Mir scheint es, dass wir als Gesellschaft seit zwei Jahren wie das Kaninchen auf die Schlange starren. In den Medien überschlagen sich die Negativ-Meldungen. Doch nur wenig Berichte verbreiten eine Hoffnung. Wie überwinden wir diesen “Future Shock” und gewinnt einen neuen Blick auf die Zukunft?

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Bad news is good news

Es gibt unter Journalisten einen Spruch, der das Dilemma gut auf den Punkt bringt: “Bad news is good news”. Je schlimmer die Katastrophe, desto höher die Einschaltquoten und die Zahl der verkauften Zeitungen. Seit der Ukraine-Krise und dem Krieg in Israel überschlagen sich die Negativmeldungen.

“Die Deutschen leiden an einem Future Shock”, behauptet die deutsch-französische Zukunftsforscherin Florence Gaub. Sie hat im Herbst ihre Bedienungsanleitung für die Zukunft geschrieben, die ein großes Medienecho ausgelöste.

In einem Interview mit Uwe Jean Heuser von der ZEIT erklärt Gaub, worin sie das Kernproblem unserer Gesellschaft sieht: Es gebe in Deutschland eine “relativ große Gruppe der Menschen mit starker Zukunftsangst. Sie wollen, dass alles so bleibt, wie es ist, und möchten auch ihr Verhalten nicht ändern.”

Wie gelingt ein attraktives Storytelling?

Ich mache mir immer wieder Gedanken über die Schüler und Studenten, die heute in unserem Bildungssystem ausgebildet werden. Wer vermittelt ihnen eine positive Perspektive, aktiv die Zukunft mitzugestalten?

Florence Gaub hält dies für eine zentrale Aufgabe der Politik. Sie spricht von einer “Kunst” der Politik, diese “Zukunft identifizieren, sie zum Leben erwecken und den Menschen zeigen.”

Sie berichtet von Spaniens früherem Premier Sanchez, der nationale Büro für Zukunftsforschung wiederbelebt hat und das Projekt “Espana Digital 2025” ins Leben rief. In diesem Projekt fragen Experten die Menschen im ganzen Land, wovon sie träumen?

Die Zukunftsforscherin überlegt, “was denn die positive Zukunft von Olaf Scholz ist – wovon er träumt, was für ihn 2030, 2040 oder 2025 cool wäre?” Statt dem Pessimismus zu glauben, wäre es sinnvoller, die Menschen aufzufordern: “Schreib mal ein Essay, wie du dir die Zukunft 2030 vorstellst”.

Christian Wulff: Wir brauchen mehr Mut

Ich habe kürzlich ein Interview mit Christian Wulff gelesen. Im Magazin des Bistums Osnabrück betont er: “Wir brauchen Leitfiguren, die den Menschen etwas zumuten. Darin steckt auch das Wort Mut. Sie sollten Menschen zutrauen, dass sie bereit für Veränderungen sind, wenn die Aussicht auf eine bessere Zukunft besteht.”

Der ehemalige Bundespräsident ermutigt die Politiker, die Vorschriften anzupassen: “Wenn man Standards ein bisschen senkt, um mehr Wohnungen zu schaffen, beim Datenschutz etwas herunterfährt, um die Digitalisierung voranzutreiben, Planungsverfahren beschleunigt, um neue Arbeitsplätze zu schaffen – dann erlebe ich Bürgerinnen und Bürger aufgeschlossen, weil sie sagen, da spricht endlich jemand über die Zukunft.”

Als Bürger beobachtete ich jedoch sehr wenig ermutigende Zukunfts-Kommunikation von Seiten der Politik. Stattdessen dominiert die doppelte Negativierung: “Ihr müsst aufhören mit X, sonst wird es noch schlimmer.”

Eine bürgerliche Zukunftsbewegung

Die Zukunftsforscherin Gaub empfiehlt “etwas Positives zu formulieren” und als Demokratie langfristig zu denken, so wie in der Schweiz. Dort können die Bürger durch die Volksentscheide ihre eigene Zukunft mitbestimmen.

Meine Frau und ich setzen ganz bewusst auf bürgerliches Engagement. Wir versuchen, uns so wenig wie möglich über die Berliner Politik zu ärgern. Statt zu schimpfen, haben wir uns bewusst entscheiden beim Morgengebet namentlich für die Politiker aus der Region zu beten. Wir glauben an die Kraft der positiven Worte.

Wir wollen Menschen sein, die segnen statt zu fluchen, weil dies positive Auswirkungen auf die Zukunft hat. Deshalb haben wir gemeinsam mit zwei befreundeten Paaren eine “Zukunftsmanufaktur für Nordhessen” gestartet. Dazu laden wir seit drei Jahren Politiker, Selbständige, Unternehmer ein.

An diesen Tagen diskutieren wir gemeinsam über unsere Zukunft, stellen positive Beispiele aus der Region vor. Wir spüren, wie ermutigend diese Zukunftsmanufaktur für jeden Beteiligten ist und neue Hoffnung auslöst.

Positive Zukunftsideen, die emotional berühren

Natürlich haben wir mitunter Zweifel, ob das was wir als private Initiative machen, überhaupt eine Wirkung hat. Uns ist bewußt, das Menschen die positiv argumentieren, in Deutschland oft belächelt werden.

Umso mehr genießen wir den Austausch mit jungen Visionären, die ihr Ding machen. Menschen, die Mut haben, sich selbständig zu machen und damit ein Risiko eingehen. Wir brauchen die nächste Generation, die unsere Gesellschaft aktiv mitgehalten und sich Gedanken über die schwindenden Ressourcen machen.

Es braucht aber auch “Väter und Mütter”, die sie dabei ermutigen. Ihnen ein Podium bauen und ein Mikrophon aufstellen, damit sie ihre Visionen vorstellen können. Und es braucht eine neue Bereitschaft zum Dialog, um unsere Demokratie zu stärken.

Mir gefällt der Ansatz von Florence Gaub: “Wir sollten seltener fragen: Deutschland, wovor fürchtest du dich?, und öfter: Deutschland, worauf hast du Lust?” Ich glaube damit gelingt es auch den “Future Shock” zu überwinden.