Deine Geschichte, lieber Philipp Mickenbecker hat mich am Anfang des neuen Jahres zutiefst berührt. Deshalb schreibe ich dir heute diesen offenen Brief. Als 23jähriger Influencer bewegst du mein Herz und das von Millionen von Menschen. Danke für dein Vorbild, danke dass du im Angesicht des nahenden Todes so ehrlich bist.

Philipp Mickenbecker
Philipp Mickenbecker im NDR Fernsehen

Wenn jede Minute zählt

In der ARD Mediathek habe ich heute deine Geschichte entdeckt. Der Film über deine erste Krebsdiagnose mit 16 Jahren hat mich sehr stark ins Nachdenken gebracht. Was zählt im Leben wirklich? Worauf kommt es in Zukunft an? Mich bewegt, wie klar du über dein Ende sprichst, auch jetzt mit 23 Jahren und der dritten Diagnose, unheilbar krank zu sein.

Noch immer spüre ich soviel Hoffnung in dir und Dankbarkeit für das was ist. Ich werde in wenigen Wochen 60 und blicke auf ein sehr intensives Leben zurück. Aber bin ich bereit zu gehen, so wie du es ausdrückst? Nein, das bin ich noch nicht.

Ich bewundere deinen Mut, offen über deine Fragen vor dem Tod zu sprechen: “Mir ist bewusst geworden, dass jede Minute in meinem Leben wertvoll ist. Dass Zeit etwas ist, was man nicht mehr zurückholen kann.” Ich glaube, das hat die weltweite Krise gerade vielen Menschen nahe gebracht. Aber hat diese Erkenntnis schon Auswirkung auf meinen Alltag?

Mir hilft der Blick aus meinem Bett, morgens wenn ich aufwache. Vor dem Schlafzimmer steht ein riesiger, kahler Baum. Er erinnert mich jetzt im Winter an meine Endlichkeit, leere Äste, Schnee, kein sichtbares Leben. Doch dann denke ich an den Frühling, bin mir sicher, dass wieder frisches Grün erscheint. Ob ich es noch erlebe, weiß ich nicht. Deshalb zählt auch heute jede Minute. Danke für deine Erinnerung an das Wesentliche.

Warum mache ich gerade das was ich mache?

Lieber Philipp Mickenbecker, ein weiterer Satz von dir hat eine tiefe Wirkung bei mir ausgelöst: “Ich glaube dass ich viel zuviel auf Anerkennung gesetzt habe, auf das was Menschen über mein Leben denken.” Zugegeben: Davon bin ich auch heute in der zweiten Halbzeit meines Lebens noch nicht frei.

Du hast mit Deinem Zwillingsbruder Johannes in den letzten Jahren sehr viele Menschen begeistert. Euer gemeinsamer Youtube-Kanal “The Real Life Guys” hat Millionen erreicht. Mir gefällt eure geradlinige Art, für das echte Leben in der Natur zu werben, statt passiv vor dem Computer zu sitzen. Ziemlich cool finde ich eure Idee, aus Badewannen ein U-Boot oder einen Schlitten zu bauen. Wirklich abgefahren. Allein das Video mit dem Badewannen-Fahrrad haben 10 Millionen gesehen.

Doch die zentrale Frage, die du stellst: “Warum mache ich gerade das was ich mache?” Das stellt meine Alltagsroutine auf den Prüfstand. Was treibt mich im tiefsten Inneren an? Eine Frage, die mich auch in der Pandemie bewegt.

Wie viele Selbständige und Künstler gehe ich mit großen Fragezeichen in dieses neue Jahr. Schon seit längerem ist mir klar, dass die alte Welt untergegangen ist und nicht wiederkommt. Auch meine bewährte Rolle in der alten Welt vor Corona ist nicht mehr gefragt.

Abschied vom vertrauten Leben

Ich spüre den Schmerz, muss Abschied von meinem vertrauten Leben nehmen. Gleichzeitig weiß ich noch nicht, was meine neue Rolle sein wird? Aber was ist das schon im Angesicht des Todes, der bei jedem von uns unausweichlich sein wird?

Du berufst dich auf deinen Glauben, der dir in dieser lebensbedrohlichen Phase deines Lebens Halt und Hoffnung gibt. Ein starkes Bekenntnis, das sicherlich viele Menschen überrascht. Die Sache mit Gott, wie du sie auch in deinem Buch benennst.

Lieber Philipp, ich wünsche dir die richtigen Worte für die kommenden Tage, auch dann wenn du online über deine Gefühle sprichst. Dein Leben zieht Kreise, ermutigt zum Nachdenken, hinterlässt auch bei mir tiefe Spuren.

Jede Minute zählt – das und vieles mehr lerne ich von dir.

In Dankbarkeit, Rainer