Gestern Abend war ich zu einem Netzwerktreffen von Unternehmern eingeladen. Zugegeben: Ich war neugierig. Das erste Online-Treffen nach vielen Monaten Sendepause – doch am Ende des Abends frage ich mich: Warum habe ich mich bei diesem Zoom Meeting so gelangweilt?

Zoom
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Bitte alle Kameras ausschalten – wie bitte?

Die Moderatorin legt sich mächtig ins Zeug: Engagiert spricht sie in die Kamera, preist ihr neues Buch an und ist auch sonst ziemlich enthusiastisch. Das fängt doch gut an, denke ich. Doch die rothaarige Professorin mit dem Fachgebiet Marketing irritiert mich gleich zu Beginn: Bitte schalte Sie Ihre Kameras aus. Wegen der Übertragungsqualität.

Ich bin frustriert: Für das Business-Meeting habe ich mir extra mein neues Hemd angezogen, um auch vor der Kamera etwas optischen Pep zu bringen. Nach einem Jahr Online-Meeting stellt sich immer mehr Routine ein. Ich weiß genau, welches Licht ich anmachen muss, um auch spätabends im Halbdunkel des Büros präsent und wach zu wirken.

Doch ein Netzwerktreffen ohne Kameras? Ich bin ziemlich überrascht. Ist das nicht der Sinn von Networking, den anderen zu sehen? Neue Menschen kennenzulernen? Stattdessen schaue ich auf gesichtlose schwarze Felder. Na da hätte ich doch meine Joggingklamotten anziehen können.

Zoom Meeting & Kommunikative Impotenz

Heute morgen bin ich über die Kolumne eines Zeit-Journalisten gestolpert: Francesco Giammarco berichtet über seine Erfahrungen mit “Kommunikativer Impotenz”. Nach seiner Beobachtung war in der ersten Welle noch alles aufregend und spannend. Es gab viel zu erzählen, doch jetzt in der aktuellen Welle seien wir “gesamtgesellschaftlich bei dem Beziehungsstatus: Wir haben uns nichts mehr zu sagen” angekommen.

Stimmt das wirklich? Aus meiner Beobachtung der letzten Monate habe ich ein paar sehr spannende Begegnungen erlebt – auch online. Da wurde engagiert diskutiert und auch sehr persönliches ausgetauscht. Doch bei allen Treffen, die ich als positiv erlebt habe, kannten sich die Teilnehmer persönlich aus der analogen Welt.

Gestern Abend tauschte sich die Moderatorin mit einem Unternehmer über die Möbel im Hintergrund aus: USM Haller. Wen interessiert denn sowas, denke ich. Dann schiebt sie hinterher: Die habe ich mir nach ihrer wunderbaren Beratung auch gekauft, dazu noch ein paar Designerstühle.

Menschen die schnell im Kopf sind

Woher kommt also diese “Kommunikative Impotenz”, von der dieser Zeit-Kolumnist berichtet? “Wenn Ihnen länger als drei Minuten schweigend zugehört wird, ist die Chance groß, dass Sie furchtbar langweiliges Zeug erzählen.”

Ich habe parallel die Namen der anderen Teilnehmer gegoogelt und geschaut, ob unter den schwarzen Bildschirmen jemand interessantes dabei war, mit dem ich mich gerne austauschen würde. Gerne hätte ich das Netzwerktreffen für ein Kenenlernen genutzt. Doch die Chance gab es nicht.

Einen Satz habe ich mir aufgeschrieben, der ist bei mir hängen geblieben: “Die Krise ist gut für Menschen, die schnell im Kopf sind.” Ihnen gelingt es besonders schnell, so die These, sich mit neuen Dienstleistungen und Produkten am Markt zu positionieren.

Das fand ich einen interessanten Gedanken. Doch nach drei ewig langen Monologen und einem aufgezeichneten Interview war ich nach 60 Minuten dankbar, dass es vorbei war. Niemand stellte eine Frage. Haben sich die anderen auch so gelangweilt wie ich? Ich freue mich auf den Sommer, wenn man sich wieder draußen in der Natur mit anderen Menschen austauschen kann.

Ein Zoom Meeting hat viele Qualitäten, aber für ein Netzwerktreffen mit abgeschalteten Kameras und Mikrofonen eignet es sich nach meiner Beobachtung nicht.