Lange schwafeln kann jeder – doch in der Kürze liegt die Würze, wie bereits Shakespeare seinen Hamlet sagen ließ. Wie gelingt es kurze Texte prägnant zu formulieren? Schnell auf den Punkt zu kommen – ohne die Kunden und Mitarbeiter zu langweilen?

kurze Texte
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Die Kunst der kurzen Texte

“Du darfst über alles sprechen, nur nicht über einsdreissig!” Diese Regel habe ich schon als junger Volontär beim Radio gelernt. Nach 90 Sekunden wünschen die Hörer wieder Musik. Wenn der Moderator zu lange schwafelt, wechseln viele den Sender.

Doch wie gelingt es kurz und knackig auf den Punkt zu kommen? Vor allem dann, wenn ich eine kurze Rede oder einen Text schreiben will. Mir persönlich hilft die drei Minuten-Übung, die auch gerne meinen Kunden weitergebe. Auf einem leeren Blatt Papier schreibe ich in die Mitte mein Thema.

Dann sammle ich wie beim Mindmap alle Gedanken, Beispiele, Geschichten, die mir innerhalb der nächsten zwei Minuten einfallen. In der dritten Minute sortiere und priorisiere ich meine Ideen: Womit will ich anfangen, welche Punkte sind wirklich relevant, womit höre ich auf?

Das Geheimnis der Langeweile ist, alles sagen zu wollen

Ich mag dieses Zitat des französischen Philosophen Voltaire: “Das Geheimnis der Langeweile ist, alles sagen zu wollen.” Gerade im beruflichen Kontext merke ich, wie schnell die Zuhörer ermüden, wenn ein Redner vom Hölzchen aufs Stöckchen kommt. Zu viele Details, zu viele Gedanken – ohne Rücksicht auf die Zielgruppe.

Dieses Phänomen gibt es auch bei Autoren. Ob Sie einen kurzen Blogbeitrag oder einen Artikel schreiben – langweiligen Sie auf keinen Fall Ihre Leser. Kommen Sie bereits in der Einleitung auf den Punkt. Sparen Sie überflüssige Worte, nutzen Sie bildhafte Sprache. Wechseln Sie wie beim Tanz die Figuren, bringen Sie Tempo ins Spiel.

Hier ein Beispiel: “In der griechischen Mythologie wurde vor weiblichen Fabelwesen gewarnt: Die “Sirenen” lockten durch ihren Gesang die Schiffe an, um sie dann ins Verderben zu führen. Die gleiche Alarmstimmung kommt auch bei etlichen Menschen auf, wenn sie Barbara Schöneberger im Radio hören oder auf der Mattscheibe erkennen.”

Kennen Sie Flash Fiction?

Mit Flash Fiction sind Kurzgeschichten gemeint, die knackig formuliert sind. Das Magazin “The New Yorker” bietet seinen Lesern bereits seit einigen Jahren dieses Sommervergnügen. Doch die Tradition von ultra kurzen Geschichten haben bereits die Brüder Grimm genutzt. Auch wenn es damals noch nicht Flash Fiction genannt wurde.

Ein sehr gutes Beispiel ist ihr Märchen “Der goldene Schlüssel”. Nehmen Sie kurz die Zeit, die Mini-Geschichte zu lesen: “Zur Winterszeit, als einmal ein tiefer Schnee lag, mußte ein armer Junge hinausgehen und Holz auf einem Schlitten holen.”

Bereits in diesem Satz wird die Meisterschaft der Grimms in bildhafter und kurzer Sprache sichtbar. Gleichzeitig bieten sie eine zeitlose Form von Sinnlichkeit, die ich auch heute noch sehr inspirierend finde.

Kurze Texte benötigen Zeit und Liebe

Von Mark Twain stammt der Ausspruch: “Schreiben ist leicht. Man muss nur die falschen Wörter weglassen.” Der Altmeister guter Texte bringt ein Dilemma auf den Punkt: Zuerst muss ich meine Gedanken sortieren, dann formulieren und zum Schluss auf das Wesentliche kürzen.

Gerade das Kürzen braucht Zeit und Liebe. Wer hat schon Lust, einen mühsam formulierten Text wieder zu löschen? Doch genau das ist die Kunst. Lassen Sie mich dazu ein Beispiel als Autor anfügen. Im Mai und Juni habe ich an meinem zweiten Gutshof-Krimi geschrieben. Nun ist er seit Anfang Juli bei meiner Lektorin und bei fünf Testlesern.

Mit dem gesammelten Feedback sitze ich seit Tagen an der Überarbeitung. Zugegeben: Dieser Prozess des Redigieren braucht mehr Geduld, Schweiß und manchmal auch Tränen – doch er ist für das Ergebnis essentiell.

Von Vorbildern lernen

Ich persönlich lerne sehr viel von andere Autoren und auch Rednern. Deshalb bin ich immer sehr neugierig, wie unterschiedliche Menschen ihre Geschichten erzählen, den Spannungsbogen aufbauen. So freue ich mich jetzt schon auf meine diesjährige Urlaubslektüre: Zwei neu übersetzte Bücher von Daphne du Maurier.

Zum Schluss möchte ich noch einen weiteren Meister der Prägnanz nennen: Meinen Schwiegervater Robert Dörr aus der Nähe von Heilbronn. Als langjähriger Vereinsvorsitzender hatte er gelernt, die Zuhörer nicht zu langweilen und schnell auf den relevanten Punkt zu kommen.

Unvergessen ist seine Hochzeitsrede, die er vor genau zwanzig Jahren für Ilona und mich gehalten hat. Gut vorbereitet ergriff er als Achzigjähriger das Wort. Er hatte nur eine Seite Text, kam schnell auf den Punkt mit kurzweiligen Anekdoten und bildhafter Sprache. Von seiner Begabung haben auch seine beiden Söhne und meine Frau profitiert.