Manche Chefs glauben immer noch, dass sie über das Gehalt die Motivation ihrer Mitarbeiter steuern können. In Wahrheit sind Anerkennung und Wertschätzung die Gold-Nuggets, die leider viel zu selten genutzt werden.

Foto: Shutterstock

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Das ungewöhnliche Poloshirt im ICE

Mit großem Elan steigt in Hannover ein Geschäftsmann ein und betritt mein Abteil. Ich bin auf der Rückfahrt von Hamburg nach Kassel und wundere mich über die Stickereien auf seinem Poloshirt: “Qnigge” steht dort geschrieben – für mich als neugieriger Journalist ein idealer Gesprächseinstieg. Ich will wissen, was er mit dem “Q” bei Knigge bezweckt und merke schnell: Wir beide sind Kollegen mit ähnlichem Ziel.

Markus F. Weidner liebt guten Service und Qualität und hat sein Leben dem Qualitäts-Knigge verschrieben. In Hotels und mittelständischen Firmen schult er seit Jahren die Serviceteams. Seine Beobachtung: “Ohne Anerkennung und Wertschätzung verkümmern die Mitarbeiter wie eine Pflanze, der man Licht, Wasser und Dünger vorenthält.”

Woher kommt die geringe emotionale Bindung?

Schnell wird klar, dass wir beide nicht nur als Knigge-Experten auf der gleichen Wellenlänge liegen. Markus Weidner hat gemeinsam mit seiner Frau einen Ratgeber veröffentlicht, der sich intensiv mit “Anerkennung und Wertschätzung” im beruflichen Alltag auseinander setzt.

Darin zitieren sie eine Gallup-Umfrage unter rund 2.000 Arbeitnehmern mit dem Ergebnis: Nur 15 Prozent der deutschen Arbeitnehmer haben eine hohe emotionale Bindung an ihr Unternehmen. Die Mehrzahl dagegen macht Dienst nach Vorschrift oder hat innerlich gekündigt.

Futter für die Seele und Treibstoff für den Erfolg

Die beiden Weidners analysieren pointiert, welche Arbeitgeber in Zeiten des Fachkräftemangels heute punkten: Chefs, die ihren Mitarbeitern regelmäßig Anerkennung und Lob zollen. Vorgesetzte, die sich für das persönliche Leben interessieren, die Meinung der Mitarbeiter erfragen und ernst nehmen: “Die Ziele meiner Firma geben mir das Gefühl, das meine Arbeit wichtig ist.”

Ich genieße unser Abteilgespräch im ICE und merke, welche große Rolle auch die kulturelle Prägung des Chefs spielt. In Baden-Württemberg gilt seit vielen Jahrzehnten die Maxime “Net gschimpft, isch gnug globt” was übersetzt so viel heißt wie “Wer nicht meckert, lobt seine Mitarbeiter schon genug”.

Wer in diesem Kulturkreis aufwächst, betrachtet Anerkennung und Wertschätzung als überflüssigen Zierrat und vergisst mitunter auch als Führungskraft, welche Dynamik und Kraft in einem ehrlichen Kompliment stecken kann.

Weiche Faktoren schaffen harte Fakten

Die beiden Wertschätzung-Experten Hannelore und Markus Weidner sind überzeugt, dass diese weichen Faktoren elementar wichtig sind, damit ein Unternehmen auch dauerhaft erfolgreich ist. Zum besseren Verständnis erzählen sie zahlreiche Beispiele aus ihrer Praxis: Eine frischgebackene “Eventmanagerin” wird im Hotel allein gelassen, der Vorgesetzte ist nur selten erreichbar: “Statt Wertschätzung gibt es Druck”. Die neue Mitarbeiterin meldet sich immer häufiger krank, der Umsatz im Eventbereich sinkt um einen hohen sechsstelligen Betrag.

Bei diesem Beispiel wird schnell klar, welchen Stellenwert eine Kultur der Anerkennung und Wertschätzung in jedem Unternehmen genießen sollten. Zumal eine Studie der beiden Psychologen Daniela Lohaus und Christian Haase klar belegt, was einen attraktiven Arbeitgeber auszeichnet:

1.) Team / Arbeitsatmosphäre/Klima

2.) Arbeitsaufgabe

3.) Work-Life-Balance

Das Thema “Gehalt und Sozialleistungen” rangiert in dieser Auswertung von insgesamt 37 Studien mit 64.000 Befragen auf Platz sieben.

Wie gelingt eine Kultur der Wertschätzung?

Für mich persönlich beginnt die Wertschätzung bereits am allerersten Arbeitstag: In den ersten Minuten spürt der neue Mitarbeiter, ob er erwartet wurde: Ist der neue Arbeitsplatz vorbereitet? Sind die Kollegen informiert? Steht ein Begrüßungspräsent bereit, das ausdrückt, ich bin willkommen?

Ein befreundeter Unternehmensberater berichtet aus seiner langjährigen Erfahrung, dass sich bereits in den ersten drei Arbeitstagen entscheidet, ob der neue Mitarbeiter zum Insider wird oder Outsider bleibt. Aus diesem Grund empfiehlt er jedem Unternehmer, einen Insider als Paten zu benennen, der sich ganz mit der Vision der Firma und den Zielen identifiziert und diese Begeisterung auf den neuen Mitarbeiter überträgt.

Nutzen Sie den Erfolgsmotor Anerkennung

Auch beide Weidners sind überzeugt, dass Anerkennung zu den wichtigsten Erfolgsmotoren im Unternehmen zählt. Sie zitieren eine Studie aus den USA: Was ist das Wichtigste, das das Unternehmen oder die Führungskraft tut, damit Sie großartige Arbeit liefern? 37 Prozent antworten: “Mich anerkennen” – das ist die Rückmeldung mit der höchsten Stimmenzahl, gefolgt von “mehr Autonomie” und “Inspiration”.

Mich persönlich inspiriert das Buch selbst als Chef von vier Mitarbeitern, das Thema “Wertschätzung” auf meiner ständigen Agenda zu halten. Dabei inspirieren mich drei konkrete Denkanstöße:

1.) Wem gebe ich Anerkennung? Wem nicht?

2.) Wem habe ich trotz guter Leistung schon lange keine Anerkennung mehr gegeben?

3.) An wessen Leistung habe ich mich gewöhnt?

Buchtipp: “Anerkennung und Wertschätzung” von Hannelore und Markus Weidner, Gabal Verlag 2016