Letzte Woche hatte ich Geburtstag, doch mir war nicht nach Feiern. Meine Seele ist überfordert von den täglichen Kriegsberichten, den Sondersendungen. Ich überlege mir, was zu tun ist, wenn alles zu viel wird?

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Der wolkenlose Himmel scheint eine Illusion

Mit meiner Frau sitze ich im Café zum Geburtstagsfrühstück. Draußen leuchtet die Fassaden der Altstadt im strahlenden Sonnenlicht. Doch dieser wolkenlose Himmel scheint mir heute wie eine Illusion. Eine heile Welt, die es längst nicht mehr gibt.

Das Croissant schmeckt ausgesprochen lecker. Gleichzeitig fühle ich mich schlecht, bin ich undankbar? Auf allen Kanälen trudeln Glückwünsche ein, doch ich habe Mühe, all die guten Wünsche aufzunehmen. Keine Sorge: Ich bin nicht depressiv, aber überfordert von diesem Spagat zwischen Frühlingsheiterkeit und Bombenterror auf dem selben Kontinent.

Sicher Kriege gab es schon immer. Den Ersten, an den ich mich erinnern kann, war der Sechstagekrieg im Juni 1967. Ich war damals sechs Jahre alt. Der Krieg war für uns Erstklässler ein Riesenschreck. Ich kann mich auch an die autofreien Sonntage 1973 erinnern, als wir zum ersten Mal unter dem Ölpreisschock standen.

Was ist eine kluge Selbstfürsorge?

Doch jetzt scheint es anders. Vielleicht liegt es an dem dritten Jahr Pandemie. Viele hatten gehofft, dass im Frühling nun die große Erleichterung kommt. Der Freedom Day: Alles wird wieder gut. Doch die Bilder aus Mariupol und Kiev zeigen, wie naiv dieser Glaube war.

Längst haben wir uns an die Farben der Ukraine gewöhnt – die Zeitungen machen ihre Meldungen mit Capriblau und Verkehrsgelb auf. Doch ich muss zugeben: Meine Seele ist erschöpft. So wie meine Geburtstagsblumen. Sie lassen sie bereits nach kürzester Zeit ihre Köpfe hängen – viel früher als sonst.

Ich überlege mir seit Tagen, wie ich persönlich mit dieser schrecklichen Situation umgehen soll. Was eine kluge Selbstfürsorge sein könnte. Auf der einen Seite will ich meine Seele nicht mit einer dichten Goretex-Membran umkleiden, sondern verletzlich bleiben. Anderseits gibt es auch das eigene Leben, in dem ich seelisch gesund bleiben will.

Ein Zeichen der Hoffnung pflanzen

Meine persönliche Strategie der letzten zwei Wochen: Ich habe meinen Nachrichten-Konsum auf das Minimum beschränkt. Dass umfasst alle Medien – auch die sozialen Kanäle. Statt Live-Bildern verfolge ich das Geschehen einmal täglich in der Zeitung. Die vielen Sondersendungen lasse ich bewusst aus.

Ich überlege mir stattdessen, wie ich andere Menschen und auch mich selbst ermutigen kann. Bei manchen Gesprächen spüre ich, wie die Angst mein Gegenüber geradezu lähmt. Meine Frau erinnert mich an Luthers Zitat: „Auch wenn ich wüsste, dass morgen die Welt untergeht, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen.”

Das klingt vielleicht banal, trifft aber den Kern: Der Baum steht für Leben und Hoffnung. Genau das brauchen wir in dieser Situation. Es ist eine tägliche Entscheidung, die ich treffen muss: Verharre ich in Resignation oder habe ich den Mut, ein Zeichen der Hoffnung zu pflanzen?

Mir persönlich helfen auch die Morgengebete in der Gutshof Kapelle. Ich habe wieder angefangen zu meditieren. Eine Stunde in der Stille oder mit einer geführten Meditation. Das belebt meine Seele und hilft mir auf.

Wir dürfen auch lachen

Mein Freund Ernst berichtet, dass er momentan eine kreative Schaffensphase hat und ein Werk nach dem anderen schafft. Auch andere Künstler arbeiten verstärkt an neuen Projekten. Damit verarbeiten sie die Krise künstlerisch für sich.

Unsere Nachbarn, die einen Pferdehof betreiben, veranstalten ein Ponyreiten für den Frieden. Bei Kaffee und Kuchen versammeln sich hundert Menschen aus dem Dorf und ermutigen sich gegenseitig. Mich begeistert auch die Hilfsbereitschaft vieler Menschen in der Krise. Sie setzen kleine und große Zeichen der Hoffnung.

Zum Schluss noch ein aktueller Tipp von Sabine Asgodom, der bekannten Managementtrainerin: “Wir dürfen die alltäglichen Dinge nicht vergessen. Jeder von uns lebt einen täglichen Kampf. Wir dürfen auch lachen. Das brauchen wir auch. Heiterkeit ist etwas, das uns durch die schwierigsten Zeiten bringen kann.”

Mit nachdenklichen Grüßen

Rainer Wälde