Am Freitag klingelt bereits um 8 Uhr das Telefon: Ich soll mich DRINGEND bei den ARD Tagesthemen melden. Sie möchten heute oder morgen kurzfristig mit einem Fernsehteam vorbei kommen. Der Beitrag soll bereits am Montagabend gesendet werden. Von einer Sekunde auf die andere ändern sich die Prioritäten und der Adrenalinpegel steigt.

Von links: Ilona Dörr-Wälde, Christiane Rau, Redaktion Tagesthemen mit Kamerateam und Thomas Bröker, Waldbademeister

Was mache ich, wenn sich die aktuellen Medien melden?

Sie werden lachen: Bereits vor drei Wochen habe ich diesen Blogbeitrag geplant. Ich wollte einen Ratgeber über den souveränen Umgang mit Fernsehteams schreiben. Dass plötzlich die Tagesthemen bei mir anrufen und meinem Thema einen aktuellen Spinn geben, hätte ich beim besten Willen nicht gedacht.

Die “Aktuellen” sind ein Sonderfall in der Medienwelt. Während viele Redaktionen in Print, Radio und Fernsehen langfristig ihre Themen planen, agieren die Aktuellen im Wechsel der Gezeiten, zwischen Ebbe und Flut. Ein Flugzeug stürzt ab, Notre Dame brennt, schnell muss die Redaktion reagieren.

Für die meisten Filme gibt es einen tagesaktuellen “Aufhänger”: In meinem Fall die Ausbildung der ersten Waldbademeister in Deutschland. Christiane Rau, Fernseh-Redakteurin in Frankfurt hat den Tipp bekommen, ein Kollege vom Radio hat ihr vom Gutshof und dem Waldbaden erzählt. Die Geschichte wird in der Tagesthemen-Redaktion angeboten. Hamburg signalisiert Interesse.

Jetzt beginnt eine schnelle Dynamik, in der das mediale Räderwerk in Bewegung gerät: Kurz nach 8 Uhr telefoniere ich mit dem “Chef von Dienst”, der die Planung der Beiträge überwacht. Er nennt mir kurz Thema und Sendeplatz. Habe ich heute oder morgen Zeit? Gefragt ist ein kurzes “Ja” oder “Nein”.

Sekundenschnell durchdenke ich das Medien-Angebot: Die Tagesthemen gelten als renommiertes Nachrichtenjournal im Deutschen Fernsehen. Bundesweite Reichweite, erstklassige Reputation. Sehr gute Einschaltquote: Rund zwei Millionen Zuschauer an einem durchschnittlichen Wochentag.

Es gibt nur hop oder top

Für mein klares “Ja” brauche ich nur Bruchteile von Sekunden. Mir ist klar, es gibt nur hop oder top. Alle anderen Aufgaben muss ich sofort zur Seite schieben: Die Chance nutzen und als Top-Priorität für die kommenden 30 Stunden verfolgen.

Schnell werden die nächsten Schritte besprochen: Die zuständige Redakteurin ist um 8 Uhr noch gar nicht im Haus. Mein “Ja” gilt. Hamburg bekommt die Nachricht, der Film wird kommen. Jetzt wird im Sender ein externes Kamerateam gebucht. Die Journalistin gebrieft. Der nächste Anruf folgt in Kürze.

Ich lege auf und überlege mir, wie wir den Wunsch des Fernsehmacher am Besten von unserer Seite aus unterstützen können. Mir ist klar, wenn das Team kommt, gibt es nur wenig Zeit. Ich muss sofort unsere Mitarbeiter briefen und mir Gedanken über den geplanten Dreh machen.

An dieser Stelle möchte ich Sie als Unternehmer ermutigen, den aktiven Part zu übernehmen: Sie haben (begrenzt) Einfluss auf den Fernsehbeitrag, den Sie durchaus nutzen sollten. Was ist Ihnen aus unternehmerischer Sicht wichtig, welche Botschaft sollte aus Ihrer Sicht kommuniziert werden?

Planen Sie vorab, welcher Drehort für Sie wichtig ist

Überlegen Sie sich klar vor den weiteren Planungsgesprächen, was für Sie im Beitrag die Top-Priorität ist. In unserem konkreten Fall geht es um die neue Ausbildung zum Waldbademeister. Als Initiator ist mir wichtig, dass im Beitrag der Gutshof als Location zu sehen ist.

Aus diesem Grund überlege ich mit unserem Trainerteam, dass wir zu Beginn der Dreharbeiten eine Seminarszene auf dem Gutshof aktiv einplanen, diese ist im regulären Ablauf nicht vorgesehen.

Kurz nach 9 Uhr ruft die verantwortliche Redakteurin der Tagesthemen bei mir an, sie wird am Folgetag mit uns den Film vor Ort drehen. Wir sprechen über den Inhalt des geplanten Beitrags, überlegen gemeinsam, wer interviewt wird, was interessant und wichtig ist.

In diesem Erstgespräch schlage ich vor, dass wir speziell für die Dreharbeiten eine Eröffnungszene auf dem Gutshof vorbereiten werden, die sich als “Locationshot” gut für den Beitrag eignet, um die Geschichte auch visuell und geografisch zu “verorten”.

Sicherlich kennen Sie dies von den täglichen Nachrichtenbeiträgen: Zu Beginn wird immer ein “Landmark” gezeigt: Die Tür von 10 Downingstreet, der Eingang des Kanzleramtes, die Fassade des Weißen Hauses.

Nun kennt bislang kein Fernseh-Zuschauer die Fassade unseres Gutshofes, aber das könnte sich am heutigen Montagabend für drei Sekunden ändern. Gesagt getan: Mein Vorschlag bei uns auf dem Firmengelände anzufangen und dann in den Wald zu fahren, kommt bei der Fernsehjournalistin an. Ob die Szene dann tatsächlich im Beitrag vorkommt, entscheidet die Redaktion.

