Lidl wird 50 und hätte allen Grund seinen Gründer zu feiern. Doch statt Dieter Schwarz die Ehre zu erweisen, richten sich alle Scheinwerfer auf Helene Fischer. Deutschlands Schlager-Queen leiht dem Discounter ihr Gesicht und erntet dafür Häme. Warum misslingt der Image-Transfer – das ist mein Thema in dieser Woche.

Helene Fischer Lidl
Foto: Marcel Paschertz / shutterstock

Der Kaufmann als Phantom

Eigentlich hätte es ein großes Win-Win für alle Parteien werden können. Dieter Schwarz, der umtriebige Kaufmann aus Heilbronn, gilt in der Öffentlichkeit schon lange als Phantom. Es gibt keine öffentliche PR um seine Person, keine Fernsehauftritte. Über Jahrzehnte nur ein unscharfes Parkplatzfoto aus den Achtzigerjahren. Erst zur Eröffnung eines von ihm gesponserten Campus der TU München war er öffentlich zu sehen.

Während andere Unternehmen zum 50. Geburtstag stolz den Gründer und seine Geschichte feiern, bleibt Schwarz auch 2023 medial im Dunkeln. Das ist sein gutes Recht. Kein Unternehmer ist gezwungen, sich bei Anne Will oder Markus Lanz öffentlich zu zeigen.

Stattdessen hat sich die Marketing-Etage von Lidl einen Image-Transfer ausgedacht. Wenn schon der Chef nicht öffentlich feiern will, holen wir eben drei Promis: Neben Helene Fischer nahmen sie auch Barbara Schöneberger und den Comedian Max Biermann unter Vertrag.

Teuere Stars verärgern preissensible Kunden

Bereits im Februar wurde in einer Lidl-Filliale in Bayern ein Werbeclip mit Fischer gedreht. Doch die Veröffentlichung im Juni sorgte sehr schnell für einen Shitstorm – sowohl beim Discounter, als auch bei der Sängerin. Der Hauptvorwurf: Warum zahlt die Supermarktkette für einen teuren Star während die Kunden unter der Inflation und hohen Lebensmittelpreisen leiden?

Die Kritik in den sozialen Netzwerken brandete hoch und schnell stiegen auch die führenden Leitmedien in Deutschland auf das Thema ein: Von ARD bis Süddeutsche griffen viele den Shitstorm auf.

Für mich stellt sich dabei die Frage: Hätte Lidl das PR-Desaster vorhersehen oder gar verhindern können? Bereits vor vier Jahren gab es fette Schlagzeilen, als Helene Fischer zum Geburtstag von Trigema im schwäbischen Burladingen auftrat. Doch damals kam das Konzert den Mitarbeitern zugute. Eine Wertschätzung für die Belegschaft und ein Image-Transfer, der funktionierte.

In der aktuellen Lidl-Debatte fragen sich die Kunden, was habe ich davon, wenn die Supermarkkette sich gleich drei Stars leistet? Der Nutzen ist marginal. Zudem scheint der Werbeclip mit Helene Fischer mehr als unglaubwürdig. Kauft die Multimillionärin wirklich im Discounter? Was bodenständig wirken soll, scheint nicht authentisch.

Screenshot: https://www.lidl.de

Image-Schaden für Star und Unternehmen

Nun hat der Shitstorm in den sozialen Netzwerken und das mediale Lagerfeuer in der überregionalen Presse dafür gesorgt, dass es statt Jubiläums-Glück gleich zwei Verlierer gibt: Bei eingefleischten Fischer-Fans die Irritation, dass die erfolgreiche Sängerin noch mehr Geld scheffeln will. Für Lidl der Image-Schaden, weil etliche Kunden bei einem verantwortungsbewussten Unternehmen einkaufen wollen, das faire Preise anbietet, statt Millionengagen für Stars rauszuhauen.

Aus meiner Sicht wäre es klüger gewesen, wenn Lidl das Jubiläum genutzt hätte, um sich auf eigene Storytelling zu fokussieren. Wer kennt die bescheidenen Anfänge von Vater Josef Schwarz der in Heilbronn eine Südfrüchtehandlung gründete mit dem Namen “Lidl & Schwarz”? Damals hätte niemand geahnt, dass Sohn Dieter zum erfolgreichsten Lebensmittelunternehmer Europas aufsteigen würde mit 430.000 Mitarbeitern.

Doch die Firmengeschichte sucht man auf der Webseite von Lidl vergeblich. Aus meiner Sicht eine vertane Chance, die Kunden emotional mit der Kaufmannsfamilie zu verbinden.