Am Freitag ging gar nichts mehr: “Sie können Ihre Datei nicht speichern”, meldete mein Computer. Danach verbrachte ich acht Stunden mit dem Support. Das lange Warten brachte mich ins Nachdenken über mein eigenes Leben: Ist meine emotionale Festplatte ebenfalls voll?

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Eine paradoxe Meldung bringt mich zum Nachdenken

Manchmal sind es die Paradoxien, die uns ins Nachdenken bringen. Der Dateimanager zeigte mir an, dass 500 GB mit meinen Daten belegt sind. Gleichzeitig meckerte die Festplatte, ich hätte das gesamte Speichervolumen von einem TB belegt.

Nach einer vergeblichen halben Stunde im Chat mit dem Hersteller rief ich beim Support an. Die junge Mitarbeiterin führte per Fernwartung etliche Diagnosen durch. “Eigentlich kann das nicht sein”, sagte ich immer wieder. “Entweder ist die Festplatte halb voll oder ganz voll. Aber beides gleichzeitig – das kann doch nicht sein.”

Die Apple-Mitarbeiterin blieb freundlich. Wir starteten Hilfsprogramme, die länger dauerten. Gegen Mittag werde ich wieder angerufen. Der Kollege um 13 Uhr führte weitere Diagnosen durch – ohne Erfolg. Um 15 Uhr rief mich dann ein Support-Mitarbeiter aus Bayern an. “Da hilft nur eins: Plattmachen. Den ganzen Computer auf Null zurücksetzen, dann ganz von unten neu aufbauen. Ich mache das übrigens auch so. Weil sich über die Jahre soviel Systemmüll ansammelt.”

Manchmal hilft nur ein Kahlschlag

Ich musste tief schlucken. Wollte ich das wirklich? Doch mein Nervenkostüm lag nach erfolglosen Support-Versuchen endgültig brach. Um 16 Uhr entschied ich mich für den Kahlschlag. Die Radikalkur ging erstaunlich schnell. Um 17 Uhr hatte ich einen “fabrikneuen Rechner” – mit 900 GB freiem Speicher.

Doch der aufregende Teil kam jetzt: Konnte ich wirklich alle meine Programme und Daten wiederherstellen? Zum Glück gelang dies recht schnell: Fotos, Mails, Dokumente – werden alle über die Cloud synchronisiert und waren in kürzester Zeit wieder verfügbar. Doch die beste Nachricht: Jetzt sind 75 Prozent des Speichers wieder frei.

Nun fragen Sie sich vielleicht, warum ich Ihnen diese banale Computer-Geschichte erzähle? Beim Nachdenken wurde mir bewusst, dass es auch in meinem Leben mitunter eines “Resets” bedarf.

Wenn ich reduziere, spüre ich Leichtigkeit

Im Laufe des Lebens sammelt sich nicht nur Datenmüll auf einer Festplatte, sondern auch sehr viel Materielles in den Schubladen und Schränken an. Ich versuche jedes Jahr auch Überflüssiges oder Abgetragenes loszuwerden. Jede dieser kleinen und großen Entrümpelungen schafft innere und äußere Freiheit.

Auch bei Beziehungen spüre ich, dass sich über die Jahre lose Enden ergeben. Durch Ortswechsel und berufliche Veränderung kommen manche Bekanntschaften in eine Sackgasse, auch wenn sie offiziell nicht zu beendet sind.

Mit dem Umzug nach Nordhessen hat sich auch bei mir ein wichtiges Lebenskapitel geschlossen. Ich bewahre die positiven Erinnerungen und entscheide mich, die “losen Enden” aktiv abzulegen. Das heißt nicht mehr der Vergangenheit nachzutrauern.

Wenn die emotionale Festplatte an ihre Grenze kommt

Auch im Beruflichen gibt es Projekte, die wie offene Enden in der Luft hängen. Ich denke zum Beispiel an ein Filmprojekt, dass ich bei ARTE in Straßburg angeboten habe. Doch die notwendige Kooperation mit einem Sender der ARD kam nicht zustande. Auch hier muss ich mich entscheiden, den Status auf “Beendet” zu setzen, damit es nicht weitere kreative Ressourcen bindet.

Doch das ist nicht alles: Während Corona habe ich erlebt, wie sehr die ständige Medien-Überflutung auch meine emotionale Festplatte an die Grenzen bringen. Um keinen Crash zu erleben, habe ich mich damals entschieden, täglich nur dosiert eine Nachrichtensendung aufzunehmen.

Ich glaube, dass diese Erlebnisse bei vielen Menschen eine Form von Resilienztraining waren. Sie hat jedem von uns gezeigt, wie fragil oder wie stark die eigene, aber auch die gesellschaftliche Widerstandskraft ist.

Viele Menschen hofften, nach dem Ende der Pandemie würden leichtere Jahre kommen oder sich das “alte Gefühl” von Sicherheit wieder einstellen. Doch die Kriege in der Ukraine und in Israel zeigen, wie unrealistisch dieser Wunsch ist.

Wie gelingt es emotionale Freiheit zu gewinnen?

Ich persönlich habe in den letzten Jahren etliche Versuche gestartet, um auf der einen Seite “verletzlich” zu bleiben und emotional nicht dichtzumachen angesichts einer Flut negativer Nachrichten. Gleichzeitig merke ich, wie wichtig ein emotionales “Maß halten” ist.

Ich brauche eine gute Balance zwischen meiner inneren Welt, in der Kreativität entsteht und der äußeren Welt in der ich lebe. Mir helfen regelmäßige Auszeiten, in denen ich den digitalen Medienkonsum drossle und teilweise auch ganz abstelle.

Lassen Sie mich zum Schluss nochmals auf meine Festplatte zurückkommen, weil sie für mich ein passendes Sinnbild ist. Je mehr Lebensressourcen ich mit ungeklärten Beziehungen, offenen Projekten und medialem Overload blockiere, desto unfreier fühlt sich mein Leben an.

Um emotionale und auch kreative Freiheit zu gewinnen, braucht es Zeiten des Innehalten und des “Reset”. Auch wenn dieser Schritt vielleicht ungewohnt ist: Nach meiner Erfahrung fühlt sich das Leben danach wieder deutlich leichter an.