Bereiten Sie sofort eine Pressemeldung vor

Um 9.30 Uhr ist das Briefing abgeschlossen. Ich schicke der Redakteurin innerhalb von 30 Minuten weitere Hintergrund-Informationen, damit sie sich auf die Filmaufnahmen vorbereiten kann. Vor zwei Wochen habe ich bereits alle Fakten zum Waldbaden in einem extralangen Blogbeitrag mit 2.000 Worten zusammengefasst. Diese Informationen kann ich als Link schnell weiterleiten. Außerdem die Webseite mit dem konkreten Seminarangebot.

Ab 10 Uhr sitze ich an der Pressemeldung: Allein die Tatsache, dass ein Fernsehteam über uns berichtet, ist Anlass genug, alle regionalen Medien darüber zu informieren. Im Journalismus gibt es den passenden Begriff: “Öl ins mediale Feuer gießen”. Wenn ein bundesweiter Leuchtturm wie die Tagesthemen eine Geschichte aufgreifen, hängen sich mit Sicherheit andere Medien dran und berichten ebenfalls darüber.

Mein Tipp: Pflegen Sie als Unternehmer aktiv Ihren Presseverteiler, auf den Sie auch bei aktuellen Anfragen schnell zurückgreifen können. Nutzen Sie die Gelegenheit, um wichtige Medien persönlich anzurufen und über das geplante Interview zu informieren. Jetzt kommt es darauf an, schnell auf der ansteigenden Welle zu surfen.

Bis zur Mittagszeit kontaktiere ich verschiedene Medien: Zuerst die überregionale Tageszeitung HNA, die von einer Million Lesern zwischen Göttingen und Marburg in ganz Nordhessen gelesen wird. Dann informiere ich eine überregionale Nachrichtenagentur und telefoniere mit der GrimmHeimat, dem größten Tourismusverband in der Region. Schnell wird klar, dass auch sie auf die Welle springen und mit einer eigenen Pressemeldung an den Start gehen.

Wer schießt die passenden Fotos?

Keine Pressemeldung ohne Fotos: Ich biete der Tageszeitung HNA an, dass ich sofort nach den Dreharbeiten passende Szenenfotos liefere, die den Artikel illustrieren. Wenn ich Glück habe, wird es zum Aufmacherfoto in der Regionalausgabe und gewinnt dadurch noch mehr Aufmerksamkeit.

Mir ist klar, dass auch die Tagesthemen ein Interesse daran haben, dass die Printmedien auf ihre Beiträge hinweisen. Die Bilder von den Dreharbeiten sind auch für das Fernsehteam ein willkommene Gelegenheit, um auf die Sendung hinzuweisen.

Um 13 Uhr wird meine erste Pressemeldung versandt, um 14 Uhr die des Tourismusverbandes. Schon kurz darauf meldet sich eine weitere Regionalzeitung, die ein exklusives Interview wünscht: Wenn die Tagesthemen darüber berichten, müssen wir doch auch was machen!

Mein Tipp: Bieten Sie interessante Themen immer Top-down an: Zuerst den wichtigen überregionalen Medien, dann den Regionalen. In aktuellen Beispiel Waldbademeister hat bereits die bundesweite Fachzeitschrift für Arbeitsmedizin berichtet, dann die landesweite Hörfunkstation HR4, die nordhessische HNA und weitere regionale Magazine.

Planen Sie visuelle Ankerpunkte

Das Fernsehen lebt von Bildern: Als visuellen Ankerpunkt habe ich mit unserem Team die Idee eines befreundeten Künstlers aufgegriffen. Sein Tipp: Schenkt doch jedem Waldbademeister einen gestickten Aufnäher – wie beim Freischwimmer-Abzeichen.

Gesagt – getan: Wir lassen von einer Designerin ein passendes Logo entwickeln und in einer Stickerei zweifarbig produzieren. Für die Medienberichte ist dies ein netter Gag und für die Teilnehmer des Seminars eine praktische Auszeichnung, sobald die Ausbildung abgeschlossen haben.

Wir nutzen das Logo, um auch beim Deutschen Patentamt eine geschützte Marke eintragen zu lassen. Um 14 Uhr rufe ich zur Sicherheit auch beim Anwalt an, ob das Patentamt die Anmeldung bestätigt hat. Dazu ein klares “Ja”.

Es wäre ziemlich ärgerlich, wenn durch den Bericht der Tagesthemen der Waldbademeister bundesweit bekannt wird und ein Mitbewerber schneller als wir die Marke eintragen lassen würden. Doch in diesem Falls waren wir rechtzeitig genug.

Fernsehtipp: Montag, 29.04. um 22.25 Uhr in den ARD Tagesthemen

Vielleicht wundern Sie sich, dass dieser Blogbeitrag bereits am Montag erscheint, statt wie sonst üblich am Donnerstag? Ganz klar: Ich möchte Ihnen nach dieser tagesaktuellen Geschichte auch die Chance bieten, den fertigen Fernsehbeitrag heute Abend in der ARD sehen. Ich bin genauso neugierig wie Sie, was aus den drei Stunden Drehzeit geworden ist und wie die Tagesthemen die Geschichte der ersten Waldbademeister in Deutschland erzählen.

PS: Wenn Sie die Bilder genau anschauen, erkennen Sie ein zweites Fernsehteam. Bereits gestern Abend haben die Abendnachrichten des HR Fernsehen in der “Hessenschau” über die ersten Waldbademeister berichtet (ab Minute 10:17). Sie waren zeitgleich mit den Kollegen der Tagesthemen auf dem Gutshof.