Weitzel, das am 14. November ab 17.30 Uhr in der ARD ausgestrahlt wird. Und darauf, wie er konkrete Antworten auf seine Sinn-Fragen gefunden hat.

Sabine Ball – Foto: Andreas Lehmann

Authentische Menschen, die keine Rolle spielen müssen

Noch eine zweite Person möchte ich vorstellen, die mich seit Jahren fasziniert: Sabine Ball, die als Mutter Theresa von Dresden bekannt wurde. Ich kannte die gebürtige Königsbergerin persönlich, deshalb erzähle ich Ihnen hier ihre Geschichte etwas ausführlicher. Sabine Ball verließ nach dem Zweiten Weltkrieg als junge Frau Mitte zwanzig Deutschland, um sich in den USA ein neues Leben aufzubauen – was ihr auch gelang:

Sie arbeitete sich vom Hausmädchen zur Managerin eines exklusiven Jachtclubs in Florida empor, lernte dort den Multimillionär Clifford Ball kennen, heiratete ihn und bekam zwei Kinder. Was sich nach Happy End anhört, war zunächst einmal alles andere als das: Nach zehn Jahren Ehe verließ Sabine Ball ihren Mann aufgrund seiner Alkoholkrankheit und zog mit ihren Kindern nach Kalifornien. Dort kaufte sie ein Stück Land, auf dem sie eine Kommune gründete.

Eintauchen in die Welt des Seins

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands kommt Sabine Ball 1992 in die alte Heimat zurück und besucht Dresden – dessen Bombardierung sie als junge Frau erlebt hatte. Sie streift durch die Stadt und gelangt irgendwann in die Dresdner Neustadt, wo nach der Wende Kinder und Jugendliche zum Teil auf der Straße leben. Und genau dort, in diesem zu DDR-Zeiten völlig vernachlässigten Stadtviertel, zwischen lauter abbruchreifen Häusern, findet Sabine Ball ihr Lebensthema.

Sie fühlt, dass sie hier gebraucht wird und beschließt, zu bleiben. In einem ehemaligen Schnapsladen gründet sie mit dem Verein Stoffwechsel e. V. eine Anlaufstelle für Kinder und Jugendliche, die aus einem Café, einem Secondhand-Laden und zwei Häusern für betreutes Wohnen besteht. Alles wird bis heute durch Spenden bzw. durch die Stiftung finanziert, die Sabine Ball noch ins Leben gerufen hat, bevor sie im Sommer 2009 starb.

Auch heute bleibt sie mir als eine charismatische Frau im Gedächtnis – mit einer tiefen Seins-Autorität. Ihr war es gelungen, die Welt des schönen Scheins hinter sich zu lassen und in eine Welt des Seins einzutauchen. Doch was mich, wie viele andere Menschen besonders fasziniert. Sie war eine Frau ganz ohne Eitelkeit, ohne Eifer, authentisch und mit großer Gelassenheit in sich ruhend. Eine Frau, die ihren Platz im Leben und ihr Lebensthema gefunden hatte und daraus eine große Kraft zog. 

Nun bin ich gespannt auf Ihre Vorbilder, die Sie persönlich inspirieren. Schreiben Sie mir einen Kommentar oder eine persönliche Nachricht.